Für viele Familien (und Paare) ist die derzeitige Situation eine große Belastung. Gezwungenermaßen verbringen sie mehr Zeit auf engem Raum miteinander, persönliche Rückzugsräume fehlen. Dazu kommen berufliche Belastungen, Sorgen um die Gesundheit und Angehörige, zu denen der Kontakt derzeit eingeschränkt ist. Der Druck steigt und damit auch die Gefahr von häuslicher Gewalt.
In normalen Zeiten gibt es in der Städteregion Aachen ein breites Netz an Anlaufstellen und Beratungsangeboten, die in solchen Situationen greifen und helfen können, einer Eskalation vorzubeugen. Wegen Corona sind jedoch derzeit Beratungsgespräche von Angesicht zu Angesicht schwierig. Um ihre Klienten, die bereits bei ihnen in der Beratung sind, nicht alleine zu lassen und ansprechbar zu sein, wenn jemandem die Situation über den Kopf zu wachsen droht, weichen die Beratungsangebote aktuell auf Telefon und Internet aus.
Das sei nicht ganz optimal, da in den Gesprächen auch die non-verbale Kommunikation ein wichtiger Faktor sei, erklärt Andrea Crombach. Sie leitet das Angebot „Gewaltlos stark“ des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM) Aachen, eines der Angebote für Männer oder Paare, die sich im Arbeitskreis „Gewaltlos Aachen“ zusammengeschlossen haben. In Einzelfällen bietet sie daher auch weiter (unter Einhaltung der Hygienevorgaben) direkte Gespräche an, außerdem Telefon- und Video-Beratung. Das Angebot „Neue Wege gehen – häusliche Gewalt gemeinsam beenden“ in Trägerschaft vom Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) Aachen und dem Katholischen Beratungszentrum Aachen geht ähnliche Wege. Beratungsgespräche werden überbrückend per Telefon oder Video angeboten. Auch auf diese Weise könnten hilfreiche Gespräche stattfinden, schildern Elsbeth Ostlender und Michael Kempen ihre ersten Erfahrungen.
Sobald die Ausgangsbeschränkungen wieder aufgehoben werden, sollen die Beratungen wie gewohnt im persönlichen Kontakt stattfinden. Noch arbeiteten sie mit der ein oder anderen Unbekannten: „Was passiert bei Gewalt in infizierten Familien? Wohin mit Männern, die der Wohnung verwiesen werden?“, skizziert Andrea Crombach. Das verunsichere auch betroffene Männer, die oft nur eine vage Idee hätten, was dann passiere. Wichtig ist ihr – auch sonst eine der Grundlagen ihrer Beratung – Auswege aufzuzeigen, was Männer tun können, die merken, dass ihr innerer Druck steigt. Hilfreich könnte da zum Beispiel ein „Überlebensratgeber“ sein, den das Bundesforum Männer für die Coronazeit zusammengestellt hat. Die Empfehlungen reichen von „Dinge tun, die einem guttun“, dem Entwickeln einer Tagestruktur über Gespräch suchen bis hin zu Notfallplänen, die auch auf engem Raum möglich sind.