„Wir wollen Frieden“

Viele der Kinder und Jugendlichen in der Gemeinschaft Sant’Egidio haben selbst Erfahrungen mit Krieg

Die Kinder und Jugendlichen der Regenbogenschule von Sant’ Egidio setzen sich für den Frieden ein. (c) Garnet Manecke
Die Kinder und Jugendlichen der Regenbogenschule von Sant’ Egidio setzen sich für den Frieden ein.
Datum:
23. Feb. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 08/2022 | Garnet Manecke

Viele Kinder in der Regenbogenschule stammen aus Familien, die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind. Der drohende Krieg in der Ukraine weckt Ängste und Erinnerungen. Deshalb haben sich die Kinder und die „Jugend für den Frieden“ der Gemeinschaft Sant’Egidio entschlossen, offensiv den Erhalt des Friedens zu fordern.

Wenn man die Jugendlichen fragt, wie viele Nationen gerade am Tisch sitzen, schaut man in fragende Gesichter. Also muss man mal durchzählen, um festzustellen, dass gerade sieben Nationalitäten in der Runde vertreten sind. Hier in den Räumen von Sant’Egidio wird nach der Herkunft nicht gefragt. Es sei denn, jemand möchte davon erzählen. Und jetzt möchten sie erzählen, weil in Europa ein Krieg droht. Die Jugendlichen an diesem Tisch hier haben alle Erfahrungen damit. Entweder weil sie direkt mit ihren Familien vor einem Krieg geflohen sind. Oder weil sie Familie in Kriegsgebieten haben.

„Wir sollten alle gegen Krieg etwas tun“, sagt Zara. Die 15-Jährige stammt aus Armenien und ist vor zehn Jahren nach Deutschland gekommen. „In Armenien war vor zwei Jahren auch Krieg und keiner hat etwas getan. Ich weiß, was das für ein Schmerz ist.“ Denn hier in Deutschland bangte sie mit ihrer Familie um die Familienmitglieder, die in Armenien leben. „Über den Krieg wird bei uns zu Hause immer wieder gesprochen, und das wird auch noch lange ein Thema bleiben“, sagt Zara. So einfach sind Verluste und Ängste, die die Gewalt mit sich bringen, eben nicht zu verarbeiten.

Jacklin kommt aus dem Irak. Die 16-Jährige ist seit dreieinhalb Jahren in Deutschland. „Ich bin im Krieg gewesen und habe selber viel erlebt“, sagt sie. „Wir denken immer daran, dass wir unsere Eltern verloren haben, dass Eltern ihre Kinder verloren haben. Wir wollen keinen Krieg mehr. Wir wollen nur Frieden.“

Angesichts der bedrohlichen Lage an der ukrainischen Grenze hat die „Jugend für den Frieden“ der Gemeinschaft Sant’Egidio sich dazu entschlossen, ein klares Statement für den Frieden abzugeben. Auf Plakaten fordern sie „No War“ (kein Krieg) oder „Peace“ (Frieden) in ihren jeweiligen Landessprachen. Auf Fotos verbreiten sie ihre Botschaft über die sozialen Medien. Neben Mönchengladbach haben sich auch andere Gruppen in Europa an der Aktion beteiligt.

Auch die Kinder der Regenbogenschule möchten Frieden haben. Sie haben schon erfahren, dass die Welt ein besserer Ort ist, wenn man miteinander lebt statt gegeneinander. Freundschaft ist ein zentrales Thema von Sant’Egidio. Sie ist die Grundlage für Frieden. Natürlich gibt es auch unter den Kindern mal Streit. Aber der endet nicht in Faustkämpfen, sondern in der Regel in einem einigenden Kompromiss.

„In meinem Land herrschte Krieg.  Ich weiß selber, wie sich das anfühlt“

Gemeinsam malen und schreiben die Kinder ihre Botschaft auf Plakate. Sie wollen  Frieden. (c) Garnet Manecke
Gemeinsam malen und schreiben die Kinder ihre Botschaft auf Plakate. Sie wollen Frieden.

Im Krieg werden Kinder schnell zu Erwachsenen. Den Eindruck bekommt man, wenn man sich mit Shivan unterhält. Der Zehnjährige hat ein Statement geschrieben. „Liebe Politiker, bitte verhindert den Krieg. Ich weiß selber, wie sich das anfühlt. In meinem Land herrschte auch Krieg“, schreibt Shivan. Mit seinen Eltern und seinen kleinen Schwestern ist er 2017 nach Deutschland gekommen. „Ich glaube, seit Anfang 2018 sind wir in Mönchengladbach“, sagt Shivan. Noch immer hat die Familie Verwandte in dem vom Krieg zerstörten Land. Über das Internet sprechen sie mit ihren Verwandten.  Shivans Eltern reden manchmal mit ihren Kindern über die Heimat, die sie verlassen haben. „Weil Krieg war, wollten sie da nicht mehr sein“, berichtet Shivan. Heute besucht er das Gymnasium.

In der Regenbogenschule bekommen die Kinder und ihre Eltern Halt, um in dem neuen Land Fuß zu fassen. Die Kinder lernen die neue Sprache hier mit den anderen Kindern schnell. Sie bekommen Unterstützung bei den Hausaufgaben, machen Ausflüge und lernen, sich gegenseitig zu respektieren und zu unterstützen. Woher jemand kommt, ist nicht wichtig. Das wird nur thematisiert, wenn jemand seine eigene Geschichte erzählt.
Wie zerstörerisch Krieg ist, haben die meisten in ihrem jungen Leben schon erfahren müssen. Ihre Familien sind vor dem Krieg geflüchtet, sie haben Großeltern, Tanten, Onkel und Cousinen zurücklassen müssen. Wo früher Häuser standen, sich Menschen auf den Straßen und in Cafés trafen, Kinder in Schulen gingen, liegen heute ganze Straßenzüge in Trümmern. „Ich bin für den Frieden, weil ich öfter gehört habe, wie viele ältere Menschen Ziele und Träume hatten. Das wurde durch den Krieg alles zerstört“, sagt die 14-jährige Rondik. Ihre Familie stammt aus dem Irak. In den sozialen Medien werden die Statements der Jugendlichen verbreitet. „Wenn wir nicht den ersten Schritt machen, wird es keiner machen“, sagt Rondik. „Dann wird alles gleich bleiben.“ Sie will ihre Träume leben. Sie will Frieden.