Zeit, den Akku aufzuladen

Die Abtei Kornelimünster bietet wie manch anderes Kloster stille Tage über Karneval an

Alaaf! Die Karnevalszeit steuert mit den Straßenumzügen auf ihren Höhepunkt zu. Diejenigen, die mit dem bunten Treiben nichts anfangen können, ziehen sich jetzt eher zurück. (c) www.pixabay.com
Alaaf! Die Karnevalszeit steuert mit den Straßenumzügen auf ihren Höhepunkt zu. Diejenigen, die mit dem bunten Treiben nichts anfangen können, ziehen sich jetzt eher zurück.
Datum:
19. Feb. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 08/2019 | Kathrin Albrecht
Die Benediktinerabtei Kornelimünster ist nicht nur zu Karneval ein Ort der Ruhe. (c) Abtei Kornelimünster/Ursula Moll
Die Benediktinerabtei Kornelimünster ist nicht nur zu Karneval ein Ort der Ruhe.

Jeck oder weg – auch im Rheinland scheiden sich an Karneval die Geister, und einige zieht es an den tollen Tagen eher in karnevalsfreie Zonen oder in den sonnigen Süden. Viele Klöster im Bistum Aachen bieten stille Tage über Karneval an. Ein Beispiel ist die Abtei in Kornelimünster bei Aachen. Ein Erlebnisbericht

Statt mich wie üblich über die Karnevalstage im heimischen, weitgehend karnevalsfreien Münsterland einzuquartieren, habe ich mich diesmal entschlossen, an den Einkehrtagen über Karneval teilzunehmen. „Denn eine Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Ps 37,37) lautet der Leitgedanke dieses Kurses, in dem wir im Gespräch nach Wegen suchen, Konflikte anders als nur in Konfrontation zu lösen. Dabei schauen wir auch auf die Regeln des heiligen Benedikts von Nursia, der als Ordensgründer um das Konfliktpotenzial wusste, das in einer Gemeinschaft entstehen kann. Die Runde der Teilnehmerinnen kommt aus allen Teilen des Bistums, auch von weiter her. Sehr viele kommen regelmäßig gerade auch zu diesem Kurs über die Karnevalstage. „Hier lade ich regelmäßig meinen Akku auf“, erzählt mir eine Teilnehmerin. Für die kommenden drei Tage tauche auch ich ein in das Klosterleben, neben den Gesprächsrunden für uns Kursteilnehmerinnen ist der Tag vor allem durch die Stundengebete, Vigil und Laudes am Morgen, die Mittagshore, Vesper und Komplet zum Abschluss geprägt. Gäste des Klosters sind eingeladen, daran teilzunehmen, müssen es aber nicht.

Seit 2004 bietet Abt Friedhelm Tissen OSB gemeinsam mit Schwester Maria- Sophie Disse OSB aus der Benediktinerinnenabtei Raderberg in Köln diesen Kurs über Karneval an. „Der Kurs ist eine Einladung, Karneval einmal anders zu verbringen“, sagt Abt Friedhelm. Im Kurs richten die beiden ihr Augenmerk darauf, die Teilnehmer miteinander ins Gespräch zu bringen: „Kurse leben davon, dass die Teilnehmer sich einbringen“, meint Schwester Maria-Sophie. Der Kurs in der Abtei Kornelimünster ist der einzige, den sie im Jahr begleitet. In ihrem Heimatkloster ist die Ordensfrau für den Innenbereich zuständig. „Ich finde es interessant, wie im Gespräch andere Perspektiven eröffnet werden“, sagt sie. Die Gesprächsrunden seien für die beiden Kursleiter keine Einbahnstraße, unterstreicht Abt Friedhelm: „Wenn sich Menschen im Kreis öffnen, kann sich für mich eine neue Sicht eröffnen.“

 

Das Thema der Einkehrtage fordert, auf sich selbst zu blicken

Mir fällt auf, dass wir bis auf Abt Friedhelm eine rein weibliche Teilnehmerinnengruppe sind. Das sei nicht immer so, meinen die beiden. Aber Männer und Frauen denken und erfahren anders. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Bereitschaft, sich in den Gesprächsrunden zu öffnen. In den Runden kommt oft sehr Persönliches zur Sprache, auch das Leitthema der Einkehrtage fordert, auf sich selbst zu blicken. Das bleibt auch mir nicht erspart: Wie gehe ich eigentlich mit Konflikten um? Kann ich souverän damit umgehen, wenn ich angegriffen werde? Oder schlage ich gleich zurück? Und wie soll das gehen, ein Mensch des Friedens zu werden?

„Ich bin oft sehr angerührt von den menschlichen Schicksalen, die in den Gesprächen offenbar werden“, sagt Schwester Maria-Sophie. Das teilt Abt Friedhelm und hat auch besondere Ehrfurcht vor der Lebensweisheit, die er bei älteren Menschen entdeckt: „Da schlackere ich manchmal mit den Ohren.“ Neben den einzelnen Impulseinheiten bleibt Zeit, selbst zu reflektieren, den Kopf freizubekommen bei Spaziergängen durch den Ort oder im Garten der Abtei. Dabei ist auch Gelegenheit, noch einmal anders über das Kursthema oder über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen. So sei, das haben beide über die Jahre beobachtet, auch unter den Teilnehmern eine Gemeinschaft zusammengewachsen. Das führe zum Beispiel dazu, dass sich die Teilnehmer nach einander erkundigen, wenn jemand mal nicht kommt. Doch auch neue Gesichter finden sich immer wieder ein. Neben mir ist auch eine andere Teilnehmerin zum ersten Mal in Kornelimünster. „Ich habe mich hier sehr aufgehoben gefühlt“, sagt sie zum Abschluss der Einkehrtage.

Und auch mir haben diese Tage gut getan. Trotz des frühen Starts mit der Vigil und Laudes um 6 Uhr. Trotz der Ruhe und der Zeit, die hier ganz anders läuft als in meinem normalen Alltag, sind die Tage fast wie im Flug vergangen. Auf Karneval verzichten muss man übrigens nicht. Der letzte Kurstag ist der Rosenmontag. Noch einmal um 5.30 Uhr aufstehen, die Vigil beten, ein letztes Frühstück in Stille, die Schlussreflexion, Mittagessen. Wenn ich mich beeile, könnte ich es sogar noch zum Rosenmontagszug schaffen …