Im Alter von zehn Jahren kam Ina Menzer mit ihrer Familie nach Deutschland. Ohne die Sprache zu können, musste sie sich als kleines Mädchen hier ein Leben aufbauen. Wer sich für Boxsport interessiert, kennt heute ihren Namen. Als 17-fache Weltmeisterin beendete sie ihre Karriere. Wie sie ihren Weg gegangen ist, hat sie Auszubildenden der Caritas berichtet.
Elf Jahre nach ihrem Karriere-Ende als Profi-Boxerin mag Ina Menzer keinen Boxkampf im Ring mehr bestreiten können. Aber überdurchschnittlich fit ist die 43-Jährige immer noch. Das zeigt sich in der Trainingseinheit, bei der sie Fabian Janßen ordentlich zum Schwitzen bringt. Zehn Minuten braucht die frühere Weltmeisterin, bis der 24-jährige angehende Pflegefachmann völlig außer Atem ist.
„Ich habe heute schon mehr Sport gemacht, als sonst im ganzen Jahr“, stöhnt er. In gut zwei Monaten wird er seine Ausbildung abschließen und merkt hier in der Jugendkirche St. Albertus in Mönchengladbach, dass die Laufwege auf der Station ein Ausdauertraining nicht ersetzen.
Dabei hat Ina Menzer gerade erst das Aufwärmprogramm beendet. Ina Menzer ist gekommen, um beim Aktionstag „Von Sportprofis lernen“ im Rahmen des Gesundheitsförderprogramms der Barmer mit den jungen Frauen und Männern zu arbeiten. Der Caritasverband Mönchengladbach hatte sie eingeladen.
Mit einem Vortrag über ihre Laufbahn in Deutschland und ihre Boxkarriere begann Menzer den Tag. Aufgewachsen sei sie mit zwei Brüdern, die vermutlich ihren Anteil daran hatten, dass sie sich für den Boxsport interessierte, berichtet sie. „Denn Konflikte wurden bei uns nicht nur verbal gelöst.“
So habe sie sich erst für den Kampfsport Kung Fu und später für das Boxen interessiert. Allerdings waren ihre Eltern nicht so begeistert von ihren sportlichen Vorstellungen. Sie erlaubten erst nicht, dass die kleine Ina zum Kung-Fu-Training gehen durfte. „Eine sehr unschöne Begegnung mit einer Mädchen-Gang hat mir dann in die Karten gespielt“, sagt Menzer.
„Mein Vater sagte zu mir: ‚Das nächste Mal kannst Du Dich wehren.’“
Sie begann mit dem Kampfsport. Menzer ist als Zehnjährige mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen, als sogenannte „Wolga-Deutsche“. In Deutschland wurde sie in die dritte Klasse eingeschult und verstand kein Wort. „Der Anfang war ganz, ganz schwer. Die einzigen Worte, die ich damals konnte, waren Ente und Affe“, sagt sie zu ihrem jungen Publikum. „Ihr könnt euch vorstellen, dass man damit nicht weit kommt.“ Ihre Mutter habe ihr dann klar gemacht, dass die Sprache der Schlüssel ist, um in Deutschland anzukommen. „Integration fängt mit dem Erlernen der Sprache und dem Respekt gegenüber der Kultur und den Menschen an, die in dem Land leben“, sagte Menzer 2014 in einem Interview mit dem Magazin Clavis. „Genauso wichtig ist es jedoch auch, die Sprache und die Kultur des Geburtslandes nicht zu vergessen.“
Die 42-Jährige engagiert sich für Fairness, Respekt und Antidiskriminierung im Sport und arbeitet in ihren „Ina Menzer Camps“ auch mit Kindern und Jugendlichen, die in einer ähnlichen Situation sind, wie sie es als Kind damals war. Die Sprache zu lernen, war ihr erstes Ziel, für das sie die Fähigkeit einsetzte, die sie im Laufe ihrer Karriere zum Weltmeistertitel brachte: Disziplin.
„Nicht Talent oder Intelligenz, sondern der tägliche Fleiß und das Durchhaltevermögen machen den Unterschied aus. Disziplin ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagt die frühere Sportlerin den jungen Frauen und Männern. Dieses Prinzip lässt sich auch auf die berufliche Laufbahn übertragen.
Ein zweiter wesentlicher Erfolgsfaktor sei eine klare Zielsetzung, sagt Menzer. „Visualisiert eure Ziele, stellt euch in konkreten Bildern vor, wie es sich anfühlt, wenn ihr die Ziele erreicht“, rät sie ihrem Auditorium. „Sucht euch einen Mentor, der euch begleitet und unterstützt.“ Rituale, Ruhephasen, die Entfernung von Blockaden und Energieräubern und schließlich positive Gedanken sind weitere Punkte auf Menzers Liste zum Erfolg.
„Ina ist mega, die pusht einen total“, schwärmt Alina Haxhiu. Die 20-Jährige weiß, wie wichtig es ist, trotz Rückschlägen die eigenen Ziele zu verfolgen: Sie war kurz davor, ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau abzubrechen. Nach mehreren Corona-Erkrankungen musste sie die Ausbildung um sechs Monate verlängern. Jetzt zeigt die ehemalige Profi-Boxerin der 20-Jährigen, wie sie sich fit halten kann: Laufen auf der Stelle, gymnastische Übungen, Schattenboxen. Auch Fabian Janßen kommt an seine Grenzen. Sein Tag hat schon frühmorgens mit seinem Dienst im Altenheim begonnen. Das Seminar wird für ihn zu einem anstrengenden, aber lohnenden Nachmittag. Am Ende ist er ziemlich erschöpft und freut sich auf ein bisschen Ruhe: „Ich mache heute nix mehr.“
Geboren wurde Ina Menzer am 10. November 1980 in Kasachstan in eine Familie mit deutschen Wurzeln. 1990 siedelte sie mit ihrer Familie nach Deutschland um.
Sie ist in Mönchengladbach aufgewachsen. Boxtraining. Ihr erstes Boxtraining hatte sie im Verein „Faustkämpfer Mönchengladbach“.
2003 gewann sie die 1. Internationalen Deutschen Boxmeisterschaften der Frauen (IDBF). Danach nahm sie der Boxstall „Universum Box Promotion“ unter Vertrag, bei dem auch die Klitschko-Brüder kämpften. Ende der Karriere mit einem Weltmeistertitel am 24. August 2013 in Mönchengladbach.