Worte, die ins Herz wollen

Die Kultivierung der Erzählkultur im Glauben ist für Thomas Hoffmeister-Höfener ein Anliegen

Thomas Hoffmeister-Höfener in seinem Erzählelement. (c) Theomobil.e.V.
Thomas Hoffmeister-Höfener in seinem Erzählelement.
Datum:
3. Aug. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 31/2022 | Dorothée Schenk

Am Telefon, mit Berufskollegen, Freunden oder Familie, am Esstisch, in der Kneipe: Viele Male am Tag kleiden Menschen im Miteinander Erlebnisse in eigene Worte. „Erzähl mal“, ist eine gängige Aufforderung. Wenn aber die Erzählung zu einem bewussten Akt wird, wird es problematisch. Da wird lieber etwas Vorgefertigtes abgelesen statt vorgetragen. „Wir müssen wieder neu lernen, was etwas eigentlich Natürliches ist“, sagt Thomas Hoffmeister-Höfener. Seit 20 Jahren ist er Geschichtenerzähler. Er erzählt von Gott und vermittelt anderen, wie sie es selbst tun können. 

Die ureigenste Form der Glaubensvermittlung ist das Erzählen. Fast möchte man sagen: „Sie ist so alt wie die Welt.“ Es ist die erste Form der Kommunikation mit Kleinkindern, wenn sie noch nicht lesen können, aber schon verstehen. Offenkundig wird aber zu wenig miteinander gesprochen, und das gilt vor allem, wenn es um Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament geht. „Wir haben inzwischen einen biblischen Analphabetismus“, sagt Thomas Hoffmeister-Höfener trocken, „die biblischen Geschichten sind nicht mehr bekannt.“

Wenn im Kopf ein Abenteuer entsteht und die eigenen Erfahrungen erkannt werden

Das Erzählzelt bildet den intimen Rahmen für die Geschichten. (c) Theomobil.e.V.
Das Erzählzelt bildet den intimen Rahmen für die Geschichten.

Dabei begeistern biblische Geschichten und zwar über die Generationen hinweg und vor allem, wenn sie in eigene Worte gefasst werden, ist der Diplom-Theologe überzeugt. Sie seien anders als Predigten, die eine Textstelle auslegen sollen. Geschichten seien manchmal einfacher, aber auch emotionaler.

Das sind die Erfahrungen aus zwei Dekaden, in denen Hoffmeister-Höfener mal mit, mal ohne Erzählzelt und auch mal im Kirchenschiff unterwegs ist. „Bei Kindern ist es oft eine erste Begegnung. Natürlich beobachte ich auch, dass es für sie schwieriger geworden ist, sich zu konzentrieren, einfach nur stillzusitzen und zuzuhören. Aber wenn Kinder entdecken, dass diese ganze Geschichte in ihrem Kopf ist, dann ist das nach wie vor ein Abenteuer“ sagt er, und man hört ihn strahlen. „Erwachsene sagen mir: Ich habe die Geschichte zum ersten Mal verstanden, wenn man sie mir mal so erzählt. Es ist schön zu spüren, wenn die Zuhörerschaft merkt, dass die biblische Geschichte gar nicht so weit weg von ihrer eigenen Erfahrung ist.“

Aber was macht denn Geschichten eigentlich aus? Worauf kommt es beim Erzählen an? Diese ganz praktischen Grundlagen kann man sich wieder aneignen, davon ist Thomas Hoffmeister-Höfener nicht nur überzeugt, der Diplom-Theologe zeigt in seinen Workshops und Weiterbildungen im Rahmen seiner kultur- und religionspädagogischen Projektarbeit von Theomobil e.V., dass und wie es geht. „Es geht auch darum, wie ich mit Texten umgehe, wie ich sie so erzählen kann, dass die Menschen sie verstehen können. Da bin ich nicht nur als Erzähler, sondern auch als Theologe gefragt – für die biblische Botschaft eigene Worte zu finden.“ Menschen im pastoralen Dienst im Bistum Aachen will er Ende August in dieser Fähigkeit schulen.

Die Teilnehmenden lernen einen Weg kennen, wie man von der biblischen schriftlichen Vorlage zur eigenen Geschichte gelangt. Das ist nämlich, so ist der Erzähler im Hauptberuf überzeugt, der Kern: „Das eigene Erzählen ist immer noch ein sehr persönlicher und authentischer Weg, Glaubenstradition zu vermitteln, weil Erzählen so unmittelbar ist, weil Erzählen eine hohe

Verbindlichkeit und Bindungsqualität hat, weil wir uns als Menschen Auge in Auge begegnen.“ Hat er eine, die besonders gut bei der Zuhörerschaft ankommt, eine Lieblingsgeschichte? „Es ist immer die, die ich gerade erzähle. Es ist wichtig, dass ich mich für den Moment öffne und versuche, die Geschichte, die ich gerade erzähle, als das Wichtigste und Schönste zu nehmen. Ich bin in der Welt der Geschichte und damit gar nicht mehr da.“

Wenn im Workshop die eigene Erzählung erarbeitet ist, Spannungsbogen und Rahmenbedingungen bedacht sind, geht es „ans Eingemachte“. Dann sollen alle der Teilnehmerschar eine eigene Erzählung mitbringen und vortragen. Das ist sehr persönlich, wie Thomas Hoffmeister-Höfener weiß, weil in jeder erzählten Geschichte ein Stück Persönlichkeit und Geschichte ihres Erzählenden steckt. Auch ein Grund, glaubt der Profi-Erzähler, warum viele Menschen sich nicht mehr trauen, frei zu erzählen. Aber: „Kinder, Jugendliche und Erwachsene merken sofort, ob man einen fremden Text vorliest oder ob man mit eigenen Worten, mit seinem eigenen Inneren beteiligt ist.“ Und gerade diese Beteiligung – deutlicher: das Gefühl für die Bibel und die Kirche – suchen Menschen gerade in Zeiten der theoretisierenden Strukturdebatten. Das Ziel formuliert Thomas Hoffmeister-Höfener mit einem Schmunzeln aber deutlich: „Geschichten wollen ins Herz.“