Wem das Einkommen fehlt und die Verpflichtungen bleiben, der tappt schnell in die Schuldenfalle. Die Zahl der verschuldeten Rentner steigt, sagt Elisabeth Mankertz, Schuldner- und Insolvenzberaterin des Katholischen Vereins für soziale Dienste (SKM) in Krefeld. In der Hubertusstraße 97 wird darum eine besondere Beratung für Menschen „55+“ angeboten.
Frau M. lebt seit über 40 Jahren im geerbten Elternhaus, das sie gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann in den 80er Jahren renoviert hat. Sie haben gemeinsam geplant, aber die Rechnungen hat er bezahlt, vom gemeinsamen Konto. Sie verfügte monatlich über „ihr“ Haushaltsgeld, um den Rest kümmerte sich halt ihr Mann. „Ich brauchte mir keine Gedanken zu machen.“ Schon wenige Wochen nach dem Tod füllt sich der Briefkasten mit Mahnungen. Der Heizöllieferant zahlt nur noch gegen bar, da noch Rückstände bestehen; der Energieversorger droht mit Sperre der Energielieferung, auch hier sind in den letzten Monaten die Abschläge nur unregelmäßig gezahlt worden. Die KFZ-Versicherung droht mit Kündigung wegen Beitragsrückständen. Frau M. wusste nicht, dass Hypotheken aufgenommen worden sind. Ja, natürlich habe sie Unterschriften geleistet, aber sie habe ihrem Mann immer vertrauen können. Dass das Ehepaar schon seit langer Zeit mehr ausgegeben hat, als eigentlich zur Verfügung stand, wird ihr erst jetzt bewusst. Die Hausbank kündigt den Dispositionskredit, die Renteneinkünfte verringern sich plötzlich. Mit all diesen finanziellen und bürokratischen Problemen ist Frau M. allein und überfordert. Eine Situation, wie sie Elisabeth Mankertz aus dem Alltag bestens vertraut ist.
Was kennzeichnet eine Schuldnerberatung für Menschen über 55 Jahren?
Die Gläubigerliste sieht bei einem Senioren ganz anders aus. Häufig sind es nur zwei, drei Gläubiger. Es sind Kredite, die kurz vor einem Todesfall noch aufgenommen worden sind, oder auch solche, die sie lebenslänglich durchgezogen und immer wieder aufgestockt haben. Senioren zahlen sie aus Angst und der moralischen Verpflichtung, die sie haben, weiter. Beispielsweise begleite ich ein 80-jähriges Ehepaar seit fast zehn Jahren. Für sie schicke ich ein bis zwei Mal im Jahr einen Rentenbescheid an die Inkasso-Unternehmen. Ich muss das Paar immer wieder schützen und sagen: „Zahlen sie nichts!“ Sonst würden sie unter das Existenzminimum rutschen. Die Arbeit mit den Senioren ist komplizierter, weil sie Dinge langsamer angehen, oft nicht mobil sind. Wir fahren auch zu den Menschen nach Hause und stellen fest, dass sie keinen Überblick über ihre Unterlagen und Verträge haben. Da ist viel Unterstützung von unserer Seite notwendig. Schwierig ist zu erkennen, wo die Grenze ist: Wo hört unsere Arbeit auf, und wo würde die gesetzliche Betreuung schon anfangen oder auch die Seniorenberatung? Das sind die Schnittstellen.
Was ist mit Kindern oder Angehörigen, die sich kümmern könnten?
Häufig kommen die Kinder mit ihren Eltern. Durch eine Krankheit fällt die Verschuldung der Eltern plötzlich auf. Von diesen Fällen gibt es viele. Mit der Situation sind auch die Kinder oft überfordert. Da stellt sich dann gleichzeitig die Frage: Wie können sie ins Boot genommen werden? Und: Wann kommen sie in eine Verpflichtung? Das Thema kann sich weit ausbreiten.
Wie kommen Sie in Kontakt mit alleinstehenden Senioren, die verschuldet sind?
Da muss oft einiges passieren, ehe die Nachbarschaft merkt, dass Hilfe nötig ist. Ich kenne eine alte Frau, etwa 80 bis 85 Jahre, die ein kleines Häuschen aus den 50er Jahren besitzt, lebenslanges Wohnrecht hat, eine Minirente, aber nicht in der Lage ist, Pflegegeld zu beantragen oder ihre persönlichen Dinge zu regeln. Die ersten Male bin ich immer wieder zu ihr gefahren. Darum wäre gerade im ländlichen Bereich ein solches Angebot wichtig. Dort sitzen viele Senioren auf verwaisten Höfen.
Wenn Sie die Menschen so lange kennen, wie gelingt es Ihnen, sich abzugrenzen?
Ich habe es mit der Zeit gelernt. Ich berate Schuldner seit 17 Jahren. Es kommt aber immer wieder einmal vor, dass etwas unter die Haut geht. Immer dann, wenn man die Geschichten aus eigenem Erleben kennt. Aber ich spüre auch, dass es hilft, dass ich es selbst kenne. Ich habe aufgrund meiner Lebenserfahrung eine ganz andere Ansprache. Das hätte ich vor 25 Jahren nicht so machen können.
Wie viele Menschen betreuen Sie?
Ich habe etwa fünf bis sieben Erstgespräche pro Woche.
Hat der Bedarf zugenommen?
Da kann ich nur gefühlte Zahlen zugrunde legen: In den letzten fünf Jahren ist mir wirklich bewusst geworden, dass die Nachfrage stetig ansteigend ist.
Wie groß ist Ihr Team?
Ich bin mit 12 Stunden beim SKM angestellt. Inzwischen habe ich zwei Ehrenamtliche, die auch im Rentenalter sind. Es ist ganz wichtig, dass sie auf Augenhöhe sind, Zeit und Ruhe mitbringen. Wer Interesse hat, kann sich gerne bei mir melden.
Kontakt:
Elisabeth Mankertz ist beim SKM Krefeld, in der Hubertusstraße 97 montags von 8.30 bis 16.30 Uhr und freitags von 8.30 bis 12 Uhr anzutreffen oder telefonisch unter 0 21 51/8 41 20 erreichbar. Eine Kontaktaufnahme über Mail ist möglich unter mankertz@skm-krefeld.de.