Es sind auf den ersten Blick zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Profifußball und Kloster. Eine, die beide Welten kennt, ist Schwester Bettina Maria Berens. In den 1990er Jahren war Bettina Berens Profifußballerin, kickte sogar für die Deutsche Frauennationalmannschaft. Eine Verletzung zwingt sie, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Sie geht ins Kloster und tritt in den Orden ein. Als Seelsorgerin arbeitet sie in der Pfarrei St. Vitus in Mönchengladbach. Paul Arns hat mir ihr über Fußball und Religion gesprochen und welche Parallelen zwischen den zwei Welten es möglicherweise dann doch gibt.
Welche Riten in Kirche und Fußball ähneln sich, was das Spiel, die Spieler und die Fans angeht?
Berens: Eine heilige Messe folgt immer einem festen Ablauf: Es gibt den Einzug des Priesters, der Messdienerinnen und Messdiener, der Katecheten mit Gesang, bei dem die Gemeinde aufsteht. Einen solch festen Ablauf und ähnliche Rituale wie in der Liturgie lassen sich auch beim Besuch eines Fußballspiels erkennen. Dies be-
inhaltet eine gewisse Kleiderordnung, Choreografien, das Einlaufen und die Begrüßung der Spieler sowie vielseitige Fangesänge. Vor allem dem Singen der Vereinshymnen kommt darin eine besondere Funktion und Bedeutung zu. Durch das gemeinsame Singen drücken die Fans ihre Verbundenheit mit der Mannschaft und ihrem Verein aus. Ebenso machen viele Spieler, wenn Sie den Rasen betreten, ein Kreuzzeichen. Auch die heilige Messe wird mit dem Kreuzzeichen begonnen.
Oft ist auch die Rede vom „heiligen Rasen“. Gibt es hier Parallelen?
Berens: Ja, auf diesen dürfen die Fußballspieler oft nur zum Abschlusstraining und dann zum Höhepunkt, zum Spiel. Das ist sozusagen „heiliger Boden“. In der Bibel sagt Gott zu Mose: „Zieh deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliger Boden!“
Der neue Europameister wird bald einen Pokal in die Höhe halten.
Berens: Während des Hochgebetes (Eucharistie) wird der Kelch hochgehalten und der Gemeinde gezeigt mit den Worten: „Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ So wird auch der Pokal den Fans präsentiert und ist das Symbol für den Sieg. Auch der Pokal wird gefüllt, mit Sekt oder Bier, und rumgereicht und alle möchten daraus trinken, am Sieg teilhaben.
Kann ein Stadionbesuch vielleicht sogar spirituell sein?
Berens: Noch heute spricht man zum Beispiel vom „Wunder von Bern“. Damals ist unsere Nationalmannschaft sicherlich als Außenseiter in diese WM 1954 gegangen. Ein Fußballspiel ist nie berechnend. Auch die Fans eines vermeintlichen Außenseiters haben Hoffnung und glauben an ihre Mannschaft, daran, dass sie vielleicht über sich hinauswächst. Die Mannschaft kämpft mit Unterstützung der Fans und „vorne hilft der liebe Gott“!
Bei so vielen Parallelen: Auf den Zuschauerrängen spielen Glaube und Kirche scheinbar keine so große Rolle. Wie könnte sich Kirche hier annähern?
Berens: Ich glaube, dass die Kirche wieder Wege finden sollte, Menschen zu begeistern. Vielleicht durch neue Musik, die lebendiger ist. Wir sollten selbstverständlicher vom Kern unserer Botschaft sprechen: von der Liebe Gottes zu den Menschen!
Die Frage müssen wir natürlich auch stellen: Wer wird Europameister?
Berens: Deutschland wird natürlich Europameister. Die vielen Enttäuschungen
der letzten Turniere hat unsere Mannschaft wieder demütig und nahbar gemacht. Dies kann dazu verhelfen, dass Fans und Mannschaft wieder enger aneinanderrücken im Wissen: Wir brauchen einander!