Wie die Branche überhaupt entstand und welche Entwicklung sie in den vergangenen Jahrzehnten genommen hat, berichtete Sr. Liliane Juchli rund 100 Auszubildenden im Kreis Heinsberg.
Seit Beginn der Menschheit wurden alte und kranke Menschen gepflegt. Im Familienverbund aber war das im Sinne der Aufgabenverteilung traditionell eine Aufgabe der Frauen. „Bis weit ins 19. Jahrhundert blieb Pflege eine Tätigkeit der Frau“, berichtete Sr. Liliane Juchli. Das galt auch für die Pflege bedürftiger Menschen durch „Schwestern“. Den Grundstein zur Professionalisierung und damit zu einem ganz neuen Beruf legte Florence Nightingale. Die britische Krankenschwester reformierte mit ihren Ideen und ihrer Erfahrung das britische Sanitätswesen. Im Jahr 1860 eröffnete sie die erste Krankenpflegeschule mit 15 Auszubildenden. Nightingales Ideen und Erfahrungen führten dazu, dass sich die Pflege in ganz Europa professionalisierte. Wie die britische Krankenschwester hat auch die Schweizer Ordensschwester der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz in der Pflege Geschichte geschrieben. „Der Juchli“, das Standardwerk für die Ausbildung, ist jeder Pflegekraft ein Begriff. Sr. Liliane selbst machte in den 1950er Jahren ihre Ausbildung. Damals wurde auf die Theorie weniger Wert gelegt. Die Praxis stand im Fokus der Wissensvermittlung. Die Auszubildenden mussten ein Pflegetagebuch führen, Sr. Liliane nutzte es, um ihr Wissen darin festzuhalten. Die Basis für das spätere Standardwerk, das in den 1970er Jahren erschien, war bereitet.
War in den 1950er Jahren der Pflegealltag noch stark abhängig von der Persönlichkeit der Abteilungsleiterin, wurde sie in den 1960er Jahren stärker zur Assistenz der Ärzte. In den 1970er und 1980er Jahren bekam die Professionalisierung der Pflege nochmals einen großen Schub. „Die Frage nach Pflegeinhalten bekam Gewichtung“, berichtete Juchli. War das Ansehen von Pflegeschwestern in Nightingales Jugend noch sehr schlecht, weil nur Frauen, die keine Anstellung fanden, in öffentlichen Heimen pflegten, ist die Pflege heute ein angesehener und selbstständiger Berufszweig, an den ständig neue Herausforderungen gestellt werden.
„Die Pflegewissenschaft ist ein eigenständiges Forschungsgebiet geworden“, betonte Sr. Liliane. Eine neue Generation Pflegefachfrauen und -männer sei herangewachsen. Mit Blick auf die Zukunft plädierte Juchli: „Wir brauchen eine starke Pflege.“ Dazu gehörten annehmbare Rahmenbedingungen ebenso wie ein pflegegerechter Personalschlüssel.
Dabei dürfe der Mensch nicht aus dem Auge verloren werden, denn der gehöre zum Kerngeschäft. Als Verfechterin der ganzheitlichen Pflege bezieht Sr. Liliane das nicht nur auf die zu Pflegenden, sondern insbesondere auch auf die Pflegekräfte. „Ich pflege als die, die ich bin“, fasste Juchli das in ihrem Vortrag kurz zusammen. Die Auszubildenden forderte sie auf: „Stellen Sie sich den Herausforderungen, die auf Sie zukommen. Pflege braucht Zukunft. Sie sind die Zukunft.“
Der Verbund „Starke Partner – Pflegenetz“ im Kreis Heinsberg hatte Sr. Liliane Juchli an den Niederrhein eingeladen. In dem Verbund haben sich sechs katholisch-karitative Einrichtungen der stationären Altenhilfe und der ambulanten Pflege in der Region zusammengeschlossen. Der Verbund besteht seit 2006.