Das Turiner Grabtuch ist Thema einer Ausstellung in St. Anna Windberg-Waldhausen. Sie geht der Frage nach: „Wer ist der Mann auf dem Tuch?“ Seit 30 nach Christus wird das Tuch als Grabtuch Jesu verehrt. Seit 1898 ist das Tuch immer wieder wissenschaftlich untersucht worden. Es gibt viele Belege für die These, aber keine hundertprozentige Sicherheit. Der Mann, dessen Leichnam in diesem Tuch gelegen hat, musste vor seinem Tod unvorstellbare Qualen erleiden: Spuren auf dem Tuch zeigen Rückenverletzungen, die auf eine Geißelung hindeuten.
Eine nach römischem Gesetz: 120 Schläge haben Wissenschaftler gezählt. Die Blutspuren haben sich in das Gewebe des Tuchs gezeichnet. Die Wunden waren tief, weil die Römer für ihre Geißeln kleine Kugeln aus Blei verwendeten, um möglichst große Wunden zu erzeugen. „Eine jüdische Geißelung hat maximal 39 Schläge. Nach dem Gesetz waren es 40, aber man wollte unter der Gottesstrafe bleiben“, sagt Richard Cremer. Er hat zusammen mit Pfarrer Rüdiger Hagens die Wanderausstellung der Malteser nach Windberg geholt. Unabhängig voneinander haben sie die Exponate 2019 in Wassenberg gesehen und wollten die Ausstellung auch in Mönchengladbach zeigen.
Im November wird Cremer zum ständigen Diakon berufen. Jetzt macht er die erste öffentliche Führung durch die Ausstellung. Gleich zu Beginn stellt er klar, dass er von dem Mann in dem Tuch nicht als Jesus oder Christus sprechen wird. Ob es sich bei dem Leichnam tatsächlich um Jesus handelte, sei zwar mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 2 Millionen so, aber es sei eben nicht hundertprozentig sicher. Viele Spuren belegen die Geschichte, wie sie in der Bibel erzählt wird. Dazu gibt es einige wissenschaftliche Belege. Der Rest aber sei eine individuelle Glaubenssache.
Das macht die Ausstellung auch für jene interessant, die sich abseits von Glauben und Kirche sehen. Denn in der Ausstellung werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die vor allem in den 1970er und 1980er Jahren gewonnen wurden, genau dargestellt. Zum Beispiel die Untersuchung von Pollen, Staub und Blutpartikeln. Bereits 1978 haben Wissenschaftler an Knie, Nase und Ferse Reste von Straßenschmutz gefunden, dessen Zusammensetzung der in der Erde Jerusalems entspricht.
Auch das Gewebe des Tuchs und die Machart deuten auf eine Herstellung in der Antike hin. In der Ausstellung wird eine Nachbildung des Originals gezeigt. Das Muster und die Webart des Fischgrätmusters könnten durchaus aus den Manufakturen des Vorderen Orients des 1. Jahrhunderts stammen, wie die Schautafel angibt. Neben den Exponaten, darunter die Nachbildungen römischer Nägel und einer Dornenkrone, sowie den Schautafeln bietet die Ausstellung auch Audio-Informationen, die über QR-Codes abgerufen werden können. Die Ausstellung lohnt durchaus einen zweiten Besuch, denn alles auf einmal zu erfassen, ist aufgrund der Fülle an Informationen schwierig.
Unabhängig davon, ob der Mann in dem Tuch nun wirklich Jesus war oder nicht, macht die Ausstellung vor allem das Leiden Jesu Christi (be-)greifbar. Die Dornenkrone, die eine Haube ist und den Kopf umfasste. Die Nägel, mit denen Verurteilte ans Kreuz geschlagen wurden. Die Akribie, mit denen die Henker vorgingen, um das Leiden der Gekreuzigten zu verlängern und ihre Qualen zu erhöhen. Sogar Seile sehen aus wie Folterwerkzeuge.
Wer die Ausstellung besucht und vielleicht eine Führung mitmacht, wird einen neuen Blick auf die Geschichte werfen. Am Ende wurden die Spuren auf dem Tuch per 3-D-Verfahren zu einem Corpus geformt. Der ist hinter dem Foto der Grabhöhle aufgebahrt.
Geöffnet ist die Ausstellung bis Sonntag, 17. September, täglich von 10 bis 18 Uhr. Führungen werden montags bis freitags um 18 Uhr, samstags und sonntags um 15 und 17 Uhr angeboten (außer am Wochenende 9./10. August).
Auch Gruppenführungen sind auf Anfrage möglich. Telefonische Reservierungen können unter der Rufnummer 02161/4987345 oder per E-Mail: tgt-ausstellung@mg-west.de vorgenommen werden. Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm. Informationen sind unter gdg-mg-west.de abrufbar.