Weihnachten verstehen

Jedes Jahr richten Ehrenamtliche in St. Martin Krefeld eine Feier für Bedürftige aus

(c) Fabio Sangregorio/unsplash.com
Datum:
29. Nov. 2023
Von:
Aus derKirchenZeitung, Ausgabe 48/2023 | Kathrin Albrecht

Sie ist im Krefelder Ortsteil Lindental eine Institution: die Weihnachtsfeier für Bedürftige im Gemeindehaus St. Martin. Organisiert wird sie Jahr für Jahr von einem Team ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vor zwei Jahren gab es den Salz-und-Hefe-Preis des regionalen Katholikenrats für das Engagement. In diesem Jahr wird ein rundes Jubiläum gefeiert.

2021 erhielt das Vorbereitungsteam der Weihnachtsfeier den Salz-und-Hefe-Preis des regionalen Katholikenrats Krefeld. Diakon Michael Gerards nahm den Preis entgegen, im Hintergrund (Mitte) ist Hans Mörchen zu sehen. (c) Dirk Jochmann
2021 erhielt das Vorbereitungsteam der Weihnachtsfeier den Salz-und-Hefe-Preis des regionalen Katholikenrats Krefeld. Diakon Michael Gerards nahm den Preis entgegen, im Hintergrund (Mitte) ist Hans Mörchen zu sehen.

Wer zum Mittagstisch der Gemeinde St. Martin an der Ispelsstraße möchte, der alle zwei Wochen donnerstags für Bedürftige ausgerichtet wird, folgt immer seiner Nase, denn am Eingang des Pfarrheims duftet es schon verführerisch. Der Mittagstisch ist ein Ableger der Weihnachtsfeier, die vor 50 Jahren vom damaligen Kaplan Jansen und jugendlichen Freiwilligen der Gemeinde für Obdachlose organisiert wurde. Das kam so gut an, dass die Feier seitdem in jedem Jahr wiederholt wird und mit dem Mittagstisch unterm Jahr noch ein regelmäßiges Zusatzangebot geschaffen wurde. Diesmal haben Grete Jansen, Angelika Pelzer, Barbara Kemp und Regina Werner das Essen vorbereitet. Regina Werner erinnert sich: „Angefangen hat es mit Butterbroten und Kaffee. Dann haben wir angefangen, für die Gäste zu kochen.“

Seit 20 Jahren ist sie festes Mitglied im Vorbereitungsteam für die Weihnachtsfeier und bereitet auch regelmäßig den Mittagstisch mit vor. Der große Pfarrsaal, in dem in knapp drei Wochen auch die Weihnachtsfeier stattfinden wird, ist gut gefüllt. Manche kennen sich, tauschen Neuigkeiten aus. Manche genießen einfach nur still ihr Mittagessen – Frikadelle mit Rotkohl und Kartoffeln gibt es diesmal. „Für viele ist das oft die einzige 
warme Mahlzeit am Tag“, weiß Zubeyde Akpinar, Leiterin der offenen Jugendfreizeiteinrichtung Canapee, die im Erdgeschoss des Pfarrheims untergebracht ist. 

Pastor wünscht jedem frohe Weihnachten

Das Canapee ist fast von Beginn an auch in die Organisation der Weihnachtsfeier eingebunden, bietet ein Begleitprogramm für die Kinder an, die mit zur Weihnachtsfeier kommen.

Und längst sind es auch nicht nur Menschen, die im Stadtteil wohnen, die kommen. „Wir haben inzwischen den gesamten Krefelder Süden als Einzugsgebiet“, erzählt Michael Gerards. Seit 2016 ist er als Diakon in der GdG Krefeld-Süd, zu der die Gemeinde St. Martin gehört, tätig und auch zuständig für die Weihnachtsfeier und den Mittagstisch. Er ist Ansprechpartner bei alltäglichen Sorgen, bei Problemen mit den Behörden oder einfach, um sich über dies und das auszutauschen. „Die Einrichtung liegt hier richtig und ist wichtig für die Menschen im Viertel, aber auch aus der angrenzenden Umgebung.“ Lindental gilt als sozial schwaches Viertel.

In den Wochen vor Heiligabend fragen ihn auch viele schon nach den begehrten Einlasskarten für die Weihnachtsfeier. Bis zu 200 Gäste kommen jedes Jahr. Die Vorbereitungen dafür beginnen bereits im Mai. Je näher der Termin rückt, können es dann auch mal  zwei bis drei Stunden oder mehr die Woche werden, das das Organisatorische verlangt. Obwohl der Ablauf fast immer der gleiche ist: „Los geht es um 15 Uhr mit Kaffee und Kuchen. Gegen 16 Uhr kommt der Pastor vorbei und wünscht jedem Gast mit Handschlag frohe Weihnachten“, erzählt Gerards. Dann liest er das Evangelium vor, es werden Lieder gesungen, begleitet von Charly Niessen. Das eigentliche Essen beginnt gegen 17 Uhr. Anders als beim Mittagstisch wird das Essen (Braten mit Rotkohl und Klößen) nicht vom Team selbst gekocht, sondern vom Nordbahnhof gekocht und gespendet und direkt am liebevoll dekorierten Tisch serviert. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung für die, die Weihnachten und die Tage darum herum meist allein verbringen.

Und den Gästen sei anzumerken, wie wichtig diese Feier für sie sei. Sie machen sich extra schick und holen das Beste heraus, was sie haben für diesen Tag. Für viele sei es der Höhepunkt des Jahres, erzählt Michael Gerards. 

 

Jede Form der Wertschätzung kommt an

Liebevoll per Hand werden die Weihnachtstüten gestaltet, die am Schluss an die Gäste verteilt werden. (c) Kathrin Albrecht
Liebevoll per Hand werden die Weihnachtstüten gestaltet, die am Schluss an die Gäste verteilt werden.

„Jede Form der Wertschätzung kommt an“, unterstreicht er. Es sei eine einmalige Atmosphäre, die man nicht beschreiben könne, sagt Michael Gerards: „Man hat Weihnachten nicht verstanden, wenn man das hier nicht miterlebt hat.“ Wer einmal als ehrenamtliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter dabei war, komme auch immer wieder und plane eben seine eigene Familienfeier um die Weihnachtsfeier herum. „In der Hinsicht brauchen wir uns eigentlich keine Sorgen zu machen.“ Auch aus den Teilnehmenden des Mittagstisches rekrutieren sich Freiwillige, die mit anpacken wollen.

Sorgen bereitet aktuell jedoch der Gesundheitszustand von Hans Mörchen, dem Mann der ersten Stunde bei der Weihnachtsfeier. Das Gemeindemitglied hat all die Jahre sämtliche Organisation übernommen, war auch während der Donnerstagstreffs immer präsent und bei den Teilnehmenden beliebt. „Die Weihnachtsfeier ist sein Herzensprojekt“, sagt Michael Gerards. Es ist unklar, ob er bei der diesjährigen Weihnachtsfeier überhaupt dabei sein kann. Gefeiert werde trotzdem, „der würde uns etwas erzählen“, fügt Gerards hinzu.

Nach den beiden vergangenen Coronajahren wird die Jubiläumsfeier auch wieder eine Feier ohne Einschränkungen sein. Für die Kinder ist im Canapee ein eigener Raum zum Essen vorbereitet, außerdem wird es ein Kreativprogramm und Musik geben. Zum Abschluss gibt es für jedes Kind ein kleines Geschenk, für die Erwachsenen eine Tüte mit allem, was man über die Feiertage und darüber hinaus gut gebrauchen kann: nicht verderbliche Lebensmittel, Kaffee, Hygieneartikel.

Gespendet werden die Artikel von einem anonymen Großspender, der ebenfalls aus kleinen Verhältnissen kommt und die Situation der Gäste aus eigener Anschauung gut kennt. Die Tüten, in die die Gaben gefüllt werden, gestaltet Regina Weber per Hand: „180 habe ich schon, 200 müssen es werden.“

Finanziell wird die Gemeinde unter anderem von der Regenbogenschule, von der Kurt-Tucholsky-Schule, der Montessori-Schule und vom Vera-Beckers-Berufskolleg unterstützt. 
Die Vorfreude auf die Jubiläumsfeier ist groß, auch wenn es durch das wahrscheinliche Fehlen von Hans Mörchen einen kleinen Schatten geben dürfte.

Weihnachten nicht alleine feiern

In den Regionen des Bistums Aachen gibt es weitere Angebote für Menschen, die die Feiertage sonst allein verbringen müssten: 

Aachen-Stadt
In der Pfarrei St. Jakob Aachen-West lädt die Gemeinde von 11 bis 14 Uhr zum „Heiligabend anders“ ein. Teilnehmende können auch gerne selbst etwas zum Programm beitragen. Anmeldungen sind noch bis zum 20. Dezember möglich bei Gemeindereferentin 
Marita Delheid, Tel. 02 41/70 13 05 13 oder 01 57/50 68 69 79, E-Mail: 
marita.delheid@pfarrei-sankt-jakob.de. 

Im Aachener Osten lädt die Gemeinde St. Josef und Fronleichnam alle ein, die Weihnachten nicht allein sein möchten. Info: www.st.josef-und-fronleichnam.de
 
Aachen-Land
Zu einer besinnlichen und gemütlichen Weihnachtsfeier mit Mittagessen lädt auch das Jugendzentrum HOT St. Gertrud in Herzogenrath alle, die Heiligabend allein sind, in seine Räume ein. Weitere Auskunft unter 
www.hot-herzogenrath.de.

 

Kempen-Viersen

In Grefrath organisiert die Friseurmeisterin Ayse Berdibey einen „Abend der leuchtenden Augen“. Anmeldungen unter Tel. 0 21 58/20 57. 


Mönchengladbach
In Mönchengladbach lädt die Gemeinschaft Sant’Egidio jedes Jahr am ersten Weihnachtstag zu einer Feier mit dem Helferteam und Bedürftigen ein. Kontakt für Mithilfe oder Geschenke: Tel. 0 21 61/20 94 96 oder E-Mail: sant.egidio@t-online.de.