Wir bitten Betroffene, sich zu melden.

Helfen Sie, Missbrauch aufzudecken.

KiZ-Titelbild 43/2023 (c) KiZ Archiv
KiZ-Titelbild 43/2023
Datum:
25. Okt. 2023
Von:
Bistum Aachen

Das Bistum Aachen setzt die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt durch Priester und andere kirchliche Beschäftigte konsequent fort und veröffentlicht jetzt die Namen von 53 Tätern und mutmaßlichen Tätern sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige und Schutzbefohlene.  

„Wir übernehmen Verantwortung. Für die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels unserer Bistumsgeschichte. Wir übernehmen aber auch Verantwortung, dass Betroffene vor einer Retraumatisierung geschützt werden. Sie müssen jederzeit die Hoheit über ihre eigene Biografie behalten. Wir gehen nunmehr einen weiteren Schritt in der Aufarbeitung.“ (c) Bistum Aachen/ Andreas Steindl
„Wir übernehmen Verantwortung. Für die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels unserer Bistumsgeschichte. Wir übernehmen aber auch Verantwortung, dass Betroffene vor einer Retraumatisierung geschützt werden. Sie müssen jederzeit die Hoheit über ihre eigene Biografie behalten. Wir gehen nunmehr einen weiteren Schritt in der Aufarbeitung.“

„Wir möchten Betroffenen Mut machen, sich mitzuteilen“, so sagte Bischof Helmut Dieser vergangene Woche in Aachen. „Mit der Nennung der Namen gehen wir dabei weiter voran. Wir stehen auf der Seite der Betroffenen und stellen uns den Verbrechen, die von Priestern und anderen in der Kirche Beschäftigten in der Vergangenheit begangen worden sind.“ 
Die Entscheidung, nunmehr Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern zu veröffentlichen, ist ein weiterer Schritt im Zuge einer zielgerichteten und konsequenten Aufarbeitung.
Dieser Entscheidung waren sorgfältige Beratungen und Abwägungen mit Unterstützung interdisziplinärer Fachexperten, dem Ständigen Beraterstab, der Unabhängigen Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenrat vorausgegangen.
Im Ergebnis liegen klare und transparente Kriterien vor. 
Veröffentlicht werden Namen von Personen, auf die folgende Kriterien zutreffen: Entweder liegt eine einschlägige staatliche oder kirchenrechtliche Verurteilung vor (dann wird die Person als „Täter“ bezeichnet), oder es gibt mindestens einen positiv beschiedenen Antrag auf Anerkennung des Leids von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleis-tungen (UKA) auf Bundesebene (dann wird die Person als „mutmaßlicher Täter“ bezeichnet).
Der im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung erfolgte Bescheid stellt für das Bistum Aachen einen hinreichenden Tatverdacht für die Annahme dar, dass es sich um einen mutmaßlichen Täter handelt. Voraussetzung für eine namentliche Nennung ist aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes überdies, dass die Person vor mehr als zehn Jahren verstorben ist. 
Diese Kriterien treffen auf insgesamt 53 Personen zu – 52 Priester und einen Laien. Die Veröffentlichung erfolgt mit einer zeitlichen Einordnung der vorliegenden Beschuldigungen, bekannten Strafurteilen und einer tabellarischen Auflistung des beruflichen Werdegangs der jeweiligen Personen.
Diese bewusst reduzierte Darstellung der Sachverhalte dient vor allem dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und ihrem Recht auf Anonymität sowie der Wahrung der ihnen zugesicherten Vertraulichkeit. Auch eine Re-Traumatisierung von Betroffenen, insbesondere von solchen, die sich bislang nicht offenbart haben, soll durch die knappe Form der Darstellung vermieden werden. 

„Wir wollen das Dunkelfeld  erhellen und Mut und Vertrauen schaffen, dass Verbrechen benannt werden können und müssen – auch wenn die meisten Täter und mutmaßlichen Täter  verstorben sind.“ (c) Bistum Aachen/ Andreas Steindl
„Wir wollen das Dunkelfeld erhellen und Mut und Vertrauen schaffen, dass Verbrechen benannt werden können und müssen – auch wenn die meisten Täter und mutmaßlichen Täter verstorben sind.“

„Wir handeln transparent, konsequent und umfassend. Kein Täter soll unentdeckt bleiben“, unterstreicht Generalvikar Andreas Frick. „Unsere Kriterien greifen das Aufklärungs- und Informationsinteresse der Betroffenen auf und halten zugleich einer juristischen Überprüfung stand“, erklärt der Generalvikar weiter.
Kirchengemeinden, in denen Täter oder mutmaßliche Täter eingesetzt waren, besitzen nun die Möglichkeit, sich mit diesem Teil ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. „Betroffene und Gemeinden haben einen berechtigten Anspruch auf Aufklärung und Information“, sagt Andreas Frick. 
Die Kirchengemeinden, in denen die Beschuldigten zum Tatzeitpunkt eingesetzt waren, sind bereits informiert. Das Bistum Aachen unterstützt die Aufarbeitung vor Ort.
Begleitend zur Veröffentlichung erhalten betroffene Kirchengemeinden ein breites Informations- und Beratungsangebot. 

Daten und Fakten zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Aachen

Mit der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens durch die Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl im November 2020 hatte das Bistum Aachen eine wichtige Zwischenetappe erreicht, um die systemischen Ursachen für Missbrauch im Bistum offenzulegen.
Seitdem werden die sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen konsequent erarbeitet und umgesetzt. Eine Neuausrichtung der Priesterausbildung, ein konsequenter Einsatz bestehender Schutzkonzepte in allen Pfarreien und Einrichtungen sowie die weitere Professionalisierung von Intervention und Prävention sind nur einige Maßnahmen, mit denen das Bistum einer Systemik begegnet, die durch Klerikalismus und Co-Klerikalismus befördert worden war. 
Per Ende September 2023 sind dem Bistum Aachen 267 Betroffene namentlich bekannt. 140 Betroffene haben einen Antrag auf Anerkennung des Leids gestellt. 131 Anträge sind davon durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen positiv beschieden worden. Die anderen werden noch bearbeitet.
Im dritten Quartal sind vier neue Anträge gestellt worden. Rund 70 Prozent der Betroffenen sind männlich, 30 Prozent weiblich. 
Seit Gründung des Bistums Aachen im Jahr 1930 sind 126 Täter und Beschuldigte bekannt. Darunter befinden sich 115 Kleriker (Pfarrer, Kapläne, Patres, Diakone) und Ordensschwestern.
Elf Täter und Beschuldigte sind Nicht-Kleriker wie Erzieher, Hausmeister, Religionslehrer oder ehrenamtlich Tätige. 
Das Bistum Aachen hat bis Ende Juni dieses Jahres 2,355 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen gezahlt, die von der Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids beschieden wurden. Eine Höchstgrenze für Anerkennungsleistungen gibt es nicht.