Wohngemeinschaft des Glaubens

Nach über einem Jahr Ökumene zieht die Krefelder Pius-Lukas-Kirche eine erste vorsichtige Bilanz

us der katholischen Kirche St. Pius X wurde vor über einem Kahr die okumenische Pius-Lukas-Kirche . (c) privat
us der katholischen Kirche St. Pius X wurde vor über einem Kahr die okumenische Pius-Lukas-Kirche .
Datum:
26. Jan. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2022 | Ann-Katrin Roscheck

Der eine mag gerne Käse, der andere lieber Wurst. Der eine speist gerne in Gesellschaft, während der andere ab und an auch gerne mal beim Essen seine Ruhe hat. Und der eine braucht ein pieksauberes Badezimmer, dem anderen aber reicht es, wenn es alle zwei Wochen geputzt wird. – Eine Wohngemeinschaft ist ein Leben mit Kompromissen. 

Gleichzeitig ist es aber auch ein Leben der Bereicherung: Probiert der eine die Wurst des anderen, merkt er vielleicht, dass sie ihm gut schmeckt. Isst er in Begleitung und gibt sich Gesprächen hin, findet er neue Inspiration und profitiert vom Austausch. Und versucht er, es mit dem Badezimmer mal nicht ganz so streng zu nehmen, dann merkt er vielleicht, dass ihm andere Dinge auf einmal viel wichtiger werden.

Ähnliche Erfahrungen haben im letzten Jahr auch die Gemeindemitglieder der evangelischen Lukasgemeinde und der katholischen Gemeinde St. Pius X. in Krefeld-Gartenstadt gesammelt. Mit fast fünf Jahren Vorlauf unterzeichneten sie im November 2019 als erste Kirche im Bistum Aachen einen gemeinschaftlichen Nutzungsvertrag für die ehemalige St.-Pius-X.-Kirche. Standen sich die Gemeinden immer schon sehr nahe, entschieden die Akteure, die evangelischen Räumlichkeiten aufzugeben und aus der ehemaligen katholischen St.-Pius-X.-Kirche die ökumenische Pius-Lukas-Kirche mit einem großen gemeinschaftlichen Gemeindezentrum werden zu lassen. Am 6. September 2020 wurde die Lukaskirche feierlich endwidmet und die Pius-Lukas-Kirche gemeinschaftlich bezogen.

Nach anderthalb Jahren ziehen die Verantwortlichen nun eine erste vorsichtige Bilanz. „Die Pandemie hat uns das Eingewöhnen natürlich schwerer gemacht als erhofft, und Beheimatung braucht Zeit“, beschreibt es Pfarrer Christoph Tebbe von evangelischer Seite. „Viele Monate lang konnten evangelische Gottesdienste nicht stattfinden, und auch gemeinschaftliche Aktionen waren nur schwer umzusetzen. Wenn wir dann aber alle zusammenkommen, spürt man eine neue Energie.“ Auch der katholische Pfarrer Christoph Zettner nimmt diese Veränderung wahr. Auf einmal seien die Bänke bei besonderen Gottesdiensten wieder voller und die Stimmen bei zum Beispiel dem Seniorenkaffee lauter.

„Seitdem Lukas bei uns eingezogen ist, spüren wir, dass da mehr Leben ist“, meint er. 
Im christlichen Zusammenleben setzen die Akteure auf Gemeinsamkeiten und auch auf Trennungen. Jede Gemeinde hat feste Gottesdienstzeiten und nutzt alle Räume in gleicher Weise. Auch die zugehörigen Gruppen wie zum Beispiel die Konfirmanden oder die Katholische Frauengemeinschaft halten sich an feste Zeiten und Räume im Gemeindezentrum.

Gemeinsame Veranstaltungen werden gut angenommen

Gemeinschaftlich wurde der erste Geburtstag der Pius-Lukas-Kirche gefeiert. (c) privat
Gemeinschaftlich wurde der erste Geburtstag der Pius-Lukas-Kirche gefeiert.

Immer wieder finden auch gemeinschaftliche Aktionen und Begegnungen statt. „Ich erzähle gerne vom Donnerstag im Gemeindehaus“, erklärt Gemeindereferentin Dorothea Blum. Von katholischer Seite aus gab es immer schon das Marktcafé, ein offenes Angebot, und eine Kleiderkammer im Oscar-Romero-Haus. Nun hat die evangelische Gemeinde eine Bücherei mitgebracht, die ebenfalls jeden Donnerstag ihre Türen öffnet. „Die Senioren genießen das total, denn sie können jetzt nicht nur Kaffee trinken und in die Kleiderkammer schauen, sondern sich auch noch ein Buch ausleihen. Das ist toll“, berichtet sie.

Auch der neue ökumenische Gottesdienst ist stark gefragt. Einmal im Monat findet er unter dem Motto „klangvoll“ statt. „Meines Wissens sind wir die einzige Kirche in der Region, die einen ökumenischen Gottesdienst so regelmäßig stattfinden lässt“, erklärt Zettner. Ist die evangelische Gemeinde schon immer sehr musikalisch gewesen, lernen nun auch die katholischen Teilnehmer, diese Besinnung mit Musik zu schätzen. „Wir alle genießen die etwas freiere Form der Liturgie“, unterstreicht Blum. „Auch die Gemeindemitglieder werden offener für verschiedene Formen.“

Groß war das Interesse auch beim ersten „Ökumenischen Forum“, das nun regelmäßig stattfinden soll. Anfang November war dafür extra Barbara Schwahn als Superintendentin des Kirchenkreises Krefeld-Viersen nach Gartenstadt gekommen. In einem Vortrag warf sie einen sehr persönlichen Blick auf die Geschichte der ökumenischen Bewegung, aber auch auf die Herausforderungen und Chancen einer gelebten Ökumene. Im anschließenden Austausch meldeten sich viele Gemeindemitglieder zu Wort.

„Frau Schwahn hat das Symbol der Wohngemeinschaft für Glauben genutzt“, erklärt Pfarrer Tebbe. „Wir haben im Gespräch gelernt, dass wir hier zukünftig noch mehr als Wohngemeinschaft agieren können.“ Denn fand bisher häufig noch ein vorsichtiges Betasten unter engen Nachbarn statt, bedeutete doch Wohngemeinschaft vor allem, miteinander zu leben. „Den ersten Schritt haben wir nun gemeistert und sind zusammengezogen“, sagt Tebbe schmunzelnd. „Mir ist durch das ökumenische Forum aber eben auch bewusst geworden, dass es eine Weiterentwicklung geben kann. Wir können eine ökumenische Beziehung führen oder ein ökumenisches Versuchslabor schaffen. Das alles liegt am Ende in unseren Händen.“

Hat die Pandemie die Akteure bereits vor die erste große Herausforderung gestellt und immer wieder für kurzfristige Ernüchterung gesorgt, bringt der frische Enthusiasmus und die neue Gemeinschaft bei den Akteuren noch immer ein Kribbeln hervor. Auch Pfarrer Zettner ist sich sicher: „Es bleibt spannend.“

Anderthalb jahre Pius-Lukas-Gemeinde Krefeld

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