Wo Glauben Kunst atmet

Mit 40 Jahren ist Pax Christi auch Denk-Mal-Kirche

Kunst im Garten: Vor 30 Jahren kam Klaus Simons Werk „Überdunkelt“ an die Glockenspitz. (c) Dorothée Schenk
Kunst im Garten: Vor 30 Jahren kam Klaus Simons Werk „Überdunkelt“ an die Glockenspitz.
Datum:
19. Nov. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 47/2019 | Dorothée Schenk

Die „40“ hat im Christentum große Symbolkraft: Nach 40 Tagen öffnete Noah das Fenster der Arche, nach 40 Tagen kam Mose vom Berg Sinai mit den Geboten zurück. Für Theologen steht die Zahl für Buße und Besinnung, die Wende und Neubeginn ermöglicht. Ein Blick auf 40 Jahre Pax Christi.

Einzigartiges ist gewachsen an der Glockenspitz 265, seit dieser Seelsorgebezirk in den 1970er Jahren per Bischofsbeschluss gegründet und in die Hände von Pfarrer Karl Josef Maßen gelegt worden ist. Das gilt in mehrfacher Hinsicht: Ein einzigartiger Raum ist mit der neugebauten Kirche nach Plänen von Architekt Heinz Döhmen entstanden und gibt der Gemeinde eine Mitte. Getragen wird das Gotteshaus vor allem aber durch den besonderen Geist der Gläubigen, die sich um den Altar von Pax Christi versammeln.

Es ist im wahrsten Sinne Sonntagsgemeinde und nicht Wohnortgemeinde, weil die Spiritualität des Ortes die Menschen anzieht und anregt. Die Vision ist spürbar: Hier geht es um Miteinander, Austausch, hier gehen profanes Leben und Glaubensleben nahtlos ineinander über. Das spiegelt sich im offenen Raumkonzept, in dem Sakristei und Pfarrbüro, Sanitäranlagen und Küche gleich zum Kirchenraum mitgedacht worden sind in einer Zeit, als der „KIM-Prozess“, also das kirchliche Immobilien-Management, noch nicht einmal vorstellbar war.

„Viele Besucher kommen herein und fragen: Ist das hier evangelisch?“, erzählt Pastoralreferent Theo Pannen, der heute die Fäden in Pax Christi zusammenführt und -hält. Elemente der Ökumene seien in einer sehr guten Überlegtheit von Pfarrer Maßen initiiert und mit Leben gefüllt worden, oder, wie es Pannen 2017 nach dessen Tod formulierte: „Pfarrer Maßen ist ein Fackelträger, der bis heute leuchtet.“  Die besondere Note, die Maßen von Anfang an angestimmt hat und bis heute zu einem wahren Konzert mit etwa 30-facher „Orchester“-Besetzung geworden ist: Die Kirche „atmet“ Kunst. Sie lockt zur Auseinandersetzung mit dem eigenen „Ich“, dem Glauben und der persönlichen Haltung zu Leben und Gesellschaft.

Von vornherein war Pax Christi auch ein politischer Raum. Hier ging „Chichicastenango“ von Günther Uecker vor Anker. Dieses Boot mit Nägeln hatte der Künstler für den Berliner Katholikentag 1980 im Zuge des Wettbewerbs „Kreuz“ geschaffen. Das wandgroße grünliche Mutter/Hungertuch von Felix Droese kam etwa zur gleichen Zeit und entstand im Zusammenhang mit der Verhängung des Kriegsrechtes in Polen. Seither hängt es im Foyer der Kirche.

 

Gewohnte Räume immer wieder neu sehen

Nach 40 Jahren sind die Kunstgestaltungsräume in Pax Christi erschöpft. Wie geht man mit der Kunst im Glaubensraum um? „Da, wo sie geeignet sind, zu wandern, tun wir das gerne“, erläutert Pannen. So nahm beispielsweise die Gemeinde zu Karfreitag 2018 im Wortsinn das Ulmenkreuz von Klaus Simon in die Mitte und damit von der Wand im Foyer. Das geht nicht mit allen Werken: „Die Gebotstafeln etwa sind fest montiert – die bleiben am besten an der Wand, und Ueckers Boot könnte man bewegen, ist aber eher schwer. Aber es ist denkbar und erlaubt, wo es möglich ist, etwas in die Mitte der Aufmerksamkeit zu rufen“, sagt der Hausherr. Auf der anderen Seite hätten die Werke auch etwas ihren eigenen originären Platz, der zum Teil sogar von Künstler und Pfarrer Maßen gemeinsam ausgesucht worden ist, und auch hier ist das „Nagelboot“ wieder ein gutes Beispiel. Es bildet das bewusst gewählte Dreieck mit dem Hauptaltar und dem Altar von Klaus Steck. „Hier das Boot, das auch von dem Leid erzählt, das uns in Bewegung bringen kann, das beide Tische verbindet, oder dass unsere Aufmerksamkeit verbunden ist – die Platzierungen haben auch einen tiefen Sinn. Das ist dann auch ein Grund, sehr vorsichtig mit Bewegung zu sein.“ 

 

Großes Finale mit Dreiklang im Jubiläumsreigen

Einen gewohnten Raum neu zu sehen, kann aber auch ein Reiz sein. Das geschieht beispielsweise zu den Hochfesten, wenn besondere Bilder das Zusammenspiel der Kunstwerke ergänzen: Zu Weihnachten wird in Pax Christi keine Krippe aufgestellt, sondern es ist seit über 20 Jahren Tradition, ein Bild aufzuhängen, „das von der heiligen Nacht erzählt, von der Menschwerdung, vom kleinen Kind und seinen Perspektiven“. Es ist die Kohlezeichnung von Leiko Ikemura, die vor 30 Jahren ins Haus gekommen ist. Der Bogenschlag in die aktuelle Kunst gelingt dennoch: Am 15. Januar stellt Theo Pannen die Bezüge im Gottesdienst zur aktuellen Kunst der japanisch-schweizerischen Künstlerin her: „Ich bin kein Museumsexperte, der Leiko Ikemura für den weltlichen vollständigen Überblick präsentieren will, sondern ich will hingucken, wo sie sich an Dialogen mit religiösen Fragen beteiligt hat.“ 

Tatsächlich ist es im Jahr 40 von Pax Christi gelungen, für ein überraschendes Raumerlebnis zu sorgen, und zwar mit dem Werk „Lichtung“ von Klaus Simon, das als Korrespondenzwerk zu Simons Skulptur im Garten „Überdunkelt“ zu Gast im Haus ist: In der Mitte der Vorhalle steht normalerweise der Altartisch aus der Übergangskapelle im Haus Schönwasser und dient als Stapelmöglichkeit für die Gebetbücher und Auslage für Informationsmaterial. Dieser musste nun dem Kunstwerk weichen.

„Einige, die von Sekunde 1 an ins Haus kommen, haben sehr deutlich zurückgemeldet, wie schön sie den Raum finden, und den Vorschlag gemacht, ob wir nicht dauerhaft auf den funktionalen Tisch verzichten können, um mit der Vorhalle auch ein bisschen Atelierraum, Galerieraum, Wechselausstellungsraum zu gewinnen.“ Ein Impuls, der Theo Pannen sichtlich freut.

Zu einem Jubiläum gehört es sich natürlich auch, dass gefeiert wird: Den Auftakt machte der Neujahrsempfang der Region mit Vortrag von Thomas Sternberg, dem Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Im April wurde an seinem Todestag Pfarrer Karl Josef Maßens gedacht, am 5. Mai ein Festgottesdienst zu „40 Jahre Grundsteinlegung“ gefeiert und am 27. Oktober die Eröffnung. Jetzt geht es ins Finale, und da gibt es im übertragenen Sinne noch einmal einen Tusch, nämlich den Dreiklang von Gottesdienst – Musik – Kunst. Die Kirche im neuen Format ist am 25. November ab 20 Uhr zu Gast unter dem Thema: „Wir glauben Kunst“. Lichtgestaltung soll hier für eine neue Erfahrung sorgen. Es folgt das ausführliche Ständchen des Audienda-Chors unter der Leitung von Pavel Brochin am Sonntag,  1. Dezember, 18 Uhr. Es steht unter dem Titel „Navida Nuestra“ nach dem gleichnamigen Stück von Ariel Ramirez, das neben Jean Kleebs Missa Brasileira und Orgelwerken des Barock aus Lateinamerika zur Aufführung durch Kantor Christoph Scholz kommt. Karten hierfür sind zu 10 Euro im Gemeindebüro Pax Christi und im Pfarrbüro St. Augustinus, bei den Chormitgliedern und bei Maus & Hain, Ostwall 70–74, zu bekommen. 

Zeitgleich ist dann die Präsentation zum regionalen „Hut-Projekt“ von Anja Künzel zu sehen, die die Gemeinde allsonntäglich mit Impulsen durch den Advent begleiten wird. Von den rund 1000 gestalteten Kappen werden etwa 100 zu sehen sein. Und noch etwas Neues können die Pax-Christi-Besucher sehen: Das Schild, das die Kirche als Denkmal auszeichnet. In der Kulturausschuss-Sitzung der Stadt Krefeld, die im September in Pax Christi tagte, ist die Entscheidung getroffen worden – ein Jubiläumsgeschenk. 

Die Kunst-Kirche Pax Christi Krefeld

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