Wie geht das, Zukunft sein?

Misereor-Fastenaktion 2019 konfrontiert das eigene Leben mit dem Leben in der „Einen Welt“

Auch als zweidimensionale Kopie beeindruckt das plastische Werk des Flensburger Künstlers Uwe Appold und lässt Raum für Gedanken und Interpretationen. (c) Stephan Johnen
Auch als zweidimensionale Kopie beeindruckt das plastische Werk des Flensburger Künstlers Uwe Appold und lässt Raum für Gedanken und Interpretationen.
Datum:
7. März 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 10/2019 | Stephan Johnen
El Salvador ist ein junges Land. Ein Viertel der Bevölkerung ist unter 14 Jahre alt. Doch gerade die jungen Menschen wollen das Land verlassen, 76 Prozent der unter 24-Jährigen würden ihrer Heimat gerne den Rücken kehren.
Sarah Dittrich (c) Stephan Johnen
Sarah Dittrich

 „Sie sehen dort keine Zukunft mehr“, erklärte Mirjam Günther vom Bischöflichen Hilfswerk Misereor bei der Vorstellung der Fastenaktion 2019 in der Dürener Marienkirche. Die Fastenaktion ist mit der Aufforderung „Mach was draus: Sei Zukunft!“ überschrieben. Im Mittelpunkt steht die Situation von Jugendlichen in El Salvador, die mit lokalen Partnern auf der Suche nach einer Perspektive für die eigene Zukunft in dem dicht bevölkerten zentralamerikanischen Land sind. Armut, Gewalt und Kriminalität schränken das öffentliche Leben oft ein, 26,6 Prozent der 15- bis 24-Jährigen sind arbeitslos, Jugendbanden erpressen Schutzgeld, rauben und morden. Die von Misereor unterstützten lokalen Partner, die Caritas San Salvador und die Organisation Fundsal, wollen junge Menschen darin bekräftigen, die eigenen Stärken zu entdecken und sie in der Gemeinschaft zu nutzen, um zu Hoffnungsträgern einer besseren Zukunft zu werden. Damit sie Zukunft selbst gestalten. Mirjam Günther stellte den rund 50 Zuhörern die Projekte vor, die mit dem Erlös der Fastenaktion unterstützt werden.

 

Häuser bauen und Dörfer verändern

„Mein Lebensplan“ der Caritas ermöglicht den Jugendlichen, eine Alternative zu einem Leben in der Jugendbande im eigenen Land aufzubauen. Oftmals geht es für die Teilnehmer zurück in die Schule, wo sie auf dem Weg zu einem Abschluss viel Unterstützung erfahren und oftmals zum ersten Mal ihre eigenen Potenziale entdecken. 75 Prozent der Teilnehmer haben im Anschluss eine Ausbildungsstelle gefunden oder sich erfolgreich selbstständig gemacht. „Fundsal“ ist ein Jugendprojekt, das aus einer Baugruppe entstanden ist. Junge Erwachsene unterstützen sich gegenseitig darin, Häuser zu bauen und Dörfer so zu verändern, dass alle Bewohner mehr Möglichkeiten haben. Hunderte Häuser und Gemeinschaften sind so bereits entstanden. Zweiter Teil des als Workshops angelegten Abends war die Vorstellung des vom Flensburger Künstler Uwe Appold geschaffenen Fastentuchs, wenn auch leider nur als zweidimensionale Kopie. Das beeindruckende plastische, ja bildhauerische Werk ließ viel Platz für eigene Gedanken und Interpretationen. Eine lautete wie folgt: Im Mittelpunkt einer von der Zerstörung bedrohten Welt steht ein gemeinsames Haus. Es ist eine Aufforderung an alle, daran weiter zu bauen – Zukunft zu sein.

 

Zukunft sein, wie geht das?

Sarah Dittrich, Jugendbeauftragte der Regionen Düren und Eifel: Zukunft sein – das ist so einfach gesagt. Auch bei uns gibt es Jugendliche, die nicht genau wissen, wie ihre Zukunft aussieht, wie sie sich Zukunft vorstellen. Dabei haben wir hier so viele Möglichkeiten mehr als die Gleichaltrigen in El Salvador. Dort machen sich viele auf den Weg, verlassen das Land, weil sie keine Zukunft sehen. Andere packen mit an, um Zukunft zu gestalten. Egal wo, wir sollten niemanden allein und unbegleitet auf den Weg in die Zukunft schicken.

Susanne Reuvekamp, Vorsitzende des Arbeitskreises Eine Welt St. Peter Birkesdorf: Wir müssen an uns selbst anfangen und etwas ändern. Nicht darauf warten, dass andere irgendwann anfangen. Dazu gehört der Umgang miteinander und der Umgang mit unseren endlichen Ressourcen. Wir Menschen sollten respektvoller mit der Schöpfung umgehen. Das beginnt beim Einkauf, indem ich nur das kaufe, was gerade in der Region wächst – und keine Erdbeeren im Winter. Diesen Respekt und diese Achtsamkeit müssen wir unseren Kindern täglich aufs Neue vorleben.

Mirjam Günther, Bischöfliches Hilfswerk Misereor: Zukunft sein bedeutet, die Fähigkeit zu nutzen, ein gutes Leben zu führen und mit dem zufrieden zu sein, was wir haben. Dazu gehört, nicht nur sich selbst, sondern auch andere im Blick zu haben. Das geschieht in El Salvador: Indem viele Jugendliche wieder Gemeinschaft erfahren, sehen sie eine Perspektive. Eine Zukunft, die sie selber mitgestalten können, in die jeder seine Fähigkeiten einbringen kann.

Bernd Ollig, Religionslehrer im Ruhestand: In meinem Alter bedeutet „Zukunft sein“, dass wir nachkommenden Generatio- nen eine Zukunft hinterlassen, dass wir Jugendliche auf ihrem Weg in die Zu-kunft begleiten, sie unterstützen. Ich bin manchmal erschrocken darüber, dass wir das in der Schule offenbar oft nicht mehr schaffen wie noch vor einigen Jahren. In El Salvador wird der Besuch einer Schule als Chance auf eine bessere Zukunft begriffen.

Pfarrer Hans-Otto von Danwitz, Pfarrei St. Lukas Düren: Zukunft sein heißt: Heute so leben, dass die Welt eine Zukunft hat. Wie gehen wir Menschen eigentlich derzeit mit der Schöpfung um? Was bedeutet uns Frieden in der Welt? Auch bei uns leben Menschen in Angst, sozial abgekoppelt zu werden. Ist das Zukunft?

Monika Mörsdorf, Pfarrei St. Lukas Düren: Tut sich etwas? Oder tu ich etwas? Oder schau ich nur zu? Wir haben in der Hand, Zukunft zu sein. Die Menschen in El Salvador haben es wahrlich nicht besser als wir. Aber dort herrscht offenbar eine positivere Grundstimmung. Während wir oft auf hohem Niveau klagen, wird dort gemeinsam angepackt, der Kopf wird nicht in den Sand gesteckt. Ich wünsche mir, dass wir auch wieder mehr tun als darauf zu warten, dass sich etwas tut.

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Zukunft sein, wie geht das?

So. 19. Mai 2019
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