Wie glaubwürdig sind wir?

An die Verfolgten der Nazi-Diktatur zu erinnern, reicht allein nicht aus ­– es muss auch gehandelt werden

Sechs Millionen Frauen, Männer und Kinder wurden ermordet, weil sie Juden waren. (c) Eelco Bohtlingk/unsplash.com
Sechs Millionen Frauen, Männer und Kinder wurden ermordet, weil sie Juden waren.
Datum:
23. Jan. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 04/2024|Garnet Manecke

Am 27. Januar wird an die Befreiung des KZ Auschwitz erinnert. Auch der 9. November ist ein Gedenktag an die Opfer der Pogrome 1938. Warum es wichtig ist, stetig an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte zu erinnern. Aber das Erinnern allein nicht reicht.

Garnet Manecke
Garnet Manecke

Die Pogrome vom 9. November 1938 waren nicht der Anfang. Sie waren die Folge einer Entwicklung, die mit der Ausgrenzung und Entrechtung von Menschen begann und in die industriell organisierte Ermordung von sechs Millionen Juden und vielen weiteren Opfern des Nazi-Regimes mündete. Warum die Erinnerung daran wach gehalten werden muss, haben die Veröffentlichungen des Recherche-Netzwerks Correctiv offenbart.

Die menschenverachtende Ideologie des Nazi-Regimes ist nicht weg, sondern sie wird offener denn je gelebt. Als vom Verfassungsschutz rechtsextrem eingestufte Parteien sitzen wieder in den Landesparlamenten und im Bundestag. Ihre Sprache wird salonfähig. „Nie wieder“ hieß es in den vielen Gedenkreden der letzten fast 80 Jahre seit Kriegsende.

„Nie wieder“ heißt es auch in diesem Jahr. Aber wir müssen aktiv für dieses „Nie wieder“ etwas tun. Das Christentum hat seinen Ursprung im Judentum. Jesus war Jude. Er lehrte uns, dass die Nächstenliebe der Kern unseres Glaubens ist. Er sagte nicht, den oder jenen will ich nicht dabei haben. Jesus lehrte uns, Menschen anzunehmen, wie sie sind.

Diejenigen, die andere ausgrenzten oder schlecht behandelten, wies er in die Schranken. Er stellte sich schützend vor die Verfolgten. Wir müssen uns fragen, inwieweit wir den Boden für rechtsxetreme Strömungen bereiten, wenn wir Menschen ausgrenzen, indem wir ihnen zum Beispiel den Segen verweigern. Wie glaubwürdig sind wir als Christen, deren zentrale Botschaft die Nächstenliebe ist, wenn wir zulassen, dass Menschen wegen ihres Lebensentwurfs oder ihres Glaubens diskriminiert werden? Dass Geschichte nicht nur graue Vergangenheit ist, zeigt die Tatsache, dass es wieder Kreise gibt, die die Deportation von Menschen planen. Darum müssen wir an die Opfer erinnern und uns in der Gegenwart dem Faschismus entschieden entgegenstellen – als Christen, als Kirche und als Gesellschaft.