Zeit, zu lesen

(c) Ben White/unsplash.com
Datum:
21. Juli 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung

Sommerzeit ist auch Lesezeit. 
Die Redaktion der KirchenZeitung stellt einige ihrer Lieblingsbücher vor.

Von Vergesslichkeit und  Erinnerungen

(c) Diogenes Verlag


Es ist die Welt der Reichen und Schönen mit all ihren Absonderlichkeiten und ganz viel Dünkel, in die Martin Suter sich in „Small World“ mit seinen Lesern begibt. Im Mittelpunkt steht die Industriellendynastie Koch  und ein düsteres Familiengeheimnis. In dieser heilen Welt des Geldadels taucht Konrad Lang auf. Der Protagonist, der lange Zeit wie ein Maskottchen der Familie gehalten wird, wird schließlich zum Störenfried und zur Gefahr.
Die Sprache und das raffiniert verwobene Miteinander der Figuren machen das Buch bis zur letzten Minute spannend. Und dann gibt es noch das Extra: Suter greift das hochaktuelle Thema Demenz auf. Die Frage: Woran erinnern wir uns, wenn wir alles vergessen haben? Gibt es Heilung? Und wird diese Heilung heilsam sein oder birgt sie ganz andere Nebenwirkungen, die wir gar nicht absehen können? Großartig und vielschichtig erzählt.  (tee)
Martin Suter: Small World

 

Eintauchen in eine neue Welt

(c) dtv


­„In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit“ – so simpel, so einfach. Vielleicht immer noch einer der besten ersten Sätze, mit denen ein Autor eine Geschichte je begann. J. R. R. Tolkien schrieb ihn von mehr als 80 Jahren. Mit dem „Kleinen Hobbit“ erschafft er in den 1930er Jahren  das Universum von Mittelerde und Auenland, von Hobbits, Elben und voller Magie. Es ist jene fantastische Welt, in die die Leser eintauchen, und die beim Lesen wohl jeder anders vor Augen hat. Die Geburtsstunde der Fantasy-Literatur. Wer sich darauf einlässt, entdeckt neue Sprachen und ganze Welten, Wunder und Geheimnisse und erlebt den ewigen Kampf von Gut gegen Böse. In Tolkiens Universum sind es vor allen Dingen die kleinen Hobbits, auf deren Schultern die Last liegt. Sie meistern sie mit Bravour. Das ist die eigentliche Aussage: Jeder kann Gutes tun und die Welt retten – sei er auch noch so klein.     (akl)
J. R .R. Tolkien: Der kleine Hobbit

Kraftvolle Worte

(c) Verlag Hoffmann und Campe

Große Worte großer Männer kennt wohl jeder. Doch was ist mit den Frauen? Christine Brückner gibt ihnen in „Wenn du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen“ eine Stimme. In 14 fiktiven, aber durchaus realistischen Reden (die es auch mit Erfolg auf die Bühne geschafft haben), lässt sie Frauen aus Geschichte, Literatur und Mythologie sagen, was ihnen auf der Seele brennt. Ob Christiane von Goethe, Maria oder Katharina Luther, zu sagen gehabt hätten sie einiges. Ihre Reden haben auch 40 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung nichts von ihrer Kraft und Aktualität eingebüßt. Manchmal will man widersprechen, ein andermal zustimmen. Sie sind mal zornig, mal wehmütig, mal sanft – und unbedingt lesenswert.  Und sie gehen weiter. 2022 hat ein Projekt neue ungehaltene Reden gesammelt, von Frauen hier und heute, aus denen inzwischen auch zwei Bücher entstanden sind (www.ungehalten.net).    (ath)
Christine Brückner: Wenn du geredet hättest, Desdemona 

Eine kurze intensive  Freundschaft

(c) Patmos

Wenn eine gute Freundin stirbt, dann bleibt neben dem Schmerz und der Trauer auch die Dankbarkeit. Einen Menschen zu haben, der einem vertraut ist, auch wenn er fern ist, ist ein großes Geschenk. Dieses Geschenk beschreiben Angela Krumpen und Regina Groot Bramel in „Den Himmel verschenken. Ein Freundinnenbuch“. Als das Buch entstand, war Groot Bramel schon tot. Angela Krumpen hat es geschrieben und dabei auch Texte aus den E-Mails, die sie von der Freundin bekommen hat, und aus deren Büchern verwendet. So ist posthum nochmals ein Dialog zwischen den Freundinnen entstanden, der berührt. Er beschreibt das Wesen ihrer Freundschaft, die nur zweieinhalb Jahre dauerte. In den Worten der beiden Frauen spürt man, wie nahe sie sich sind. Trotz der relativ kurzen Zeit und über die Distanz zwischen den beiden Wohnorten: Krumpen lebt am Niederrhein und Groot Bramel lebte auf der Insel Amrum. Eine Hommage an die Freundschaft.             (gam) 
Angela Krumpen/Regina Groot Bramel: Den Himmel verschenken

Gefährliche Achtsamkeit

(c) Heyne

Achtsamkeit ist eine tolle Sache. Aber auch eine egozentrische. Denn nimmt man es mit der Achtsamkeit zu genau, kann das für die Umwelt schon mal tödlich enden. So geschehen, nachdem der Anwalt Björn Diemel gezwungenermaßen beschloss, einen Achtsamkeitscoach aufzusuchen. Herr Diemel ist Anwalt und kümmert sich in der Kanzlei, in der er arbeitet, um eine eher humorfreie Klientel. Er vertritt die Vertreter der Unterwelt – und das sehr erfolgreich. Bedauerlicherweise sind diese nicht sonderlich zimperlich mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, weshalb Björn Diemel gezwungen ist, einen Einsatz für den „Boss“ mit dem Wochenendurlaub mit seiner kleinen Tochter zu verquicken. Wegen Diemels besonderer Achtsamkeit sich selbst gegenüber, der dabei die Badefreuden seines kleinen Augensterns im Blick hat, überlebt der „Boss“ dieses Wochenende unglücklicherweise nicht. Und damit beginnt eine herrlich sarkastisch-skurrile Geschichte rund um beste Absichten, blöde Unterweltkönige und einen Mann, der mehr und mehr mit sich ins Reine kommt.    (jp)
Karsten Dusse: Achtsam morden