Jugendliche haben kein Interesse an Politik und gehen bei TikTok Rechtsextremen auf den Leim? Der Politik mangele es vielmehr an Interesse für die Belange der Jugend, bilanziert Dominik Zabelberg vom BDKJ. Gegen Extremismus hilft politische Bildung, für die es aber zu wenig Geld gibt.
Eine zentrale und viel diskutierte Frage nach der Bundestagswahl im Februar lautete: Warum ist die AfD vor allem bei jungen Wählern so erfolgreich? Ist die Jugend nach rechts gerückt? Welche Rolle spielt das Auftreten der Rechtspopulisten bei TikTok und in den Sozialen Medien? Die Kommunalwahl in NRW am Sonntag ist der erste große Stimmungstest nach der Bundestagswahl. Aktuelle Umfragen sehen die AfD weiter auf dem Vormarsch. Was macht die Rechtspopulisten so interessant für junge Wähler? Wie punktet die AfD in Sozialen Medien – oder was machen andere Parteien falsch? Es wird Zeit, Antworten zu finden.
„Ich sehe bei all diesen Fragen ebenfalls eine gewisse Ratlosigkeit“, sagt Dominik Zabelberg, Vorsitzender des BDKJ Aachen. Auch er habe keinen „Masterplan“ in der Tasche, aber mehrere konkrete Vorschläge. Erstens: „Wir haben Demokratie zu lange als selbstverständlich empfunden. Aber wir müssen uns immer wieder neu dafür entscheiden, dass wir Demokratie wollen und jeden Tag dafür kämpfen“, sagt er. Zweitens sei die politische Bildung der Schlüssel zu einem Verständnis dafür, warum Demokratie zwar mitunter langwierig, aber erfolgreich sei. Doch gerade die politische Bildung drohe kaputtgespart zu werden. „Wer bei der politischen Bildung den Rotstift ansetzt, nimmt der Demokratie gefühlt die Grundlagen, auf der sie existiert“, warnt Zabelberg. Drittens: „Es wird immer betont, dass junge Leute so viel AfD gewählt haben. Es waren genauso viele wie in anderen Alterskohorten auch“, gibt er zu bedenken. Dies soll keine Verharmlosung sein, gehöre aber auch zur Realität hinzu. Statt sich die Frage zu stellen, ob Kinder und Jugendliche kein Interesse an Politik hätten oder gar politikverdrossen seien, sollte sich die Politik im Umkehrschluss lieber fragen, welches ernsthafte Interesse sie denn selbst an den Belangen der Kinder und Jugendlichen habe.
„Es ist schon fast scheinheilig, einen Rechtsanspruch auf OGS-Plätze oder mehr Kindergeld als Kinder- und Jugendpolitik zu verkaufen. Hier geht es um die berechtigten Interessen der Eltern“, findet Zabelberg. Übrigens biete gerade die Lokalpolitik viele Berührungspunkte zwischen den Welten der (wahlberechtigten) Erwachsenen und der Kinder und Jugendlichen, die zum Teil noch nicht wählen dürfen – und dennoch von vielen Entscheidungen betroffen sind: von der Entscheidung, wo und wie ein Spielplatz gebaut wird bis zur Sanierung von Schultoiletten und ganzen Schulen.
„Demokratie und Mitbestimmung machen auch Spaß. Das versuchen wir in unseren Strukturen und in allen Gremien zu vermitteln“, sagt Zabelberg. Global wie national sei „Fridays for Future“ ein Beispiel für eine Bewegung, die viele Kinder und Jugendliche motiviert hat, sich für eine Sache einzusetzen, sich für Politik zu interessieren. „Viele fühlten sich nach einigen Jahren Engagement nur ausgelacht oder belächelt, schlimmstenfalls wurden sie beschimpft“, sagt er. Das Engagement ließ zwar nach, aber dennoch habe „Fridays for Future“ viel in Bewegung gesetzt, sei durchaus kein Misserfolg gewesen. „Vieles in der Politik, was wir heute in die Wege leiten, wird erst in einigen Jahren greifen und erst in Zukunft Wirkung entfalten“, spricht er ein Problem an, „das für alle frustrierend sein kann“.
An diesem Punkt falle es Populisten leicht, einen Hebel anzusetzen. „Die AfD bietet keine Alternative, sie hat kein eigenes Programm. Sie weist andauernd nur auf Missstände hin, die es durchaus geben mag. Aber sie bietet keine eigenen Konzepte, keine Lösungen, keine konstruktiven Gegenvorschläge“, erklärt Dominik Zabelberg. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Partei sei nahezu unmöglich. „Wie will man politisch etwas bekämpfen, was sich politisch nicht betätigt?“, fragt der BDKJ-Vorsitzende. Vor diesem Hintergrund und der Einschätzung der Partei als „gesichert rechtextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich der BDKJ-Diözesanverband für die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens ausgesprochen. „Ich habe kein Verständnis dafür, warum wir es als Demokratie nicht zumindest versuchen sollten, eine Partei zu verbieten, die die Demokratie zerstören möchte“, sagt Dominik Zabelberg. Mit Blick auf die Medienstrategie der Rechtspopulisten setzt er vor allem auf (politische) Bildung, auf Entzauberung durch Fakten. „Lügen in die Welt hinauszuposaunen, hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun“, findet er. Ein zentrales Werkzeug, um Fake News und Populismus als solches zu erkennen, sei Medienkompetenz.
Der Umgang mit der AfD in den vergangenen Jahren, das Zögern rund ums Verbotsverfahren, die „inhaltlosen Diskussionen mit AfD-Politikern anstatt mit den Menschen das Gespräch zu suchen, die eine Stimmabgabe für die AfD in Erwägung ziehen“ – all das habe dazu geführt, dass die Partei eine Bühne bekam, auf der sie sich bürgerlich präsentieren konnte, bilanziert Zabelberg. Immer wieder platzierte rechtsextremistische Aussagen, die später als „Einzelfall“ abgetan wurden, hätten die Sprache schleichend umgedeutet, Diskurse verschoben und Schritt für Schritt die Hemmschwelle gesenkt, „mal ein Auge zuzudrücken“, analysiert er: „Das demokratische System hat sich selbst torpediert.“
Für die Strategie der AfD, einen Keil zwischen die gesellschaftlichen Gruppen zu treiben und auf Schwarz-Weiß-Denken zu setzen, seien auch junge Menschen anfällig, die womöglich mit Zukunftsängsten zu ringen hätten. Dominik Zabelberg: „Die Rechtspopulisten stellen immer alles so dar, als würde alles katastrophal laufen. Dabei gibt es ganz viele Indikatoren dafür, dass es uns gut geht. Wir können auf viele soziale Errungenschaften zurückgreifen, die für einen Großteil der Menschen weltweit nicht selbstverständlich sind. Kein System ist perfekt. Aber wenn wir nur die negativen Seiten aufzeigen, vergessen wir, dass sehr vieles gut ist.“
Mit der Kampagne „Generation Jetzt!“ wird der BDKJ selbst im Netz aktiv und möchte sich für politische Teilhabe der jüngsten Generationen einsetzen. „Und weil es sonst niemand tut, nehmen wir die Sache selbst in die Hand und werden aktiv für die Anliegen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen“, heißt es auf der Homepage: „Gerade in Zeiten, in denen die Demokratie so sehr unter Druck steht, sollten wir uns auf das fokussieren, was uns verbindet und uns gemeinsam für eine generationengerechte demokratische Gesellschaft einsetzen!“