Wir müssen uns das zumuten

Ein Standpunkt von Garnet Manecke

Garnet Manecke
Garnet Manecke
Datum:
7. März 2023
Von:
Kathrin Albrecht

Im November 2020 wurde das Gutachten zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Aachen veröffentlicht. Es gab ein kleines Beben, obwohl der Inhalt wohl kaum jemanden überrascht haben sollte. 

Nach der Veröffentlichung stellte Bischof Helmut Dieser seine Idee eines Hilfsfonds für die Opfer vor, aus dem zum Beispiel Therapien bezahlt werden sollten. Der Fonds sollte nicht durch Kirchensteuern finanziert werden, sondern „durch Verzicht“. Im Klartext: Priester sollten auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, um das Vorhaben zu finanzieren. Die Reaktionen der Betroffenen waren zum Teil heftig. Von „Sippenhaft“ wurde in sozialen Netzwerken geschrieben und von „Hexenjagd“: Das offenbarte mehr Unkenntnis einiger Herren von Geschichte, als es die tatsächliche Situation beschrieb.

All diejenigen, die sich damals verfolgt sahen und schon fast auf dem Scheiterhaufen wähnten, sollten die Ausstellung von Rinaldo Greco besuchen. Ja, der Besuch müsste sogar eine Pflichtveranstaltung für jeden sein – allein schon deshalb, weil die Ausstellung eine Zumutung ist. Der Künstler mutet uns zu, genau hinzusehen und wahrzunehmen, was passiert. Es ist eine natürliche Reaktion des Menschen, nicht sehen zu wollen, wenn etwas passiert, was nicht passieren darf. Deshalb ist es im Alltag so schwer, Anzeichen richtig zu deuten. Wenn sie überhaupt sichtbar sind. Wenn man falsch liegt, dann kann das katastrophale Folgen haben. Nicht hinzusehen aber, hat sie ganz sicher. Deshalb müssen wir uns das zumuten.

Die Autorin ist freie Journalistin und Redakteurin der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen.