Hier kommen Christen zusammen, die ihre Stimme vernehmlich heben, alternative Wege gehen möchten und dabei auch kreativ zu Werke gehen. Im Frühjahr hat die Pfarrei St. Matthias Schwalmtal ihren Pfarrer Thorsten Aymanns als seelsorgerischen Begleiter des Prozesses „Heute bei dir“ nach Aachen verabschiedet. Das war schwer, wie Gabriela Kursawa einräumt, und machte erfinderisch. Sie ist eine der Mitinitiatoren eines Fragebogens, der sich vor allem an kirchenkritische und kirchenferne Menschen wenden sollte. „Jeder kennt ganz viele Menschen, die nicht mehr zur Kirche gehen“, erklärt Gabriela Kursawa. Sie nutzten das „Schneeballsystem“: In der Gemeindeversammlung wurde der Bogen an die Teilnehmer ausgegeben, die gezielt in ihrem persönlichen Umfeld um Antworten bitten sollten. Nur Altersspanne und Geschlecht wurden abgefragt, eine Angabe des Namens war nicht gefordert.
Ein offenkundig gelungenes Experiment, denn eine Vielzahl von ausgefüllten Fragebögen konnte das Team seit Anfang Oktober auswerten. Das Ergebnis: Spitzenreiter unter den Angaben war der Wunsch nach Frauen im Priesteramt und nach der Abschaffung des Zölibats. Eine modernere Kirche und modernere Gottesdienste wurden in den verschiedenen Fragen auch oft gefordert. Passend dazu wurde geäußert, dass aktuelle Themen in den Gottesdiensten Eingang finden sollten. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft, gegen zu feste Strukturen der Kirche und nach einer weltoffeneren Kirche waren weitere Punkte. „Ein besonders trauriger Satz war: ,Ich denke an verlorene Heimat‘ – ein besonders schöner: ,Danke, dass wir gefragt wurden!‘“, berichtet Gabriela Kursawa und ergänzt: „Eine Frau schrieb: ,Der Prozess "Heute bei dir" muss auch in der Gemeinde weitergehen.‘ Das finde ich wichtig. Es sollte eben nicht das Ergebnis von Aachen aus übergestülpt werden – das muss auch von unten kommen.“ Bestätigung erfuhr das Team im jüngsten „Mit-neuen-Augen-sehen-Gottesdienst“, nach dem Besucher der KirchenZeitung klare Antworten auf die Frage gaben, welche Veränderungsprozesse erhofft würden und wie es mit der Eigenverantwortung der Christen durch die Taufe stehe, wie sie in der Messe angesprochen wurde.
Ich bin nicht umsonst in dieser Messe: Mir gefällt diese Gemeinschaft. Ich möchte, dass Kirche wieder dahin kommt. Den Priestern wünsche ich, dass sie wegkommen von den Verwaltungsprozessen, dass sie wieder mehr in die Seelsorge gehen, dass sie uns näher sind. Ich möchte mit den Priestern, mit den Seelsorgern Messe gestalten und nicht nur die Messe über mich ergehen lassen. Ich möchte aktiv mich beteiligen. Ich bin gerne Ehrenamtler. In meinen Augen sieht es aber so aus, als wenn sich die Kirche darauf ausruht. Die Wertschätzung fehlt mir. Ich bin auch eine Verfechterin dafür, dass die Frau in der Kirche nicht nur dient, sondern wahrgenommen wird.
Mehr Aufbruch wagen vielleicht… Das alte Denken verlassen und in neuen Kategorien denken, das wünsche ich mir. Wir sind durch die Taufe „König, Priester und Prophet“. Das ist eine unglaubliche Aufgabe. Wir sind berufen, mehr zu tun, als das Gros von uns tut. Das geht nicht unbedingt durch vorgegebene Prozesse, sondern vor allem durch das eigene Mittun.
Dass die Laien aktiver sein können, sehe ich als Chance. Ich war jahrelang im Pfarrgemeinderat aktiv. Wenn der Priester als „Chef“ im Gremium etwas sagt, wird es gemacht. Die Demokratie in der Kirche fehlt an vielen Stellen. Da denke ich, dass es eine Chance ist, wenn man die Laien mehr mit einbezieht.
Sowohl die liturgische Sprache als auch die Sprache untereinander, die Kommunikation, müssten verändert werden. Auch glaube ich, wäre es gut, wenn sich die Strukturen innerhalb der Kirche, die Machtverhältnisse zwischen Klerikern und Laien, veränderten. Es muss immer alles seine Ordnung haben, und dann ist es nicht „Heute bei dir“, also bei den Menschen, sondern bleibt in der Struktur verhaftet. Der Prozess „Heute bei dir“ ist für mich immer noch so etwas, das an einem anderen Ort, einer anderen Gemeinde stattfindet, wo man von außen draufschaut. Mit dem Fragebogen kann ich mich einbringen. Das hat mich sehr gefreut.
Die Auswertung des Fragebogens wird an Pfarrrer Thorsten Aymanns weitergegeben.