Der Verein „Amos“ in Oberbruch versucht, diese Lücke zu schließen. Arbeitslosen und ehrenamtlichen Mitarbeitern hilft das Engagement sehr.
Nein, unterm Strich hat Theresa Szillat nicht mehr Geld zur Verfügung. Aber das, was sie jetzt im Portemonnaie hat, hat sie selbst verdient. Durch einen Job bei Amos in Oberbruch. „Und das ist ein ganz anderes Gefühl“, sagt die 63-Jährige. Sie merkt es an ihrer Stimmung. „Früher war ich so unzufrieden, habe viel geschimpft und gemeckert“, erinnert sie sich. „Heute bin ich viel fröhlicher und ausgeglichener.“ Die psychische Komponente, die den Unterschied zwischen den Sozialleistungen vom Amt und dem eigenen Gehaltszettel ausmacht, spielt bei vielen Diskussionen um Arbeitslosigkeit und Hilfen zur Grundsicherung und zum Leben keine Rolle. Aber dieser Unterschied kann entscheidend für die Lebensqualität sein. „Es gibt viele Menschen hier, die mithelfen“, sagt Johannes Eschweiler, Vorsitzender des Vereins Amos, der sich dem Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit in der Region Heinsberg verschrieben hat. Der Pfarrgemeinderat der katholischen Kirche St. Aloysius Oberbruch und engagierte Bürger gründeten den Verein 2006. „In der Gegend rund um Oberbruch gab es zwei große Arbeitgeber: die Zeche in Hückelhoven und die Firma Glanzstoff, die später zerschlagen wurde“, erinnert sich Eschweiler. Mit dem Ende der Unternehmen stieg die Arbeitslosigkeit und damit auch die Zahl der Familien, die in Armut leben. Das fiel vielen Einwohnern gar nicht auf.
Auch die Mitglieder der Pfarrgemeinde stellten das Ausmaß erst wirklich fest, als sie in die Hochhäuser am Rande Oberbruchs gingen. Das war vor 13 Jahren zur Zeit der Kommunionvorbereitung. „Dort wohnten viele Kommunionkinder“, berichtet Eschweiler. Was die Besucher dort vorfanden, waren viele Menschen, die arbeitslos und arm waren – aber dankbar, dass sich jemand für sie interessierte. Aber auch die Besucher staunten: in ihrer direkten Nachbarschaft lebten Menschen ohne Perspektive, aber mit Wünschen für die Zukunft ihrer Kinder. „Um hier zu helfen, wurde Amos gegründet“, sagt Eschweiler. Heute ist Amos in der Region Heinsberg an vier Standorten vertreten: Oberbruch, Hückelhoven, Heinsberg und Geilenkirchen. „Dass wir mit dem Arbeitslosenzentrum im Zentrum sind, liegt auch daran, dass wir Vorurteile abbauen wollen“, sagt Eschweiler. „Die Leute bekommen mit, wenn sich hier jemand engagiert.“ Im Gegensatz zur Stadt könne man auf dem Land Armut und Arbeitslosigkeit kaum verbergen. Hier kennt jeder jeden und weiß Bescheid. „Wenn man sieht, dass die Leute etwas tun und sich einsetzen, dann bekommt das einen ganz anderen Charakter“, ist die Erfahrung des Amos-Vorsitzenden mit Blick auf gängige Vorurteile über Arbeitslose. Aber nicht nur für das Image nach außen ist das Engagement der Arbeitslosen gut. Eine Beschäftigung in den Shops und Läden oder in einem der Begegnungszentren gibt den Frauen und Männern im Alltag eine Struktur. Sie begegnen Menschen und haben soziale Kontakte, sie erfahren Hilfe bei Bewerbungen und dem Umgang mit Ämtern und schließlich erfahren sie, dass sie als Menschen geschätzt werden. Das gibt Halt. „Wir haben unter unseren Fahrern welche, die waren am Ende mit ihrem Latein, vollkommen hoffnungslos“, berichtet Eschweiler. „Mit ihrer Aufgabe haben sie wieder Mut gefasst.“
Shaina Rölls ist gerade in Elternzeit. Die 20-Jährige musste ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin wegen ihrer Schwangerschaft abbrechen. Jetzt hilft sie ehrenamtlich bei Amos. Auf diese Weise hat sie so etwas wie einen Arbeitsalltag. Ohne Ausbildung und mit Kind ist es schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Arbeitszeiten passen nicht mit den Betreuungszeiten in der Kita zusammen. Auch die Betreuung des Kindes, wenn es krank ist, ist schwierig. Bei Amos haben die Kollegen Verständnis. Aber die Hoffnung, ihre Ausbildung noch zu Ende bringen zu können, hat Shaina Rölls nicht aufgegeben. In Erkelenz sei eine Ausbildung in Teilzeit möglich, hat sie erfahren. Wenn auch die Angebote in Maßnahmen für Langzeitarbeitslose gedacht sind, ist das nicht die einzige Gruppe, die von dem Engagement im Verein profitiert. 40 bis 50 Frauen und Männer bringen sich ehrenamtlich in den verschiedenen Projekten wie den Lebensmittelladen, dem Begegnungscafé, dem Frühstücksangebot oder den drei Second-Hand-Läden ein.
Josefa Gibisch hilft seit 13 Jahren aus. Sie sortiert die Lebensmittel für die Tafel, kocht Kaffee für das Frühstück und die offene Kaffeetafel am Nachmittag. „Ich wurde quasi von der Straße engagiert“, erinnert sich die 86-Jährige lachend. Jeden Tag ging sie am Arbeitslosenzentrum vorbei. Schließich hat Johannes Eschweiler sie angesprochen, ob sie sich nicht einbringen wolle. „Ich bin alleine und hier habe ich etwas zu tun“, sagt die Seniorin. Hans-Hubert von der Stück arbeitet auf einem der Wagen. Zusammen mit anderen Ehrenamtlichen fährt er die Lebensmittelläden ab und sammelt übrig gebliebene, aber noch verzehrbare Lebensmittel ein. Nach jeder Tour muss der Transporter gründlich geputzt werden. Mit einem Schrubber und Laugenwasser wischt der 70-Jährige die Ladefläche sauber. Anschließend werden die Türen mit einem Lappen bearbeitet. Alles muss hygienisch sein. Das Gesundheitsamt hat ein strenges Auge darauf. „Mir ist zuhause die Decke auf den Kopf gefallen“, erzählt er zu seiner Motivation, warum er regelmäßig zu Amos kommt. „Meine Frau arbeitet noch und meine Schwester hat hier auch gearbeitet.“
Amos ist für viele eine zweite Heimat geworden. Weil sich hier alle auf Augenhöhe begegnen. Man hilft sich gegenseitig. Wenn jemand fragt, was man mache oder woher man komme, dann aus Interesse. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt Josefa Gibisch. Das bedeutet auch, dass denen geholfen wird, die sich selbst nicht mehr helfen können oder sich für ihre Situation genieren. Es werden auch Lebensmittel an Privatpersonen ausgeliefert, die nicht zur Tafel kommen können. So wie Leid und Kummer geteilt werden, so wird auch die Freude geteilt. „Ich hatte letztens jemand, der kam zu mir und erzählte, dass er jetzt das letzte Mal da ist“, erzählt Theresa Szillat. „Er habe eine Arbeitsstelle gefunden. Er war richtig glücklich. Und ich habe mich da mitgefreut.“ Im Großen und Ganzen seien die Menschen dankbar, stellt auch Josefa Gibisch fest. Dieser Zusammenhalt gibt den Menschen Zuversicht. Vor der Zukunft habe sie keine Angst, sagt Shaina Rölls. „Was kommt, das kommt.“ Aber mit einer Solidargemeinschaft wie „Amos“ im Rücken könne man mit schwierigen Situationen besser fertig werden. „Für uns ist es auch ein politischer Auftrag, dafür einzutreten, dass sich in Kirche und Gesellschaft die Strukturen so ändern, dass niemand in Armut leben muss“, sagt Johannes Eschweiler zu den Zielen von Amos. Zwar gingen auch hier die Arbeitslosenzahlen generell zurück. „Aber der Anteil der Langzeitarbeitslosen bleibt gleich. Für die ist es nach wie vor schwer, auf den Arbeitsmarkt zu finden.“
Solidaritätskollekte Am diesem Wochenende, 4./5. Mai, findet im Bistum Aachen wieder die Solidaritätskollekte für die Arbeitslosenarbeit statt. Einnahmen Die Spenden aus den Kollekten in den Gottesdiensten werden aufgeteilt unter den Vereinen und Initiativen im Bistum Aachen, die Arbeitslose, insbesondere Langzeit-arbeitslose beraten, qualifizieren und unterstützen. So werden sie bei der Finanzierung ihrer Arbeit unterstützt. Infos und Material zur Soli-Kollekte sind im Internet unter der Adresse www.solidaritätskollekte.de abrufbar.