Wie es um die Vielfalt bestellt ist

Es scheint, als ob eine bunte Gesellschaft, in der sich jeder nach seinen Talenten und Fähigkeiten entwickeln kann, nicht mehr das Ziel ist. Konservative Werte gewinnen wieder an Bedeutung, Unternehmen sparen bei Diversitätsprogrammen. Was die Entwicklung bedeutet.

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Datum:
13. Feb. 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2025 | Garnet Manecke

Kaum wieder im Präsidenten-Amt unterzeichnete Donald Trump ein Dekret, das die Uhren ein Stück zurückdrehte. Er hatte die staatlichen Behörden angewiesen, Diversitätskriterien bei der Vergabe von Geldern und bei der Auswahl neuer Mitarbeiter nicht mehr zu berücksichtigen. Das hat auch Auswirkungen auf die Unternehmen in den Staaten, die ebenfalls in Europa spürbar sind.

Wer in den sozialen Medien heftige Reaktionen mit kleinstmöglichem Aufwand erzeugen will, der muss nur das Wort „gendern“ in seinen Post einfließen lassen. Sofort melden sich die radikalen Gegner ebenso wie leidenschaftliche Befürworter, und es entbrennt in kürzester Zeit ein Streit, bei dem man im Minutentakt dabei zusehen kann, wie er eskaliert. Obwohl die Debatte seit Jahren geführt wird und in den Moderationen vieler Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Sender schon lange gegendert wird, der Versuch, eine vielfältige Gesellschaft sprachlich zu vereinen, scheint so schwer, dass es bisher keinen allgemeinen Konsens darüber gibt.

Da ist es kaum verwunderlich, dass es auch sonst in der gesellschaftlichen Debatte schwierig ist, einen allgmeinen Nenner zu finden, auf den sich alle einigen können. Wenn es schon Streit darüber gibt, ob und wie man Frauen in der Sprache abbildet: Ist dann die Diskussion über das Geschlecht als biologische Gegebenheit oder Frage der Identität nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt? In den USA hat Donald Trump die Diskussion mit einem Dekret für beendet erklärt. Damit hat er die staatlichen Behörden angewiesen, in der Kommunikation nur noch die Bezeichnungen „männlich“ und „weiblich“ zu verwenden. Staatliche Behörden sollen bei der Zuteilung von Geldern und bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter keine Kriterien zur Diversität mehr berücksichtigen.

Das hat Auswirkungen auf die Unternehmen in den USA: Viele fahren ihre Bemühungen um Diversität zurück. Amazon, Alphabet (Google), Meta (Facebook) oder Walmart haben ihre Diversitätsprogramme gestoppt. Auch Aldi Süd hat als erstes deutsches Unternehmen in den USA die Informationen zu Gleichstellung, Inklusion und Diversität von der Karriereseite seiner amerikanischen Website genommen.

Aber der Trend beschränkt sich nicht nur auf die Vereinigten Staaten. Auch in Europa ist ein zunehmender Konservatismus zu spüren. Das Erstarken von rechten Parteien beschleunigt diese Entwicklung. „Damit einher geht eine in Gesellschaft und Wirtschaft zunehmend wahrnehmbare Distanzierung vom Thema Vielfalt, welche sich in der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage in Deutschland noch weiter verstärken könnte“, sagte die Unternehmerin Vicky Wagner jüngst in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Wagner hat 2020 die Initiative „Beyond Gender Agenda“ gegründet, die mit Kampagnen, Veranstaltungen und Studien das Thema Diversity auf die Agenden der Unternehmen brachte. Ende März ist damit nun Schluss. Die Initiative beendet ihre Arbeit.
Die Anti-Woke-Haltung, die in den USA schon länger spürbar sei und von Anti-Woke-Influencern noch befeuert werde, führe dazu, dass Unternehmen sich von dem Thema distanzierten, sagt Wagner. Sie stellten ihr Engagement ein oder kürzten Diversitätsbudgets. Dabei sei Vielfalt ein erfolgskritischer Wirtschaftsfaktor, der nicht unterschätzt werden dürfe.

Vielfalt kann Innovationen fördern, sie birgt aber auch Konfliktpotenzial 

Allerdings ist Diversität kein Selbstläufer, sondern erfordert kontinuierliche Arbeit der Unternehmen. Wo Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Hintergründen, religiösen Überzeugungen und Weltanschauungen, körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie sexuellen Orientierungen zusammenkommen, können neue Ideen und damit Innovationen entstehen. Solche heterogenen Gruppen haben aber auch viel Potenzial für Konflikte, die die Zusammenarbeit und damit den Erfolg hemmen können.

Ein Blick über die Grenze zu den Nachbarn zeigt, wie groß die kulturellen Unterschiede schon innerhalb Europas sind: In niederländischen Unternehmen sind die Hirarchien wesentlich flacher als es deutsche Arbeitnehmer gewohnt sind. Oft werden Entscheidungen im Team getroffen, Mitarbeiter nach ihrer Meinung gefragt. In der Schweiz wird die Direktheit der Deutschen oft als rüde empfunden. Die Kommunikation miteinander ist von einer großen Höflichkeit geprägt. Auch sprechen Schweizer in der Regel etwas langsamer als Deutsche, was letztere oft dazu verführt, die Sätze ihres Gegenübers zu beenden.

Die Beispiele zeigen, dass schon bei vermeintlich „gleichen“ Kulturen Fallstricke lauern. Erfolgreiche Diversität kostet Unternehmen Zeit und Geld. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das eine notwenige Investition. Bei international arbeitenden Unternehmen ist sie auch ein notwendiger Erfolgsfaktor.