Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Doch was geschieht in unserem Körper, wenn wir während der Fastenzeit beispielsweise auf Alkohol und Fleisch verzichten? Welche unterschiedlichen Fastenarten gibt es? Und welche Form des Verzichts sollten wir uns vielleicht lieber sparen? Darüber sprach die KirchenZeitung mit Dr. med. Jan-Georg Ochs, Chefarzt der Inneren Medizin I, und Jörg Gruner, Ärztlicher Leiter der Klinik für Gastroenterologie, aus dem St.-Augustinus-Krankenhaus Düren.
Die Praktik des Fastens wird weltweit seit Jahrhunderten praktiziert, ursprünglich aus religiösen Motiven heraus. „Fastentage sind Abstinenztage. Im Christentum verzichten wir auf diverse Dinge, beispielsweise Fleisch und Alkohol, während Moslems etwa während des Ramadan von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang überhaupt keine Nahrung zu sich nehmen“, sagt Jan-Georg Ochs. Auf der einen Seite steht der begrenzte Verzicht auf gewisse Produkte, der Ramadan sei vielmehr mit Intervallfasten vergleichbar, wobei bei dieser Form zwar auch 16 Stunden auf Nahrung verzichtet wird, aber durchaus weiter Wasser (und Tee) getrunken werden darf.
Der aus dem frühen Mittelalter stammende Verzicht der Christen auf Alkohol sowie Fleisch oder andere tierische Produkte vor der Osterzeit hat aus heutiger medizinischer Sicht durchaus positive Auswirkungen auf den Körper. „Nicht ohne Grund gibt es seit Jahrhunderten diese Sessions, Fasten galt in der Antike als Heilmittel gegen Rheuma und Epilepsie. Vor über 100 Jahren hat Otto Buchinger das Heilfasten nach seiner Methode populär gemacht“, ergänzt Jörg Gruner. Wer beispielsweise an Rheuma leidet und durch das Fasten, mit welcher Methode auch immer, konsequent purinarme Nahrung bevorzugt, wird Linderung oder zeitweise eine Verbesserung begünstigen.
Beim Heilfasten nach der Buchinger-Methode ist für mindestens fünf Tage oder länger nur der Verzehr von Gemüsebrühe und verdünnten Säften erlaubt. Oft wird im Vorfeld mit Glaubersalz oder Spüllösungen aus der Apotheke noch der Darm gereinigt. Diese Entschlackung und Entgiftung spült alles heraus, was sich an Stoffen im Darm angesammelt hat und kann durchaus sinnvoll sein“, bilanziert Jörg Gruner.
Beide Mediziner raten aber allen Menschen, die sich für Heilfasten und auch Intervallfasten interessieren, gerade bei Vorerkrankungen der Niere, der Leber oder des Herz-Kreislauf-Systems ihr Vorhaben vorab mit dem Hausarzt zu besprechen. Denn die Entschlackung des Körpers führt dazu, dass der Anteil an Giftstoffen, die herausgefiltert und abtransportiert werden müssen, ansteigt. Auch die mit einer klassischen Heilfasten-Kur verbundene Reduzierung der Energiezufuhr auf rund 500 bis 600 Kalorien pro Tag kann eine Belastung darstellen.
Egal, ob Intervallfasten oder Heilfasten, oder nur der Verzicht auf Fleisch, Alkohol, Kaffee oder Süßigkeiten: „Einer der Hauptpunkte beim Fasten ist, dass in unserem Körper gewisse Produkte nicht mehr gebildet werden beziehungsweise nicht mehr gebildet werden können“, erklärt Jörg Gruner. So fallen wie schon erwähnt mit dem Verzicht auf Fleisch die Katalysatoren für Entzündungserkrankungen aus, der Verzicht auf (Natrium-)Salze und andere Inhaltsstoffe von industriell gefertigter Nahrung ist gut für das Herz-Kreislauf-System.
Der Verzicht auf Alkohol ist nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen generell keine schlechte Idee. „Alkoholkonsum – auch in kleinen Mengen – indiziert Karzinome. Die Risiken addieren sich auf“, berichtet Jan-Georg Ochs. Je weniger „Reize“ in Form von schnell verdaubarer, zucker- und stärkehaltiger, industriell verarbeiteter Nahrung (Jörg Gruner: „Wir ernähren uns in sehr großen Mengen von ungesundem Zeug.“) von außen kommen, desto einfacher hat es der Körper auszusortieren, Erneuerungsprozesse anzustoßen und die Selbstreinigung der Zellen zu betreiben. Auch die Darmflora blüht (und atmet) auf, wenn schädliche Fette und Zucker reduziert werden.
Bei allem Verzicht sollte stets darauf geachtet werden, dass ausreichend Vitamine, Ballaststoffe und lebenswichtige Bausteine über die Nahrung aufgenommen werden. Der Verzicht auf Fette und Kohlenhydrate könne schon viel in Bewegung setzen. Der Speiseplan bei einem Intervallfasten kann beispielsweise auf einer Smoothie-Basis aus viel püriertem Obst und Gemüse bestehen, um trotz deutlicher Kalorienreduzierung eine Mangelernährung zu vermeiden. Nicht empfohlen ist Intervallfasten daher für Kinder und Heranwachsende. Die Umstellung auf eine pflanzliche Nahrung führe dazu, dass der Körper nach drei Tagen aus dem Zuckerstoffwechsel in den Fettstoffwechsel gelangt und anfängt, die Fettreserven abzubauen.
„Wer 40 Tage fastet und danach direkt wieder mit der Tiefkühlpizza einsteigt, wird schnell alle positiven Effekte wieder los“, warnt Jan-Georg Ochs davor, nach dem Fasten die gleichen Essgewohnheiten wie vor dem Fasten an den Tag zu legen. Denn viele Produkte, die im Alltag auf uns im Restaurant oder Supermarkt warten, sind aus schnell zu verarbeitenden Fetten, viel Zucker und viel Salz zusammengerührt. „Danach hat man trotz hoher Kalorienzahl sehr schnell wieder Hunger“, fügt Jörg Gruner hinzu. Idealer Begleiter für jedes (Intervall-)Fasten ist daher aus Sicht der Mediziner eine dauerhafte Nahrungsumstellung. Jan-Georg Ochs: „Wir gewöhnen uns daran, anders zu essen, gesünder zu essen. Aber genau so schnell, ungesund zu essen. Essen ist nicht nur eine reine Nahrungs- und Kalorienaufnahme. Manchmal muss dieser Prozess auch von Psychologen begleitet werden, wenn Menschen Essen beispielsweise als Belohnung verstehen, oder ein falsch empfundenes Körperempfinden zu Magersucht führt.“
Unser Verhältnis zum Essen bedarf nicht nur während der Fastenzeit eines Check-ups, finden die Mediziner. „Grundsätzlich hat die Gesellschaft das Problem, dass Übergewicht und entsprechende Folge-Erkrankungen zunehmen. Weniger Bewegung, falsches Essen, ein ungesunder Lebensstil, der von der Pandemie noch gefördert wurde – wir erleben, dass die Lebenserwartung aktuell erstmals wieder sinkt“, sagt Jörg Gruner. Körper und Geist profitieren davon, wenn beispielsweise schon beim Einkauf oder Zubereitung von Nahrung bewusst Entscheidungen getroffen werden. Um dies tun zu können, gilt es auch, versteckte Zuckerbomben (Erbsen aus der Dose) zu kennen.
„Wir sollten wieder bewusst auf mehr Qualität achten, auch bei der Art der Herstellung“, raten die Mediziner dazu, lieber auf frische, regionale und saisonale Lebensmittel zu setzen. Bei vielen industriell verarbeiteten Produkten komme hinzu, dass die Langzeitfolgen beispielsweise von Zuckerersatzstoffen noch gar nicht absehbar seien. „Wir müssen nicht nur Wasser und Brot zu uns nehmen, aber um die Lebensqualität zu erhöhen, können wir auf manche Dinge gerne das ganze Jahr verzichten“, findet Jörg Gruner. Übrigens auch auf die Nutzung digitaler Medien. „Der so entstehende psychische Stress führt dazu, dass Kinder und Jugendliche mehr in sich reinschaufeln“, sagt Jan-Georg Ochs. Aber „Digital-detox“ ist eine andere Geschichte, die Sie auch in dieser Ausgabe lesen können.