Alkohol, Fleisch, Süßigkeiten und Tabak sind die Klassiker beim Verzicht während der Fastenzeit. Aber es muss dabei nicht immer um Genussmittel gehen. In einer Welt, in der es ein großes „zu viel“ gibt, zeigen sich viele Gelegenheiten, Konsum zu reduzieren und seine eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen. Das hilft im eigenen Leben und kann auch für Umwelt und Klima positive Effekte haben.
Mit einer einfachen Aufforderung lösten die Autoren Werner Tiki Küstenmacher und Lothar Seiwert eine Welle aus, die bis heute anhält: „Simplify your life“ regten sie schon im Titel ihres 2001 erschienenen Buches an – „Vereinfache Dein Leben!“. Ausgangspunkt ihres Buches war ein festgestelltes „zu viel“ im Leben: zu viele Termine, zu viel Stress, zu viel Zeugs in den Wohnungen und Büros, zu viele Punkte auf den To-do-Listen. Wer die verschiedenen Bereiche in seinem Leben verschlankt und sich auf Wesentliches konzentriert, bereitet den Weg zu einem einfacheren und glücklicheren Leben.
Mit den Jahren hat das Autoren-Duo bei seinem Ansatz vielfach Gesellschaft bekommen: 2011 machte Marie Kondo mit ihrem ersten Buch zum Thema „Aufräumen“ in Japan Furore. Die deutschsprachige Ausgabe erschien 2013. Seitdem wird in deutschen Wohnungen ausgemistet und aufgeräumt. Mit weniger auskommen ist ein Ziel, das viele haben, aber offenbar nur wenige erreichen. Dabei ist der Konsum nicht nur eine private Angelegenheit: CO²-Emissionen durch Produktionen und Transport belasten die Umwelt, die Müllberge nehmen immer größere Dimensionen an. „Weniger ist mehr“ ist daher auch während der Fastenzeit bei vielen Themen jenseits der Ernährung das vorherrschende Credo.
Dingefasten Hand aufs Herz: Wie oft kommt es vor, dass man eine Schublade aufmacht und sich über all die Dinge, die dort ein verborgenes Dasein fristen, wundert? Die Tischdecke, die ewig keinen Tisch mehr geziert hat, oder das Besteck, das vor 25 Jahren zu den Hochzeitsgeschenken gehörte, und Bücher, die vergebens darauf warten, gelesen zu werden. Laut Statistischem Bundesamt besitzt ein Haushalt in Deutschland rund 10000 Gegenstände. Der eine hat mehr, der andere weniger.
Zu letzteren gehört Constanze Wolff. Nachdem sie 2010 mehrere Wochen in einer Reha-Klinik nur mit dem Inhalt ihres Koffers auskam, war ihr bei ihrer Rückkehr die 70 Quadratmeter große Wohnung zu groß und zu voll. Aber der Wendepunkt kam mit einem Buch: „Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“ von Karen Kingston. „Damit habe ich erst mal verstanden, wie viel Energie in den Sachen steckt – auch negative“, sagt Wolff.
Dabei geht es nicht nur um die Dinge, die aus der Vergangenheit mitgeschleppt werden, nicht repariert werden oder einfach nicht mehr passen. „Es geht auch um Dinge einer fiktiven Zukunft, an denen wir festhalten“, sagt Wolff. Die Kleidung, in die man irgendwann mal wieder reinpassen möchte, oder die Sportgeräte, die ungenutzt in der Ecke stehen. 80 Prozent der Gegenstände in einem Haushalt betreffen das vergangene oder das zukünftige Ich und belasten das Gegenwart-Ich.
Wolff schritt zur Tat. „Seitdem ist das Loslassen immer wieder Thema in meinem Leben“, sagt sie. In Münster engagierte sie sich dafür, dass die erste Givebox aufgestellt wurde. Seit etwa acht Jahren fastet sie jedes Jahr Dinge und hat dafür vor drei Jahren eine temporäre Gruppe auf Facebook gegründet. Jedes Jahr ab Aschermittwoch treffen sich dort Frauen und Männer, um gemeinsam loszulassen. Jeden Tag darf ein Teil gehen. Dabei geht es nicht nur um Gegenstände. Die Teilnehmenden lösen sich auch von alten E-Mails, digitalen Newsletter-Abos oder Fotos. Alles, was belasten kann und nicht mehr gebraucht wird.
„Das Loslassen ist mittlerweile so sehr in mir verwurzelt, dass ich schon beim Kauf eines neuen Kleidungsstücks entscheide, welches alte dafür gehen darf“, sagt Wolff. Trotzdem finden sie und ihre Mitstreiter noch reichlich Gegenstände, von denen sie sich guten Gewissens trennen. Die Dinge wandern nicht automatisch in den Müll. Im Sinne der Nachhaltigkeit gibt es drei Kategorien, wie sie Überflüssiges loswerden: Gut erhaltene Gegen- stände werden entweder verkauft oder gespendet. Was nicht mehr zu gebrauchen ist, wird im Müll entsorgt. Wenig zu besitzen, mache vieles sehr leicht, sagt Wolff. „Man muss sich um jedes Teil, das man besitzt, kümmern.“ Je weniger das sei, umso größer die persönliche Freiheit. Heute lebt und arbeitet sie auf 40 Quadratmetern.
Klimafasten Nachhaltigkeit ist auch ein Thema beim Klimafasten. Allerdings geht es hier darum, sich bewusst zu machen, welche Folgen bestimmte Verhaltensweisen für das Klima haben. Auf übermäßigen Konsum zu verzichten, ist dabei nur ein Aspekt. Der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen ruft zusammen mit 23 katholischen und evangelischen Partnern in Deutschland dazu auf. In diesem Jahr steht die Aktion unter dem Thema „Gemeinsam aufbrechen in die Zukunft – Klimaschutz in der Gemeinschaft.“ Bis Ostersonntag geht es darum, behutsam mit der Schöpfung umzugehen und dafür einen verantwortungsvollen Lebensstil zu etablieren.
Jede Fastenwoche widmet sich dabei einem anderen Aspekt. In Woche 4 geht es um die eigene Stärke und wie sie die Gemeinschaft stärkt. Woche 5 handelt von einem solidarischen, praktischen und klimagerechten Miteinander vor Ort. Es geht darum, zu entdecken, welche Angebote mit Blick auf fairen Handel oder Teilen es bereits gibt. Aber es geht auch um Impulse, selbst tätig zu werden und solche Angebote zu schaffen.
Woche 6 behandelt die Werte und deren Wandel in der Gesellschaft: Welche Werte habe ich als Individuum, welche Werte prägen das gesellschaftliche Miteinander und wie kann gegebenenfalls ein Wertewandel herbeigeführt werden? In Woche 7 steht schließlich die Bewahrung der Schöpfung für Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt. Wie sieht sich der Mensch in Bezug zur Natur und als Teil von ihr?
Die Beschreibungen zu den Themen sind auf der Homepage der Aktion abrufbar. Hier kann man auch den Newsletter abonnieren oder die Broschüre der Aktion „So viel du brauchst“ herunterladen. Mehr Infos: www.klimafasten.de
Autofasten Ab und zu auf das Auto zu verzichten und stattdessen mit dem Fahrrad zu fahren oder auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, ist auch dem Klima dienlich. Gerade für kurze Strecken eignet sich das Fahrrad derzeit gut. Denn das Frühjahr ist der Auftakt für die Fahrradsaison. So wird jeder Weg unter der Woche zu einem Nebenbei-Training für die große Tour am Wochenende. Dass damit auch das Herz-Kreislauf-System in Schwung gebracht wird, was wiederum das Immunsystem stärkt, ist ein angenehmer Nebeneffekt.
Digital Detox Hand aufs Herz: Wie viel Zeit nimmt das Smartphone täglich in Anspruch? So nützlich der kleine Computer in der Tasche ist, so lästig kann er sein. Denn wenn man jederzeit die Nachrichten dieser Welt abrufen kann, können die umgekehrt auch jederzeit stören. Ein kleines „Pling“ und schon ist die Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm gezogen. Für das Gehirn ist das purer Stress. Es braucht Ruhephasen, um Eindrücke verarbeiten zu können. Zudem braucht auch die Psyche hin und wieder eine Verschnaufpause. Denn wer bei jeder Katastrophe auf der Welt quasi in Echtzeit dabei ist, ist im permanenten Alarm-Modus.
Wer jetzt noch mehreren Medien gleichzeitig seine Aufmerksamkeit schenkt, also während eines Telefonats einen Film schaut oder auf Social-Media-Plattformen surft, kann beides nicht richtig wahrnehmen. Auf Dauer hat das Folgen: Die Konzentration lässt nach und die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt sich. Der Mensch wird unruhiger. Umso wichtiger, die nützlichen Geräte einmal auszuschalten.
Ganz auschalten ist für viele Menschen schon aus beruflichen Gründen nicht möglich. Aber zwischen „Alles“ oder „Nichts“ gibt es noch ein paar Abstufungen. Wer weniger Zeit digital verbringen möchte, kann zum Beispiel einen festen Zeitpunkt wählen, an dem Schluss ist. Wie wäre es, ab 20 Uhr das Handy wegzulegen?
Mehr Ruhe ins Leben bringt auch das Abschalten von Push-Nachrichten. Wenn es nicht mehr immer blinkt und plingt, ist die Ablenkung deutlich reduziert. Auch anruffreie Zeiten fördern die Ruhe. Einfach das Telefon auf stumm schalten und weglegen oder den Flugmodus einschalten.
Sprechfasten, Lügenfasten und Jammerfasten Sprechen ist ein wesentlicher Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Aber wie ist es, wenn man mal auf das Sprechen verzichtet? Was bleibt dann ungesagt? Wann redet man nur um des Redens willen? Mit wem kann man angenehm schweigen? Wer sich eine Auszeit vom Sprechen gönnt, lernt sich auf ganz neue Weise kennen.
Das gilt auch beim Lügenfasten. Wer jetzt denkt, das sei eine leichte Übung, sei gewarnt: Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass jeder Mensch wenigstens zwei Mal am Tag lügt. Damit sind nicht nur die großen Lügen gemeint, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Auch kleinere Notlügen, die man aus Höflichkeit macht, sind in der Zahl inkludiert.
Eine andere Variante ist das Jammerfasten. Kleine oder größere Missgeschicke zu beklagen, gehört zum Alltag. Aber manchmal ufert es aus, ohne dass man es merkt. Beim Jammerfasten wird einem jeden Tag mehr bewusst, wie hoch der eigene Jammer-Faktor eigentlich ist, und wie dankbar man eigentlich sein kann.
Der Verzicht in der Fastenzeit hört sich oft wie Selbstoptimierung an. Die wiederum kann ein Stressfaktor sein. Dabei soll das Fasten doch gerade nicht stressen. Ein paar Tipps, wie das gelingt:
- Freundlich zu sich selbst sein. Das ist mitunter schwer, wenn der innere Kritiker wieder heftig wird. Dann kurz einhalten, tief durchatmen und neu anfangen.
- Sich loben. Verzicht ist gar nicht so einfach, wenn man ihn sich vornimmt. Deshalb darf man sich ruhig loben, wenn man einen Tag geschafft hat, sein Ziel zu erreichen.
- Beobachten, wie man sich mit dem Verzicht fühlt. Fällt er schwer, ist das entweder ein Zeichen für Abhängigkeit oder für eine Vorliebe. Im ersten Fall kann das der Auftakt für ein freies Leben sein. Im zweiten kann das später zu intensiverem Genuss führen.