Wie weit wird aufgearbeitet?

Das Bistum Aachen bekennt sich, sexuellen Missbrauch vertuscht zu haben, und berät über Konsequenzen

Generalvikar Andreas Frick haderte mit den tiefen menschlichen und geistlichen Abgründen, die sich durch die Missbrauchstaten von Priestern aufgetan haben. (c) Thomas Hohenschue
Generalvikar Andreas Frick haderte mit den tiefen menschlichen und geistlichen Abgründen, die sich durch die Missbrauchstaten von Priestern aufgetan haben.
Datum:
2. Okt. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 40/2018 | Thomas Hohenschue
Auch im Bistum Aachen haben Geistliche minderjährige Jungen und Mädchen sexuell missbraucht. Im Rahmen einer Pressekonferenz legte Generalvikar Andreas Frick einige Fakten zu diesem düsteren Kapitel der Bistumsgeschichte offen.

 Ein wichtiger Schritt der Aufarbeitung – mit bleibenden Unklarheiten, Fragen, Befürchtungen. Es kann nicht der letzte Akt in dieser Tragödie gewesen sein. Eines vorweg: Die Anstrengungen der Diözese, die Risiken für sexuellen Missbrauch im Raum der Kirche zu senken, sind glaubwürdig. Seit 2011 engagiert sich das Bistum erheblich mit flächendeckenden Präventionsschulungen. Bis 2017 gingen 30 000 Mitarbeiter durch diese Fortbildungen, darunter auch Geistliche. Wer mit Kindern und Jugendlichen oder erwachsenen Schutzbefohlenen arbeitet, muss alle fünf Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Das gilt auch für Ehrenamtliche. Es soll so abgesichert werden, dass keine verurteilten Sexualstraftäter im Bistum Aachen beschäftigt werden. Damit nicht genug: Kirchliche Träger hatten Präventionsfachkräfte zu benennen. Diese arbeiten nun an institutionellen Schutzkonzepten, um die Prävention von sexuellem Missbrauch in den eigenen Einrichtungen voranzutreiben.

Alles sehr schlüssige Maßnahmen, um die schreckliche Traumatisierung Heranwachsender durch Übergriffe von Vertrauenspersonen wie Geistliche, Pädagogen oder Gruppenleiter zu verhindern. Allein: Die Gesellschaft erwartet von der Kirche eine ebenso entschlossene Aufarbeitung des geschehenen Unrechts. Mit diesem Punkt tun sich die deutschen Bistümer weiter schwer, obwohl der öffentliche Druck immens ist. Auch das Bistum Aachen hat seine Personalakten nicht ungefiltert dem Forscherkonsortium übergeben. Vielmehr hatte Missbrauchsbeauftragter Herbert Déjosez 886 Personalakten im Zeitraum von 1934 bis 2016 ausgewertet. Er zog darüber hinaus 64 Anträge auf Anerkennung des Leids heran – was gut war, denn nur bei der Hälfte angezeigter Missbrauchsverdachte erfolgte ein Eintrag in die Personalakte. Eine systematische Vertuschung, bekannte der Generalvikar und entschuldigte sich für dieses institutionelle Versagen. Er sagte für die Zukunft „null Toleranz“ zu. Eine entsprechende Zusammenarbeit mit den zuständigen Staatsanwaltschaften sei bereits fest etabliert.

Die offen gelegten Zahlen aus der Zeit von 1934 bis 2016 sind erschreckend, aber nur vorläufig: 55 Männer, fast ausschließlich Priester, sind des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Betroffen waren 86 Kinder und Jugendliche, zwei Drittel unter 14 Jahren. Generalvikar Andreas Frick schloss nicht aus, dass es noch unaufgedeckte Fälle gibt. Über Konsequenzen aus all dem wollte er mit Bischof Helmut Dieser nach dessen Rückkehr von der Bischofskonferenz in Fulda beraten. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, wie weit der Weg der Aufarbeitung das Bistum Aachen noch führt.