Plötzlich Pflegefall – was tun?

Pflegende Angehörige stehen vor vielen Herausforderungen. Deshalb ist es wichtig, sich Hilfe zu holen

Zu pflegende Angehörige sind nicht immer alt. Das stellt die Familien vor besonders komplexe Herausforderungen. (c) Henry & Co./unsplash.com
Zu pflegende Angehörige sind nicht immer alt. Das stellt die Familien vor besonders komplexe Herausforderungen.
Datum:
12. Mai 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2024 | Ruth Schlotterhose

„Da haben Sie aber Glück gehabt.“ Die so Angesprochene runzelt die Stirn. Glück? Weil sie einen Parkausweis besitzt, der es ihr erlaubt, ihr Auto auf einem Behindertenparkplatz unmittelbar vor der Klinik abzustellen? Sie würde lieber in zwei Kilometer Entfernung parken und zu Fuß zurückkommen, wenn es ihr möglich wäre.

Ein Haustier kann bei einem pflegebedürftigen Menschen den Lebensmut erhöhen. (c) Jan Tornack/pixelio.de
Ein Haustier kann bei einem pflegebedürftigen Menschen den Lebensmut erhöhen.

Diese kleine Szene, die sich so tatsächlich ereignet hat, macht deutlich, dass Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen nicht nur mit ihrer persönlichen Lebenssituation zu kämpfen haben. Sie müssen sich darüber hinaus auch mit ihren Mitmenschen auseinandersetzen, die oft kaum Verständnis für ihre Lage aufbringen. In seltenen Fällen kann das auch mal der Sachbearbeiter einer Pflegekasse oder die Verwaltungsangestellte einer Behörde sein.

Dabei kann Pflegebedürftigkeit jeden Menschen treffen – etwa durch Unfall oder Krankheit. Dann ist guter Rat teuer. Wer hilft mit bei der Bewältigung der Pflegesituation? Welche Möglichkeiten der Pflege gibt es? Wie kann ich Beruf und Pflege vereinbaren? Und nicht zuletzt: Wie finanziere ich die Pflege?  Angebote und Leistungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige gibt es reichlich; es ist sicher eine gute Idee, sich zu informieren, ehe der Ernstfall eintritt.

 

Grundsätzliche Informationen
Erste Antworten auf viele Fragen bietet das Pflegetelefon. Unter der Rufnummer 030/20179131 informiert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) montags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr zum Thema. Die Webseite wege-zur-pflege.de, für die ebenfalls das BMFSFJ verantwortlich ist, vermittelt im Frage-und-Antwort-Stil Informationen auch zu Tabuthemen wie „Gewalt in der Pflege“ oder „Zinsloses Darlehen“. Sachdienliche Informationen werden auch als Publikationen angeboten.
Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) sind Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auf den Weg gebracht worden. Welche Änderungen 2025 greifen, ist ebenfalls der Webseite des BMFSFJ zu entnehmen.

 

 

 

Eine gute Alternative sind die Webseiten der Verbraucherzentrale unter www.verbraucherzentrale.de und dem Reiter „Gesundheit und Pflege“. Hier werden die Informationen zu einzelnen Pflege-Themen optisch gut gegliedert angeboten, was eine hohe Benutzerfreundlichkeit garantiert. Besonders überzeugen hier das Glossar „Welche Dienste gibt es in der Pflege?“ sowie die grafische Darstellung der einzelnen Pflegegrade. Änderungen aufgrund des PUEG ab dem 1. Januar 2024 sind bereits berücksichtigt. Unter vielen der angegebenen Links werden kostenlose Musterschreiben angeboten. 

(c) Pflegetelefon

Pflegestützpunkte
Pflegestützpunkte sind regionale Anlaufstellen für Menschen, bei denen eine Pflege ansteht. Die Fachleute helfen kostenlos, einen persönlichen Hilfeplan zu erstellen und lotsen Pflegebedürftige und Angehörige durch den Pflegemarkt. Zudem bekommen Ratsuchende auch Unterstützung im Umgang mit Behörden und anderen Institutionen, etwa wenn Anträge bei Sozialleistungsträgern zu stellen sind. Die Beratung zielt nicht auf einen bestimmten Anbieter ab, egal ob Pflegehilfsmittel nötig sind oder nach einem Krankenhausaufenthalt hauswirtschaftliche Hilfen gebraucht werden. Wo der Caritasverband Mitträger eines Pflegestützpunktes ist, findet auch die Vermittlung zu ehrenamtlichen Besuchsdiensten oder Selbsthilfegruppen pflegender Angehöriger statt. 
Im Internet gibt man als Suchbegriffe einfach das Wort Pflegestützpunkt und den Namen seines Wohnorts ein. Dann wird man auf die Seite der nächstgelegenen Kommune mit einem Pflegestützpunkt geführt und findet dort weitere Angaben. Menschen, die persönlichen Kontakt vorziehen oder sich im Internet nicht so gut zurechtfinden, können sich natürlich auch direkt an ihre Stadtverwaltung wenden und um entsprechende Angaben bitten.

 

Pflegebedürftige Kinder und Jugendliche
Pflegebedürftigkeit kann auch Kinder und Jugendliche betreffen. Sie und ihre Familien stehen häufig vor besonders komplexen Herausforderungen. Aus diesem Grund ist etwa der Anspruch der Verhinderungspflege für pflegebedürftige Kinder und junge Erwachsene, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, seit dem 1. Januar 2024 erweitert worden. 
Oft ist es für Familien schwierig, Informationen über alle Fördermöglichkeiten sowie passende und kindgerechte Angebote zu erhalten. Hier hat sich die Unterstützung durch Selbsthilfe- und Elternvereine sowie örtliche Beratungsstellen für Pflege und Teilhabe als hilfreich erwiesen. In Stolberg wurde zum Beispiel als Initiative betroffener Eltern kranker und wieder genesener, behinderter oder verstorbener Kinder zusammen mit Ärzten und Pflegepersonal der Kinderklinik des Bethlehem-Gesundheitszentrums der Verein „Menschenskind“ gegründet, der unbürokratisch Hilfe in vielerlei Hinsicht leistet (www.menschenskind.org).

Das Vinzenz-Heim in Aachen ist die einzige Einrichtung im Bistum, die stationäre Unterbringung und Kurzzeitwohnen  auch für Kinder und Jugendliche anbietet (https://vinzenz-heim.de). Das Kurzzeitwohnen kann zeitlich flexibel ausgestaltet werden. Ein Aufenthalt beginnt mit zwei Übernachtungen, kann aber bis zu mehrere Wochen dauern. Selbstverständlich ist der Besuch von Schule und Werkstatt möglich. Träger des Vinzenz-Heims ist die Josefs-Gesellschaft gAG in Köln, eines der größten katholischen Unternehmen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft Deutschlands. 

 

 

Pflege und Beruf
Der Gesetzgeber sieht verschiedene Möglichkeiten vor, um Berufstätige bei der Pflege Angehöriger zu unterstützen. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung, Pflegezeit oder Familienpflegezeit sind Möglichkeiten für nahe Angehörige, eine Auszeit zu nehmen, um pflegen zu können. Der Begriff „naher Angehöriger“ ist dabei verhältnismäßig weit gefasst. Teilweise müssen die Anspruchsberechtigten dazu schriftliche Anträge innerhalb bestimmter Fristen stellen. Für manche Pflegezeiten gibt es finanzielle Hilfen vom Staat, um Lohneinbußen abzufedern.

Beschäftigte haben zum Beispiel das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben (kurzzeitige Arbeitsverhinderung), wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Seit 1. Januar 2024 kann der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld (das bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung gezahlt wird) jedes Jahr genutzt werden, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bisher war er beschränkt auf insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person. Verbindliche Auskunft, wer anspruchsberechtigt ist und welche Pflegezeiten in Anspruch genommen werden können, ist über das BMFSFJ und die Verbraucherzentrale zu bekommen.

 

Pflegekurse für Angehörige
Wenn die eigenen Kräfte und Fähigkeiten nachlassen und die Bewältigung der Pflege eines Angehörigen mit all den Anforderungen immer schwieriger wird, braucht man Unterstützung und Hilfe. Über die Familiale Pflege stehen Krankenhäuser, zum Teil in Verbindung mit Pflegekassen, pflegenden Angehörigen bei pflegerischen und sozialen Fragen, in Krisen- und Problemsituationen unterstützend und beratend zur Seite (Lesen Sie dazu auch den Artikel https://wp-aachen.opencms.site/a-blog/Unterstuetzen-staerken-und-schulen/). Die Familiale Pflege bietet in Form von Initialpflegekursen pflegenden Angehörigen Unterstützung und Beratung. Sie findet bei den Alexianern in Krefeld (www.alexianer-krefeld.de) in Kooperation mit der gesetzlichen Pflegekasse AOK statt. 
Auch in einigen Seniorenhäusern oder manchen Volkshochschulen werden Vorträge zu Themen der Pflege angeboten. Dazu sollte man den örtlichen Terminkalender im Auge behalten.

Zur Information

•  Leitfaden „Älter werden in Aachen“, www.aachen.de/aelterwerden. Der Leitfaden liegt auch gedruckt in Einrichtungen der Stadt aus. Leitstelle Hackländerstr. 1, 52064 Aachen, 
Tel. 02 41/43 25 61 11

•  AOK-Service-Center Pflege für die gesamte Region Aachen, Düren und Heinsberg, Tel. 02 11/8 79 15 85 20

•  Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz, Luisenstr. 35, 52477 Alsdorf, 
Tel. 0 24 04/9 03 27 80

•  Kreis Düren, Pflegestützpunkt, Bismarckstr. 16, 52351 Düren, Tel. 0 24 21/22 14 10 oder 22 14 11

•  Kreis Heinsberg, Pflegeberatung, Altenhilfe und Betreuungsstelle, Valkenburger Str. 45, 52525 Heinsberg, Tel. 0 24 52/13 55 03. 

Einen Pflegewegweiser NRW als kostenlose telefonische Beratung bietet das Land NRW montags und mittwochs in der Zeit von 14 bis 16.30 Uhr, mittwochs auch von 10 bis 12 Uhr unter Tel. 02 11/3 80 94 00.     sro

Lesen Sie dazu auch den Kommentar der Autorin, "Nehmen Sie HIlfe an!"