Nicht nur die katholische Welt hat an diesem Wochenende nach Frankfurt auf die
vierte Versammlung des Synodalen Weges geguckt, als der Grundtext zu einer neuen Sexualethik trotz der 82 Prozent Zustimmung des Plenums und der 62 Prozent Zustimmung der Bischöfe scheiterte. Bischof Helmut Dieser hat das Papier maßgeblich miterarbeitet. Viele sind erschüttert. Stellvertretend kommen in der KirchenZeitung einige zu Wort.
Der Synodale Weg, zu dem die Bischöfe das Zentralkomitee deutschen Katholiken in der Krise der Kirche eingeladen hatten, wird nun von einigen Bischöfen wegen eines Textes zu einer Überarbeitung der Sexualethik in einen Scherbenhaufen verwandelt – wegen Dialogverweigerung. Die Haltung der einzelnen Bischöfe ist inzwischen transparent, da nach dem Eklat die weiteren Abstimmungen namentlich erfolgten. Die Haltung unseres Bischofs Helmut Dieser kann ich nur positiv herausheben. Er hat sich als Co-Präsident des Forums Sexualethik engagiert im Vorfeld und bei der Versammlung für das Anliegen des Grundtextes eingesetzt. Er war von dem Abstimmungsergebnis genauso schockiert und ratlos wie viele. Er hat sich bei den weiteren Entscheidungen vehement für die Annahme der Anliegen bei seinen Kollegen eingesetzt. Zu guter Letzt hat er aber auch klare Worte zur Verweigerungshaltung der Betonfraktion bei den Bischöfen gefunden.
Beeindruckt hat mich das leidenschaftliche Engagement von Bischof Helmut für diesen so wichtigen und notwendigen Text und seine klaren Worte an all jene, die sich der Auseinandersetzung verweigert und die Synodalversammlung damit in eine sehr krisenhafte Situation gebracht haben. Trotz dieser Enttäuschung konnten wegweisende Texte verabschiedet werden. Bahnbrechend etwa der Grundtext „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“. Der Beschluss zur Einrichtung eines Synodalausschusses schreibt Synodalität für die Kirche in Deutschland verbindlich fest. Der noch zu bildende Synodale Rat wird den Synodalen Weg konsequent weitergehen. Das ist sehr gut und sehr ermutigend.
Ein Priester aus unserer Gemeinde hat am Mittwoch vor der Synodalversammlung kurz zu mir gesagt: Da fahren zwei Züge aus unterschiedlicher Richtung aufeinander zu. Ich habe mich in der Nacht von Freitag auf Samstag, als ich nicht schlafen konnte, daran erinnert. Ja, fast wäre es zu einem ungebremsten Zusammenstoß gekommen, wenn wir nicht in letzter Minute noch die Notbremse gefunden und gezogen hätten. Der Schreck, die Verletzungen, das Misstrauen ist groß. Es braucht erneut eine gründliche Reflexion nach allen Seiten.
Jeder Mensch ist von Gott gewollt. Diese Haltung prägt den Einsatz der Dienste und Einrichtungen der verbandlichen Caritas im Bistum Aachen für Menschen, die Hilfe benötigen, ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Standes, ihres Geschlechtes, ihrer sexuellen Neigung und jeder anderen Unterscheidung. Dass der Grundtext des Forums zur Sexualmoral bei der Sitzung des Synodalen Weges in Frankfurt noch nicht die nötige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe erreicht hat, bedauern wir. Dass unser Bischof Helmut Dieser sich als einer der beiden Vorsitzenden des Forums enttäuscht zeigt über die Ablehnung, bestärkt uns in unserem Tun. Wir begrüßen nach wie vor seine klare Haltung in dieser Frage und unterstützen ihn ausdrücklich, so wie es auch im Beschluss des Synodalkreises zur Gendergerechtigkeit des „Heute bei dir“-Prozesses für das Bistum Aachen beschrieben ist. Für uns als Caritas erwächst aus dieser Entscheidung des Synodalen Weges die Verantwortung, in unserem Bemühen nicht nachzulassen, damit Menschen durch und als Mitarbeitende der Caritas in Einrichtungen der katholischen Kirche im Bistum Aachen so Anerkennung finden, wie sie sind.
Seit drei Jahren üben alle miteinander im Synodalen Weg, wie Synodalität gehen könne. Genug Wissen und Erfahrungen liegen vor, um in einem zukunftsfähigen Verständnis von Macht einen anderen Umgang mit ihr zu praktizieren. Etwas mehr Tempo täte der Sache und den Menschen gut, denn Verhinderung von Missbrauch sollte oberste Priorität haben.
Natürlich gab es in Frankfurt auch Ermutigendes: Nach dem Donnerstag-Desaster sind keine Texte mehr durchgefallen. Unser Bischof Helmut Dieser hat sehr pointiert agiert, mit viel Einsatz und Entschiedenheit für die Reformen gekämpft und sich an die Seite der Menschen gestellt, die das im besonderen Maße betrifft. Das ist ein gutes Zeichen und sollte die Menschen im Bistum Aachen ermuntern, sich auch im Sinne des abgelehnten Textes zu verhalten und Kirche zu verändern. Gerne auch mit Tempo.
„Ich bin bestürzt, und wieder werden viele Menschen der katholischen Kirche den Rücken zukehren, da sie dort diskriminiert und ausgegrenzt, nicht gesehen und gehört werden“, sagt Vera Koerfer als stellvertretende Vorsitzende. Vorstandsmitglied Regina Schulz: „Eine große Chance wurde vertan! Diese Haltung lässt sich in unserer Gesellschaft nicht mehr vermitteln.“ Vorsitzende Marie-Theres Jung: „Die Deutsche Bischofskonferenz hat eingeladen, gemeinsam einen Synodalen Weg zu beschreiten. Durch diese nicht offene Auseinandersetzung mit dem Grundsatzpapier zur Erneuerung der katholischen Sexuallehre haben einige Bischöfe die Synodalität torpediert. Hoffen wir, dass dies in der nächsten Bischofkonferenz reflektiert wird und Konsequenzen folgen.“ Weiterhin begrüßt der Vorstand es sehr, dass Bischof Helmut Dieser in seinem Statement vor der Abstimmung betont hat, die Anliegen so vieler engagierter Frauen dürften nicht ignoriert werden.
Dass die in der Satzung des Synodalen Weges verankerte Sperrminorität der Bischöfe dazu führt, dass fortschrittliche Beschlüsse verhindert werden, ist ein Schlag ins Gesicht aller jungen Christen und Chistinnen. Zu viele Bischöfe haben immer noch nicht verstanden, dass die Sexuallehre der Kirche geändert werden muss, um weiteres Leid zu verhindern. Diese Veränderungen sind kein Umsturz des sogenannten christlichen Menschenbilds, sondern sie sind die Zusage eines menschenfreundlichen, christlichen Gottesbildes an die Menschen in der Welt von heute. Wir als KJG Aachen unterstützen unseren Bischof Helmut Dieser, der in der Synodalversammlung deutlich Position für den Grundtext bezogen hat. Er hat sich in seiner Rolle als Bischof und als Vorsitzender des Synodalforums als Lernender und Zuhörender gezeigt und seine Haltung reflektiert. Wir möchten Mut machen, den Weg für eine Kirche ohne Angst und Menschenfeindlichkeit weiterzugehen.
Die konservative Seite in unserer Versammlung macht ihre Sache nicht gut genug. Ich erlebe sehr oft von der konservativen Seite erstens Polemik, zweitens selbstreferentielle Klagen, drittens Argumente, die auf Verzögerung setzen, und viertens Argumente, die auf Verlagerung irgendwo anders hin in die Ferne setzen. Das genügt nicht. Wir brauchen dialogfähige, anschlussfähige, gute Argumente.