Die Schreie der Opfer

Rinaldo Greco wühlt mit seiner Ausstellung „Missbrauch“ in der Citykirche Mönchengladbach auf

Bis zum 24. März ist die Ausstellung von Rinaldo Greco in der Mönchengladbacher Citykirche zu sehen. (c) Garnet Manecke
Bis zum 24. März ist die Ausstellung von Rinaldo Greco in der Mönchengladbacher Citykirche zu sehen.
Datum:
7. März 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 10/2023 | Garnet Manecke

Der Maler Rinaldo Greco stellt seine Arbeiten zum Thema „Missbrauch“ in der Citykirche Mönchengladbach aus. Das Publikum erwarten Bilder, die zutiefst verstören und wütend machen. Der Künstler legt nicht nur einen Finger in die Wunde, er zeigt die Wunden der Opfer und klagt die Täter und ihre Helfer an – bis hinauf zu Papst Benedikt XVI. 

Es schaudert einen. Man möchte die Geistlichen am Kragen ihrer Talare packen, sie schütteln und anschreien: „Warum habt Ihr das getan? Warum habt Ihr diejenigen verletzt, die Euch anvertraut wurden? Warum den Glauben verraten? Jesus ist für Euch am Kreuz gestorben, und was macht Ihr? Wie könnt Ihr damit leben?“ Es ist natürlich klar, dass es nichts brächte, dass man mit einem Rundumschlag gegen alle Priester und Ordensschwestern ungerecht wäre. Dass es in der Kirche Aufrechte gibt, die die Werte des christlichen Glaubens nicht nur im Mund führen, sondern leben. Was die Bilder zeigen, ist nur schwer auszuhalten.

„Die Ausstellung verstört mich absolut“, hat jemand auf einem Zettel an der Litfasssäule unter der Rubrik „Klageworte“ hinterlassen. Wer auch immer diesen Zettel geschrieben hat, mit dem Gefühl ist dieser Mensch nicht allein. Wer die Ausstellung von Rinaldo Greco in der Citykirche besucht, kann einige andere Leute dabei beobachten, wie sie von Bild zu Bild mehr und mehr verstummen. Das liegt nicht nur daran, dass die Szenen, die auf den Bildern zu sehen sind, schrecklich sind. Kinder, kleine Jungen und junge Frauen in dünnen Hemden auf dem Schoß eines Priesters sitzend, auf zerwühlten Betten liegend oder zerstört vor einem Sofa, über das eine Soutane geworfen wurde. Priester, die gerade dabei sind, ihre Pellegrina abzulegen. Dabei schauen sie die Kinder an, die Puppen oder Teddys in ihren Händen halten. Ordensschwestern beobachten dieses Tun oder helfen sogar aktiv, die Opfer auf das, was kommt, vorzubereiten.

Die Bilder von Rinaldo Greco sind fast dreidimensional. Die Faltenwürfe von Tüchern und Bettlaken, die geschundenen Körper, der Schmerz und das Leid in den Gesichtern wirken so, als ob sich die Figuren gleich wirklich bewegten. Man hat beim Anblick die Schreie der Opfer in den Ohren. Greco malt das alles nicht in düsteren Farben. Er benutzt starke Farben: Das Rot, die Blautöne, das Gelb – das alles sind Farben, die auch in einem fröhlichen Frühlings- oder Sommergemälde zum Einsatz kämen. Dieser Kontrast macht die Bilder umso intensiver, er verstört zutiefst.

Die Bilder sind zutiefst verstörend. Die kräftigen, fast fröhlichen Farben stehen im Kontrast zum Inhalt. (c) Garnet Manecke
Die Bilder sind zutiefst verstörend. Die kräftigen, fast fröhlichen Farben stehen im Kontrast zum Inhalt.

Im Zusammenhang mit dem gerade im Bistum Mainz veröffentlichten Missbrauchsgutachten zeigt diese Ausstellung, wie aktuell das Thema ist. Und sie zeigt auch, dass es mit der Aufarbeitung eines Gutachtens, das Fälle der Vergangenheit untersucht, nicht getan ist. Auch heute noch werden Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht: in Familien, Sportvereinen, Freizeitgruppen, Schulen, und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch im kirchlichen Umfeld passiert. Die Bilder von Greco mahnen, die christliche Botschaft von Nächstenliebe und dem Schutz der Schwächsten ernst zu nehmen und genau hinzusehen.

Aber Greco zeigt nicht nur die Täter selbst, sondern er wirft auch das Licht auf ihre Helfer. Diejenigen, die von dem schändlichen Tun wussten, aber es deckten oder vertuschten. Diejenigen, die von der Liebe Jesu Christi predigen, sie aber gleichzeitig mit ihrem Handeln verraten. In manchen Gemälden sind sie zu sehen, diese Geistlichen, die die Eucharistie feiern und die Hostie austeilen, wohlwissend, dass sie selbst sie gerade niemals hätten nehmen dürfen. Diese Priester, darunter auch der am 31. Dezember verstorbene Papst Benedikt XVI., werden in weiß-goldener Kleidung gezeigt. Ihre Gesichter sind grau und dämonisch verzerrt. Es zeigt die Doppelmoral, mit der sie sich schuldig gemacht haben. 

Geöffnet ist die Ausstellung in der Citykirche Mönchengladbach, Kirchplatz 14, bis Freitag, 
24. März, dienstags bis samstags 10 bis 18 Uhr, sonntags zu den Gottesdienstzeiten. Auskunft und Begleitprogramm unter www.citykirche-mg.de.