Zum Lobe Gottes und zum Wohl der Menschen

Dr. Sebastian Fritsch ist Notarzt und Lektor, Kommunionhelfer und Kantor am Aachener Dom

Mediziner auf Augenhöhe: Für Sebastian Fritsch ist das menschliche Leben der absolute Wert an sich. (c) Gerd Felder
Mediziner auf Augenhöhe: Für Sebastian Fritsch ist das menschliche Leben der absolute Wert an sich.
Datum:
21. Okt. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 29/2025 | Gerd Felder

Es ist ein bewegtes Leben zwischen Extremen: Dr. Sebastian Fritsch ist Notarzt und ehrenamtlich als Lektor und Kommunionhelfer sowie als Mitglied des Vokalensembles ehrenamtlich am Aachener Dom engagiert. 

„Das Singen ist mein Ausgleich zum Beruf“, bekennt er. „Für mich ist die geistliche Musik die ideale Verbindung von Gotteslob und Klang.“ Der christliche Glaube gibt ihm Kraft und hilft ihm, Notarzt sein zu können.

Sebastian Fritsch ist 1983 in Viersen geboren und wuchs in Schwalmtal auf. Seine Eltern waren kirchlich engagiert, seine Mutter als langjährige Küsterin, sein Vater in der Matthiasbruderschaft und beim Krippenaufbau. Sebastian war Messdiener und sang im Kinder- und Jugendchor. 2003 machte er Abitur an der Bischöflichen Marienschule in Mönchengladbach und studierte danach Medizin in Aachen. Nach dem Examen 2012 arbeitete er anderthalb Jahre am Krankenhaus in Düren-Birkesdorf, bevor er ans Aachener Klinikum wechselte. 

Internistische Notfälle

Fritsch, der ursprünglich Chirurg werden wollte, absolvierte seine Ausbildung zum Facharzt in der Anästhesie, entschied sich aber letztlich für die Intensivmedizin. Seit Anfang des Jahres aber arbeitet er nur noch als hauptamtlicher Notarzt. „Man weiß nie, was einen erwartet“, urteilt er unverblümt. Bei den Notfällen, die Fritsch bei seinen Einsätzen begegnen, handelt es sich zum größten Teil um internistische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Atemnot, Bewusstseinsstörung oder Schlaganfall.

In solchen schweren Fällen hat Fritsch als Notarzt in der Regel höchstens eine Stunde mit den Patienten zu tun – und bemüht sich trotzdem, eine Beziehung aufzubauen, indem er versucht, ihn oder sie zu beruhigen und Ängste zu nehmen. Der Zeit, als er der Forschung alles untergeordnet hat und als Experte für Künstliche Intelligenz in der Medizin kurz vor der Habilitation stand, trauert er nicht nach. „Auch wenn es sich seltsam anhört: Mir macht die Notfallmedizin viel Spaß.“ Die Kameradschaft in den Teams sei enorm und man fühle sich in dieser „Familie“ sehr schnell aufgenommen und getragen.

Fritschs „anderes Leben“, das für den nötigen Ausgleich sorgt, ist sein Engagement am Aachener Dom. Das Vokalensemble, dem er angehört, gestaltet regelmäßig Gottesdienste, singt unter der Leitung von Domkapellmeister Felix Heitmann sowohl Renaissance-Motetten als auch klassische, romantische und zeitgenössische Musik und hat etwa zehn bis zwölf Auftritte im Jahr. Wenn er sogar als Kantor agieren darf, ist das für den tiefgläubigen 42-Jährigen ein absolutes Highlight. Besonders gern erinnert er sich an eine Weihnachtsmesse, vor deren Beginn er mit seinem Gesang die Geburt Christi ankündigte. 

Echter Gänsehautmoment

„Als die liturgische Prozession mit dem Bischof im Mittelgang wartete und die Orgel festlich einsetzte und den Gottesdienst eröffnete, nachdem mein Gesang mit den Worten ,Christus ist uns geboren; kommt, wir beten ihn an!´ geendet hatte, das war ein echter Gänsehautmoment.“ Inzwischen besucht der Mediziner kaum noch Gottesdienste in anderen Kirchen. „Die Liturgie hier sagt mir sehr zu, und deshalb ist der Dom für mich längst zur primären Anlaufstelle, ja zu meiner geistlichen Heimat geworden.“

Der Karfreitag hat für ihn einen besonders hohen Stellenwert, weil er in jedem Patienten und jeder Patientin den leidenden Christus sieht. Deshalb versucht er auch Verständnis für die Patienten aufzubringen, die eigentlich gar keinen Notarzt brauchen.

Als Intensivmediziner musste er manchmal erleben, dass er alles, was medizinisch möglich war, einsetzte und Patienten trotzdem starben. „Ich habe auch Tage, an denen ich mit Gott hadere und ihn frage: Warum?“ – „Ich habe sehr viele Fragen an ihn, auf die ich irgendwann mal eine Antwort zu bekommen hoffe.“ Auch Angehörige stellen ihm diese Fragen, wenn es um die von ihnen geliebte Person schlecht steht. „Ich will keine Panik auslösen, aber inzwischen bemühe ich mich, die Dinge am Krankenbett bewusst beim Namen zu nennen“, erklärt Fritsch. „Ich will vermeiden, dass die Angehörigen mir am Schluss eröffnen: ,Das haben Sie mir nie gesagt‘, obwohl ich ihnen deutliche Hinweise gegeben habe.“ Überhaupt stelle sich in der Notfallmedizin die große ethische Herausforderung: Wann stellt man die Therapie ein?

Die meisten Menschen hätten eine Patientenverfügung, die für den behandelnden Mediziner aber letztlich oft nicht hilfreich sei und von der Angehörige zum Teil nicht wüssten, was dort drin stehe. „Die drei Hauptkriterien für das Einstellen einer Therapie treffen nämlich in Wirklichkeit fast nie zu: Weder ist ein Sterbeprozess unumkehrbar, noch sind eine dauerhafte Bewusstlosigkeit oder ein dauerhafter Abbau des Großhirns gegeben“, erläutert der Experte. „Es gibt aber Patienten, die so massiv vorerkrankt sind, dass sich die Frage stellt, ob es noch Sinn macht, sie ins Krankenhaus zu bringen und weiter zu behandeln.“

Als überzeugter Katholik sehe er jegliche Form von aktiver Sterbehilfe sehr kritisch, aber es sei etwas völlig anderes, wenn man den natürlichen Tod einer schwerstkranken Person zulasse. „Wenn ich die Angehörigen bei dieser Entscheidung mitnehmen kann, habe ich schon gute Erlebnisse gehabt“, blickt der Mediziner zurück. „Ich bin mir bewusst, dass jede Entscheidung, ob man eine Therapie einstellt oder nicht, sehr schwierig ist, und das menschliche Leben ist für mich der absolute Wert an sich“, stellt Fritsch klar. „Aber nicht alles, was in der modernen Medizin möglich ist, muss man auch einsetzen. Man muss den Tod eben nicht um jeden Preis verhindern.“

Viel Fingerspitzengefühl 

Wenn jemand sein Leben gelebt habe und an einer sehr schweren Krankheit leide, könne er sein Leben auch guten Gewissens in die Hand Gottes zurückgeben, lautet seine Überzeugung. Es komme aber im Ernstfall darauf an, bei einer schlechten Prognose zusätzliches Leiden durch ausgedehnte Behandlungen zu verhindern. „Das alles erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl, aber man muss auch akzeptieren, dass das Leben endlich ist.“ Halbwegs zu bewältigen sind solche schwierigen Situationen für Fritsch nur aus einer tiefen Liebe zum Menschen heraus – und mit der Musik als Ausgleich. Sebastian Fritsch ist als Ehemann und Vater von drei Kindern, praktizierender Katholik und engagierter Notarzt mit sich im Reinen.