„Willst du Gottes Allmacht sehen, sollst du auf diese Höhe gehen“, ließ der Volkstanzkreis Kall 1988 an Ort und Stelle auf eine Tafel schreiben. Und ein Kruzifix, das man auf den Stamm der alten Eiche genagelt hat, lässt auch nichts halbwegs Gutes ahnen. Was ist dort passiert? Ein Jäger schoss dort oben einst – hoch über Kaller Knipperweg und Ostlandkreuz – während eines schweren Sommergewitters auf den lieben Gott. Er gedachte so der Legende nach das unlieb- same Wetter praktisch vom Himmel zu holen. Worauf der Nimrod allerdings seinerseits vom Blitz getroffen und niemals wiedergesehen wurde. Ob er tot und verbrannt oder direkt von finsteren Höllenmächten abgeholt wurde, lässt die „Hausbaum“-Sage offen.
Der aus Kall stammende frühere Mechernicher Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Walter Britz hat die Story aufgeschrieben und unter anderem in „Abendgrauen“ (2), der dreibändigen Sammlung Eifeler Schauergeschichten von Ralf Kramp und Manfred Lang, veröffentlicht. Der Olefer Eifelmaler Albert Larres hat den Hausbaum als Ölgemälde hinterlassen, wie er seinerzeit auf offener Heide zwischen Kall und der Broicher Höhe ausgesehen haben mag. Das Gasthaus am Hausbaum, das dort auf offener Heide stand und in dem vor allem Fuhrleute eingekehrt sein sollen, um die Pferde zu wechseln, fing der Sage nach ebenfalls Feuer und wurde bis auf die Grundmauern vernichtet. Die Freifläche ist heute noch zu sehen. Das Heidekraut wurde vom Volkstanzkreis bislang erhalten und zum Teil auch neu angepflanzt. Gut in Schuss ist der mittlerweile um die 250 Jahre alte „Hausbaum“ nicht mehr. Deshalb hat sich auch der für die Naturdenkmäler im Kreis Euskirchen zuständige Axel Jakob von der Unteren Naturschutzbehörde der hohlen Trauben- eiche angenommen. „Wenn der ,Hausbaum‘ irgendwo in bewohntem Gebiet stände“, daraus macht der professionelle Baumkontrolleur keinen Hehl, „dann hätte ich ihn fällen lassen müssen.“ Dort oben über Kall kann zwar keiner eine Garantie dafür abgeben, ob der anderthalb Meter dicke, innen aber hohle Eichenstamm nicht beim nächsten der häufig gewordenen „Jahrhundertstürme“ umknickt. Er ist vom Schwefelporling (Lat.: Laetiporus sulphureus), einem essbaren, aber destruktiven Pilz, angegriffen.
„Es kann aber auch sein, dass der Hausbaum uns alle überlebt und in 150 Jahren noch immer da steht“, so Axel Jakob, der sich mit seinem Vorgänger Alexander Oeliger darangemacht hat, den Kaller „Hausbaum“ einstweilen zu retten. Um gleichzeitig der Verkehrssicherungspflicht zu genügen und Wanderer und Spaziergänger vor herabfallenden Ästen zu schützen, hat Jakob in Absprache mit Laura Kurth und Markus Auel von der Gemeinde Kall einen Zaun aufstellen lassen. Vermittelt von Alice Gempfer, der Integrationsbeauftragten der Gemeinde Kall, hat Basman Al Fauari mit einem Freund geholfen, den Zaun zu bauen. Axel Jakob und Alexander Oeliger wollen in ihrer Freizeit die Pflege der Freifläche rund um den Hausbaum übernehmen. Damit auch in Zukunft zahlreiche Wanderer und Spaziergänger sich zum Kaller Hausbaum aufmachen und dort verweilen, will der Kreis noch Tische und Bänke aufstellen lassen. Die Finanzierung hat die Bürgerstiftung der Kreissparkasse Euskirchen bereits zugesagt. Das Baumaterial für den Zaun hat die Gemeinde Kall zur Verfügung gestellt. Auch die alte Metalltafel des Volkstanzkreises Kall soll wieder aufgehängt werden, auf der nicht nur die als „Gottes Allmacht“ verklausulierte Vollstreckungsgewalt gegen den Jäger ehrfürchtig behandelt wird, sondern auch Gottes Güte und Barmherzigkeit, von der es auf der Tafel heißt: „Willst du Gottes Liebe spüren, soll es dich zum Kreuze führen.“