„Kann unsere Kirche es sich in dieser Zeit des Umbruchs wirklich leisten, mit Berufungen von Frauen so ganz anders umzugehen als mit Berufungen von Männern?“ Diese Frage stellte Veronika Erfurth aus Gangelt schon vor mehr als zehn Jahren. Vor mittlerweile 20 Jahren beendeten sie und ihre Kommilitoninnen Gertrud Jansen aus Brüggen und Sylvia Dyballa aus Kempen ihre Ausbildung zur Diakonin. Ob sie wohl jemals geweiht werden?
Die drei Damen aus dem Bistum Aachen gehörten seinerzeit zum ersten Ausbildungskurs deutschlandweit. Anlässlich ihres kleinen Jubiläums fanden sie sich jetzt in gemütlicher Runde zusammen. Natürlich wurden bei dieser Gelegenheit auch Erinnerungen wach.
Ursprünglich sollte der Ausbildungsgang im Bistum Limburg stattfinden, wurde aber unter der Androhung, das betreffende Tagungshaus zu schließen, untersagt. Da sprangen kurzerhand die Franziskanerinnen von Waldbreitbach ein, in deren Kloster die angehenden Diakoninnen nun unterkamen. Kurz vor Ende des Ausbildungskurses dann der nächste Schlag: „Da die kirchliche Ordnung die Möglichkeit einer derartigen Weihe nicht vorsieht, ist es nicht erlaubt, Initiativen zu ergreifen, die in irgendeiner Weise darauf abzielen, Frauen auf die Diakonenweihe vorzubereiten“, hieß es in einer von Papst Johannes Paul II. am 14. September 2001 approbierten Notifikation aus dem Vatikan. Und weiter: „Die wahre Förderung der Frau in der Kirche […] eröffnet andere weitreichende Perspektiven für den Dienst und die Mitarbeit.“
Die tapferen Kandidatinnen ließen sich aber nicht abschrecken und scheuten keine Kosten und Mühen, um ihre Ausbildung erfolgreich zu Ende zu bringen. „Wenn man sich berufen fühlt, ist es sekundär, was aus Rom kommt“, lautet ein Kommentar aus dem Kreis der Jubilarinnen. Als wenn das noch nicht genug der Hindernisse war, mussten die Teilnehmerinnen auch noch sämtliche Ausbildungskosten selbst tragen. „Dazu gehörten die Unterbringung in Waldbreitbach, die Honorare der Referentinnen und Referenten, die Fahrtkosten“, zählt Sylvia Dyballa auf. „Selbst die liturgischen Gewänder zahlen wir aus eigener Tasche“, ergänzt Gertrud Jansen.
Darüber hinaus war manch eine auf die Unterstützung ihrer Familien angewiesen. „1999, als unsere Ausbildung begann, war mein Jüngster erst sieben Jahre alt“, erinnert sich Veronika Erfurth. Damals musste sich ihr Mann manches Wochenende allein um die Familie kümmern. Alle drei bereuen nicht, die Ausbildung absolviert zu haben. Sylvia Dyballa gibt allerdings zu: „Ich möchte schon geweiht werden, um anders präsent zu sein.“ Zum Beispiel könnte man Beichtgespräche führen und damit sichtbar machen, dass Frauen kompetent sind. Im Ehrenamt habe man keine Rückendeckung. Dennoch sei sie als „Diakonin“ präsent, wenn ihr etwa Konflikte in Bezug auf Kirche anvertraut werden.
Gertrud Jansen wird sogar manchmal mit „Frau Pfarrerin“ angesprochen. Die ehemalige Grundschullehrerin ist seit zehn Jahren im Ruhestand und seit Beendigung ihrer Ausbildung unter anderem im Beerdigungsdienst tätig. Ihre mittlerweile 175. Trauerfeier vollzog sie während des Sturmtiefs „Antonia“ Ende Februar. Sie tat auch schon Dienst auf dem Friedwald in Niederkrüchten, der sowohl von einem katholischen als auch von einem evangelischen Pfarrer gesegnet worden ist. Ihre Tätigkeit bringt sie mit vielen Menschen aus ihrer Pfarrei zusammen. Als der Pfarrer einmal krank war, hieß es: „Nicht so schlimm, wir haben ja dich.“
Unter anderem sind es solche Rückmeldungen, die den drei Frauen zeigen, dass sie seinerzeit die richtige Entscheidung getroffen haben. Sylvia Dyballa schloss sogar noch Ausbildungen zur geistlichen Begleiterin, zur Exerzitienbegleiterin und zur Notfallseelsorgerin an. In letzterem Beruf ist sie zwar nicht mehr tätig, doch erzählt sie stattdessen begeistert vom Marktgebet in der Taufkapelle der Kempener Kirche St. Mariä Geburt, das sie ins Leben rief und das sich inzwischen regen Zulaufs erfreut. Anfangs musste sie sogar um die Beleuchtung der Kapelle kämpfen, mittlerweile hat sich das Marktgebet zu einem gefragten Begegnungsort entfaltet.
Veronika Erfurth ist derzeit ein wenig zur Untätigkeit verdammt. Daran ist, man mag es gar nicht mehr erwähnen, der Corona-Virus schuld. Erfurth wartet auf die Wiederöffnung der Krankenhauskapelle, um mit ihrem Angebot eines regelmäßigen Friedensgebets fortzufahren. Sie durfte auch schon in der ortsansässigen Klinik vor Menschen mit geistiger Behinderung predigen. Daraus habe sie großen Gewinn gezogen, blickt Veronika Erfurth zurück. „Denn man wirft einen ganz anderen Blick auf die Bibeltexte, weil man seine Gedanken in einfache Worte fassen muss.“
In bester Erinnerung ist ihr der 2. Ökumenische Kirchentag in München, den sie 2010 mit einer Gruppe von mehr als 40 Menschen der Gangelter Einrichtungen (heute Fachklinik Via-Nobis) besuchte. Schade findet Veronika Erfurth, dass heutzutage der Ruf nach Diakoninnen oft mit dem Ruf nach Priesterinnen vermischt werde. „Das wollen Diakoninnen nicht!“, sagt sie energisch.
Auch Gertrud Jansen hat Predigt-Erfahrung. Domkapitular Heiner Schmitz († 2019) hatte ihr erlaubt, eine Predigtausbildung zu absolvieren. Pfarrer Edmund Erlemann († 2015) habe sie sogar ohne Ausbildung predigen lassen.
Vom Synodalen Weg in Deutschland erwarten die drei Diakoninnen nicht viel, darin sind sie sich einig – auch wenn mit dem Forum 3 „Frauen in den Diensten und Ämtern in der Kirche“ das Thema wieder aufs Tapet gekommen sei. Voller Hochachtung sprechen die Frauen allerdings vom persönlichen Einsatz ihrer damaligen Lehrpersonen, zu denen unter anderen Prof. Dorothea Sattler und Prof. Peter Hünermann zählten. Obwohl sie Repressalien zu fürchten hatten, hätten sie ihren Lehrauftrag angenommen. Und voller Genugtuung stellen sie fest, dass in Waldbreitbach nun schon der dritte Ausbildungsgang zur Diakonin stattfindet. Seit 1998 wird jährlich am 29. April der Tag der Diakonin begangen.
Informationen zum Netzwerk Diakonat der Frau unter https://diakonat.de.