Wohnen ist oft unbezahlbar

In den Städten wird viel gebaut – aber Sozialwohnungen sind rar

Die Baukonjunktur boomt in Deutschland seit Jahren. Doch werden die Weichen auf dem Wohnungsmarkt richtig gestellt? (c) www.pixabay.com
Die Baukonjunktur boomt in Deutschland seit Jahren. Doch werden die Weichen auf dem Wohnungsmarkt richtig gestellt?
Datum:
11. Dez. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 50/2018 | Garnet Manecke

Es ist paradox: In den Städten werden so viele Wohnungen gebaut und geplant, wie schon lange nicht mehr. Gleichzeitig finden viele Menschen keine Wohnung, weil sie keine hohen Mieten bezahlen können. Wie kann die Situation gelöst werden? Eine Frage, die das Bündnis für Menschenwürde und Arbeit beschäftigt.

Wolfgang Fels sieht die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt kritisch. (c) Garnet Manecke
Wolfgang Fels sieht die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt kritisch.

In diesem Jahr stand die Caritas-Jahreskampagne unter dem Motto „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“. Unter freiem Himmel wurden in verschiedenen Städten des Bistums Aachen Zimmer aufgebaut und so deutlich gemacht, dass jeder einen geschützten Platz braucht, an den er sich zurückziehen kann. Die Realität sieht anders aus: In Deutschland fehlen eine Million Wohnungen.
Auch in Mönchengladbach fand so eine Aktion statt. Aber schaut man sich in der Stadt um, reibt man sich verwundert die Augen. Hier wird fleißig gebaut und geplant: Am Bunten Garten ist eine Wohnanlage entstanden, die Roermonder Höfe gegenüber dem Arbeitslosenzentrum sehen aus wie ein eigenes Quartier in der Innenstadt, auf dem alten Gelände des Krankenhauses Maria Hilf sollen in den kommenden Jahren Wohnungen entstehen, in der City-Ost ist sogar ein ganz neuer Stadtteil geplant. Sieht so Wohnungsnot aus?
„Wenn man in Gladbach rumfährt und sich das ansieht, weiß man sofort: Das ist kein sozialer Wohnungsbau“, kritisiert Wolfgang Fels vom Bündnis für Menschenwürde und Arbeit. Im aktuellen Bündnisbrief wird die Wohnsituation in Mönchengladbach und Krefeld analysiert. Beide Städte sind mit 233541 (Krefeld) und 270553 (Mönchengladbach) Einwohnern in einer vergleichbaren Größe. Und beide haben ein Problem: Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen und Beziehern von Hartz-IV-Leistungen.


Familien mit einem normalen Einkommen können sich die Mieten oft nicht leisten

„Die Bauprojekte in Mönchengladbach sind alle im Premiumbereich“, sagt Wolfgang Fels. „Die können sich auch Familien mit einem normalen Einkommen nicht mehr leisten.“ Wenn beide Partner zum Beispiel in einem Handwerk in Vollzeit arbeiten, wäre es mit zwei Kindern schwierig, die hohen Mieten zu bezahlen. Wie schon die Caritas in ihrer Kampagne anmahnt, dass es kaum noch sozialen Wohnungsbau gebe und viele Wohnungen in den kommenden Jahren aus der Mietpreisbindung herausfallen, sieht auch das Bündnis im fehlenden sozialen Wohnungsbau eine Gefahr.
Dass das nicht nur eine gefühlte Entwicklung ist, zeigt die Studie der Hans-Böckler-Stiftung „Wohnverhältnisse in Deutschland“ von 2017, in der die Entwicklung der Wohnungssituation in allen 77 Großstädten Deutschlands untersucht wurde – darunter auch Aachen, Mönchengladbach und Krefeld. Aachen und Mönchengladbach gehören demnach zu den wachsenden Städten. In wachsenden Städten könne mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem angespannten Wohnungsmarkt ausgegangen werden, heißt es in der Studie. Ein Zeichen dafür sind steigende Mieten. In Mönchengladbach sind sie seit 2010 laut Mietspiegel um bis zu neun Prozent gestiegen.
Eine Entwicklung, die sich in vielen Städten zeigt. Ein Grund dafür ist, dass sich die Kommunen immer mehr aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen haben. Investoren bauen zwar Wohnungen, doch wollen sie Renditen erzielen. Entsprechend steigen die Mieten stetig. Das trifft vor allem Haushalte mit geringem Einkommen unterhalb der Armutsgefährdung, Familien mit nur einem Einkommen, Rentner, Alleinerziehende und Haushalte mit Migrationshintergrund. Ihre Mietbelastung überschreitet oft die Grenze des Leistbaren. Sie geben oft bis zu 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. „Man sagt, dass die Miete maximal 30 Prozent des Einkommens ausmachen soll“, sagt Wolfgang Fels. Wie könnte also eine Lösung aussehen?


Eine gute soziale Mischung in den Stadtteilen kommt einer Stadt zugute

„Ich glaube, die Städte müssten von den Investoren mehr fordern“, sagt Fels. „Man kann da selbstbewusster auftreten.“ Dazu gehöre es, dass Investoren verpflichtet würden, auch bezahlbaren Wohnraum anzubieten. „Aber ich glaube, dass das ohne die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nicht geht. Das Beispiel der Stadt Wien, wo 75 Prozent der Wohnungen staatlich reguliert sind, zeigt, dass das offenbar machbar ist.“
Langfristig würde sich das für die Städte auszahlen, glaubt Fels. „Wenn sich die Quartiere in ihrer sozialen Struktur gut durchmischen, kommt das der Stadt zugute.“ Das würde Ghetto-Bildung vorbeugen. „Wenn Arm und Reich sich immer mehr trennen, dann ist die Folge davon irgendwann, dass es wie in Amerika Gated Communities gibt. Die Reichen ziehen einen Zaun um ihr Viertel“, befürchtet Fels. „Die Roermonder Höfe kommen mir jetzt schon wie eine Wagenburg vor.“ Eine soziale Stadt dagegen, als die sich zum Beispiel Gladbach sieht und vermarktet, wirke auf viele Menschen positiv.
Auch die Kirche könnte sich hier engagieren. „Ich würde mir wünschen, dass sich die Kirche mehr einbringt“, sagt Fels. „Wir sehen, dass es eine gesellschaftliche Notwendigkeit gibt. Aber da sind bisher nur Einzelstimmen.“ Dabei wurde das Bündnis für Menschenwürde und Arbeit 2005 aus dem pastoralen Schwerpunkt „Kirche und Arbeiterschaft“ im Bistum Aachen heraus gegründet. Einer der Gründungsmitglieder war Pfarrer Edmund Erlemann, der die Maxime vertrat, die „Kleinen Leute“ vom Rand in die Mitte der Gesellschaft zu holen.
Das Bündnis schrieb sich auf die Fahnen, über die institutionellen Grenzen der Kirche hinaus gesellschaftliche Kräfte einzuladen, sich gemeinsam solidarisch gegen wachsende soziale Kälte, die Gleichgültigkeit eines menschenfeindlichen Wirtschaftssystems und für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Mit verschiedenen Aktionen macht es auf soziale Missstände und Fehlentwicklungen in der Gesellschaft aufmerksam.  

www.menschenwuerde-und-arbeit.de