Wie geht es weiter für uns?

Eine schwere körperliche Erkrankung stellt auch die Partnerschaft auf die Probe

Wenn der Partner plötzlich krank wird. (c) www.pixabay.com
Wenn der Partner plötzlich krank wird.
Datum:
18. Sep. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2018 | Andrea Thomas
Die Diagnose einer schweren, vielleicht sogar lebensbedrohenden, körperlichen Krankheit, egal ob akut oder chronisch, stellt das Leben auf den Kopf. Nichts ist mehr so wie es war. Was als sicher galt, steht plötzlich in Frage. Das wird dann oft auch zum Prüfstein für eine Partnerschaft.
Die Erkrankung eines Menschen betrifft nie nur ihn allein, sondern besonders auch den Partner oder die Partnerin. (c) www.pixabay.com
Die Erkrankung eines Menschen betrifft nie nur ihn allein, sondern besonders auch den Partner oder die Partnerin.

Das kennen auch Sabine Lange und Martina Wirtz vom katholischen Beratungszentrum für Ehe-, Familien-, Lebens- und Glaubensfragen des Bistums in Aachen. „Das bedeutet eine große Veränderung für Paare“, sagt Sabine Lange, die neben der Ehe- und Familienberatung auch als Krankenhausseelsorgerin am Aachener Uniklinikum tätig ist. Sei das eine Krebserkrankung, ein Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine chronische Erkrankung wie Parkinson oder Multiple Sklerose. Plötzlich ist da noch jemand Drittes mit im Bund und mit ihm viele Fragen, Gefühle und Unsicherheiten – für den oder die Erkrankte, aber auch für den Partner oder die Partnerin. Die Karten innerhalb einer Beziehung werden neu gemischt, Rollenbilder verschieben sich.

Zum Beispiel, wenn er, der bis dahin aktiv im Berufsleben stand, plötzlich durch einen Herzinfarkt ausgebremst wird. Wenn aus dem Starken in der Beziehung plötzlich der Schwächere wird, der auf Hilfe angewiesen ist. Wenn die Diagnose Brustkrebserkrankung sie mit OP und Chemotherapie nicht nur körperlich stark belastet, sondern in ihren Augen oder denen ihres Partners auch ihre Weiblichkeit in Frage stellt. Wenn Dinge, wie die Pläne für einen aktiven Ruhestand mit Reisen und Unternehmungen, sich so nicht mehr verwirklichen lassen werden. „Etwas so Existentielles schafft einen neuen Blick auf die Partnerschaft“, sagt Martina Wirtz, die in die Beratung auch Erfahrungen als Psychoonkologin einbringt. Nicht immer kommen die Belastungen und Konflikte in der akuten Krankheitssituation an die Oberfläche. „Oft stellt sich im Laufe eines Beratungsgespräches mit einem Paar heraus, dass es da vor einiger Zeit eine Erkrankung gab, die Spuren hinterlassen hat, die noch nicht überwunden, noch nicht geheilt sind“, berichtet Martina Wirtz. „Wenn die Diagnose kommt, dann sind da erst einmal andere Dinge, auf die man sich konzentriert. Erst wenn man zur Ruhe kommt, bricht da etwas auf. Was die Psyche nicht verarbeiten kann, verdrängt sie“, schildert Sabine Lange.

Angst ist dabei eines der stärksten Gefühle: Davor, dass es nicht gut ausgeht, der geliebte Mensch sterben könnte, die Krankheit ihn verändert. Angst vor der eigenen Sterblichkeit, davor, inwieweit die Krankheit das Leben zukünftig prägen und einschränken wird. Davor, dass die Beziehung dem allen nicht gewachsen ist. „Das sind existentielle Ängste, da geht es um Leib, Leben und Seele“, erklären die beiden Beraterinnen. Dazu zählt auch, ob der erkrankte Partner weiter seinem Beruf nachgehen kann. Womit ja nicht nur finanzielle Sorgen verbunden seien, sondern auch die Frage, was das mit dem Menschen macht, plötzlich nicht mehr so leistungsfähig zu sein, wie zuvor, etwas zu verlieren, das ihn auch ein Stück weit ausgemacht hat.

 

Gefühl, dem anderen seine Sorgen und Ängste nicht zumuten zu dürfen

Ein weiteres starkes Gefühl ist Wut, auf die Krankheit, auf den eigenen Körper, der einen im Stich lässt. Etwas, womit die meisten dann nicht wüssten, wohin. „Die Wut richtet sich daher oft gegen den Partner, obwohl man weiß, dass er nichts dafür kann“, sagt Sabine Lange. Weil die Krankheit keine Person ist, Wut aber oft ein Gegenüber braucht. Außerdem spielen Trauer und Schuldgefühle eine große Rolle: „Wir sind doch immer so gerne zum Sport gegangen. – Du hast dich doch so darauf gefreut, reisen zu können, wenn die Kinder aus dem Haus sind und nun geht das wegen mir nicht.“ Aber auch das Gefühl, „wie kann ich mich denn noch über etwas freuen, wenn es dir schlecht geht“. Dies führt oft zu einer großen Sprachlosigkeit. Beide Seiten haben das Gefühl, über bestimmte Dinge nicht reden zu können.

„Es gibt Menschen, die viel mit sich selbst ausmachen. Sie empfinden die Krankheit als Schwäche und wollen gerade dann besonders stark sein, um den anderen nicht zu belasten“, sagt Sabine Lange. Gerade die nicht erkrankten Partner hätten oft das Gefühl, ihre Sorgen und Ängste dem anderen nicht zumuten zu können. Sie fühlten sich auf der anderen Seite aber auch damit nicht wahrgenommen und unverstanden: „Warum siehst du, hörst du, spürst du meine Ängste denn nicht?“ Vieles bleibe auch unausgesprochen, aus der irrigen Annahme, der andere müsse doch wissen, was in einem vorgehe. Dabei haben sich für beide gerade die Parameter verschoben, ist nichts mehr wie es war, muss jeder für sich erst mit der neuen Situation und der eigenen Gefühlswelt und Überforderung klar kommen.

Es fehlen oft einfach die Worte um ausdrücken, was in einem vorgeht. Häufig entwickelt sich eine Polarisierung, einer ist der „Angstträger“, der andere der „Hoffnungsträger“. Dadurch versuche das Paar ein Gleichgewicht herzustellen und dränge einander so weiter in die jeweilige Rolle, was dazu führe, dass beide sich vom anderen nicht verstanden fühlten. Dabei ließe sich auch über die Angst eine Balance schaffen. Darin, seine Gefühle zuzulassen und darüber mit dem anderen zu reden, liege auch eine Chance, eine neue Rolle zu finden und daran zu wachsen: „Ich darf Kontrolle abgeben, dem anderen auch etwas zumuten, muss nicht nur für ihn stark sein.“ Aus ihren vielfältigen Erfahrungen mit dem Thema haben die beiden Beraterinnen ein Angebot entwickelt, das sich speziell an Paare in einer solchen Situation richtet. Es bietet jeweils vier Paaren an einem Sonntag sowie einem Abend ein paar Wochen später, einen geschützten Rahmen zum Austausch miteinander.

Gemeinsam werden die inneren und äußeren Veränderungen in der Partnerschaft in den Blick genommen, werden Wege gesucht, die Herausforderungen der veränderten Lebenssituation zu meistern, Lösungsstrategien für aufkommende Krisen und Konflikte entwickelt und versucht, eine wertschätzende Art der Kommunikation miteinander zu finden. „Wir versuchen Gefühle offen und ehrlich anzusprechen, zu schauen, was steckt dahinter und wie lassen sie sich ausdrücken, ohne dass sie den anderen verletzen“, beschreibt Sabine Lange. „Die Erkenntnis ist der erste wichtige Punkt. Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden, hilft“, ergänzt Martina Wirtz. Sie versuchen außerdem den Blick weg von der Krankheit auf die gesunden Anteile zu lenken. Die Krankheit mache ja nicht den Menschen und seine Persönlichkeit aus. Das müssten die Paare wieder spüren lernen. Dazu gibt es Handwerkszeug zur besseren Kommunikation miteinander, um die Dinge in Worte zu fassen, die im Raum stehen und die Sprachlosigkeit zu überwinden.

 

Info

Das nächste Seminar „Alles bleibt anders“ findet am 11. November in den Räumen des Beratungszentrums in Aachen statt. Die Teilnahme ist für die Paare kostenfrei. Die Anmeldung läuft über die Bischöfliche Akademie des Bistums, die Kooperationspartner des Angebotes ist. Per E-Mail: gisela.koechig@bistum-aachen.de oder telefonisch: 02 41/4 79 96 22. Infos zum Seminar: www.beratungszentrum-aachen.de, E-Mail: beratungszentrum-aachen@bistum-aachen.de oder Tel.: 02 41/2 00 85.