Schon längst ist die Trauerseelsorge nicht mehr nur Aufgabe von Priestern und hauptamtlichem pastoralen Personal. Im Beerdigungsdienst und der Trauerbegleitung engagieren sich viele Ehrenamtliche.
Sie leiten Beerdigungen und begleiten die Hinterbliebenen oft auch danach noch eine Zeit lang. Regina Gutt und Burga Gripekoven berichten, warum sie das machen.
Wie sich Trauer anfühlt, weiß Burga Gripekoven nur zu gut. Sie weiß noch genau, wie es war, als ihr Mann vor über 20 Jahren plötzlich starb. Vorher habe es Zeichen gegeben, sagt sie. Zum Beispiel, dass der Bach-Liebhaber am Vorabend seines Todes Bach-Kantaten gehört habe, die er zuvor noch nie gehört habe. Auch an einen Traum konnte sie sich nach seinem Tod erinnern oder an ihre Gedanken an drei schwere Situationen in ihrem Leben, durch die sie im Rückblick gut gekommen ist.
„Ich wollte eigentlich einkaufen gehen“, erinnert sie sich an den Tag. „Als ich aus dem Fenster schaute, lag mein Mann da.“ Nach der Beerdigung hat sie die Musik nochmal gehört, die ihr Mann vor seinem Tod gehört hat. „Ich habe bitterlich geweint, aber mich auch dabei an die Zeichen erinnert“, sagt Gripekoven.
„Damals habe ich gedacht: ‚Du hast Hilfe bekommen und bist darauf vorbereitet worden.‘ Mit dem Erkennen habe ich mich beschenkt gefühlt.“
Da habe sie etwas mit machen müssen. Burga Gripekoven sprach mit dem leitenden Pfarrer ihrer Mönchengladbacher Gemeinde. Der erste Schritt auf ihrem Weg als ehrenamtliche Beerdigungsleiterin. 26 Jahre ist das jetzt her. Inzwischen hat sie unzählige Hinterbliebene begleitet, wenn sie einen Verstorbenen zu Grabe trugen.
Ihr Fazit: Trauer ist etwas höchst Individuelles.
Entsprechend sind auch die Beerdigungen unterschiedlich und die Begleitung in der ersten Zeit der Trauer. „Wenn mir ein tieftrauernder Mensch sagt, das war schön, dann weiß ich, da hat was gut getan“, sagt Gripekoven über Reaktionen der Hinterbliebenen.
Schnell hat sie gemerkt, dass sie am besten tröstliche Worte findet, wenn sie in ihrer eigenen Sprache redet und nicht die offiziellen Formulierungen nutzt. „Die Menschen sollen Trost empfinden. Der Mensch, den wir verabschieden, soll zur Sprache kommen und die Möglichkeit des Lebens nach dem Tod“, sagt Gripekoven.
Wie die Beerdigung gestaltet wird, legt die Beerdigungsleiterin mit den Angehörigen im Trauergespräch fest. Dabei geht es zum einen darum, wie sich Angehörige die Beerdigung vorstellen, aber auch darum, was die Verstorbenen sich gewünscht hätten. Oft hört Gripekoven von den Angehörigen, dass sie so gut wir gar nicht mehr in die Kirche gingen. Viele Trauergesellschaften sind mit den Riten eines Beerdigungsgottesdienstes nicht mehr vertraut. „Viele Trauerfeiern finden in der Trauerhalle statt“, ist Gripekovens Erfahrung.
Oft werde ein Teil der Musik für die Beisetzungen von den Angehörigen mitgebracht. „Ich lasse mir dann die Texte zuschicken und bin oft sehr erstaunt, dass viele Texte christliche Bezüge haben“, sagt Gripekoven. „Es gibt außerhalb der Kirche viel Christliches.“
Auch Regina Gutt kümmert sich um Menschen, die trauern. Sie hat sich 2022 zur Begräbnisleiterin und danach zur Wortgottesfeierleiterin qualifizieren lassen. Nun hat die pensionierte Religionslehrerin auch die Qualifikation zur Trauerbegleiterin begonnen, die sie im März 2024 abschließen wird.
„Trauer ist in unserer Gesellschaft leider ein Tabuthema geworden“, sagt die 66-Jährige. „Aber nach der Beerdigung geht die Trauer weiter. Dann geht die eigentliche Trauerarbeit erst los.“
Hinterbliebene müssten Zeit haben, zu trauern und die Verstorbenen würdig zu verabschieden. Ob das im Rahmen einer Erdbestattung oder einer Urnenbeisetzung geschieht, macht dabei keinen Unterschied, ist Gutts Erfahrung.
Bisher hat sie drei Beerdigungen allein geleitet. Wichtig aber sei für die Angehörigen, dass ein Bild der Verstorbenen hingestellt wird und ein Lied, das mit den Toten in Verbindung steht, gespielt werde.
Ein großer Faktor ist die Trauerrede, in der an die Toten erinnert wird. Die kann durchaus die eine oder andere Anekdote beinhalten, wenn sie im Trauergespräch benannt wird. „Es ist wichtig, dann bestimmte Fragen zu stellen und aus der Situation heraus so weit wie möglich an den Verstorbenen heranzukommen“, sagt Gutt.
„Für die Angehörigen ist es ein würdiger Abschied, wenn der verstorbene Vater, die Mutter oder Ehepartner in der Trauerfeier nochmals zur Sprache kommt.“
Wer mit Trauernden zu tun hat, sollte eine gefestigte Persönlichkeit sein. Die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz sei wichtig, sagen Burga Gripekoven und Regina Gutt unabhängig voneinander.
„Man muss gut zuhören und Geduld haben“, sagt Gutt. „Und die Menschen so nehmen, wie sie sind.“ Ob Besserverdiener oder Sozialhilfeempfänger: „Egal, auf welcher gesellschaftlichen Ebene man trauert, alle spüren den gleichen Schmerz“, sagt Gripekoven.
„Alle brauchen Trost und müssen sich neu zurechtfinden.“ Nach dem Tod eines geliebten Menschen müssen die Hinterbliebenen einen Teil ihres Lebens neu sortieren.
Macht es für Trauernde einen Unterschied, ob eine lange Krankheit, das Alter, ein Suizid oder ein Unfall zum Tod geführt hat?
„Es ist ein Unterschied im Begreifen“, sagt Gripekoven. Bei plötzlichem Tod komme oft die Frage „Warum ich?“ auf. Wer gar keine Möglichkeit hatte, sich auf das Ende vorzubereiten, dem falle das Begreifen oft schwerer. Das muss nicht immer durch einen plötzlichen Tod kommen.
„Im Hospiz habe ich mal einen sehr tragischen Fall erlebt, bei dem der Sterbende bei den Angehörigen vor eine Mauer gelaufen ist“, berichtet Gripekoven. „Weil sie es nicht aushalten konnten, dass das Ende kommt. Die haben noch Zukunftspläne gemacht. Er hat keine Möglichkeit zur Verabschiedung gehabt.“
Auch wenn es schwer fällt: Vermittelnd eingreifen dürfe man als Begleiterin dann nicht, sagt Gripekoven. „Man weiß ja nicht, was das für eine Beziehung gewesen ist.“
Aber es gibt auch die Beispiele, bei denen sich Familien und Freunde verabschieden können, und das auch tun. Auch das hat Gripekoven in den vielen Jahren ihres Engagements schon erlebt. „Es gibt Angehörige, die machen das sehr schön, auch mit Kindern und Enkeln“, berichtet sie.
„Die strahlen eine große Ruhe aus. Für mich ist das etwas Heiliges: Bei aller Trauer auch ein ‚Ja‘ sagen zu können.“ In solchen Momenten fühle sie sich beschenkt, daran teilhaben und das erleben zu dürfen.
„Ich lerne Menschen und Lebenswege kennen, die ich nie kennengelernt hätte“, sagt Gripekoven zu ihrer Motivation, immer wieder Menschen in schweren Krisen zu begegnen.
„Es ist eine Bereicherung zu sehen, wie Menschen mit solchen Situationen umgehen können.“ Angehörigen den schweren Schritt des Abschieds zu erleichtern, gebe einem auch selbst viel zurück, sagt Regina Gutt. „Wenn sie sagen, dass war eine ‚schöne‘ Feier, dann habe ich es richtig gemacht.“
Hilfe für Trauernde. In den Gemeinden wird vielfältige Begleitung von Einzelgesprächen bis Gruppentreffen angeboten. Viele Gemeinden haben auch regelmäßige offene Trauer-Cafés oder -Spaziergänge. Ehrenamt. Auch in der Trauerseelsorge können sich Interessierte ehrenamtlich engagieren. Infos bei Beatrix Hillermann, Diözesanbeauftragte für Trauerseelsorge im Bistum Aachen. Kontakt per Telefon unter 02161/2489212 oder E-Mail: beatrix.hillermann@bistum-aachen.de