Weihnachten ist erst der Anfang

Die Geschichte des etwas anderen Krippenbaus in Nideggen

Immer als Gemeinde: Viele kleine Lichter ergeben ein weit sichtbares Leuchten.  Im Jahr 2020 bauten 48 Messdiener im „Home-Office“ eine gemeinsame Krippe. (c) Manfred Mathar
Immer als Gemeinde: Viele kleine Lichter ergeben ein weit sichtbares Leuchten. Im Jahr 2020 bauten 48 Messdiener im „Home-Office“ eine gemeinsame Krippe.
Datum:
5. Okt. 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 40/2022 | Mira Otto

Wer in der Kirche St. Johannes Baptist in Nideggen vorbeischaut, sieht: Dort ist gerade immer noch Weihnachten. Zumindest ein bisschen, denn ein Teil der Krippe steht noch. Der weiße Kapellennachbau mit den warm erleuchteten Fenstern lädt zum Nähertreten ein.

Ein kleiner Aushang an der Kapellenwand fordert dazu auf, Gebete und Gedanken niederzuschreiben und an der Wand zurückzulassen. Und die „Kapelle“, in der ohne Probleme ein Mensch Platz finden würde, ist nur ein Teil der Krippe, die auch heute noch als Zeugnis des vergangenen Weihnachtsfestes in der Kirche steht. Unter dem Titel „Schutzräume“ wurden dort ab Herbst 2021 drei Bereiche gebaut: die Kapelle, eine geschlossene Schutzhütte und eine schwarze Wand mit der Inschrift „Licht, das uns erschien. Kind, vor dem wir knien. Herr, erbarme Dich.“ Vor dieser Lichtinschrift die eigentliche Krippe, wenn man so möchte, mit dem Jesuskind.

Dass es in der Kirche das ganze Jahr über ein Stückchen Krippe gibt, hat eine ziemlich lange und auch eine besonders charmante Vorgeschichte, die in dieser Form nur durch das Leben geschrieben werden kann. Ursula und Manfred Mathar sind quasi über ihre Kinder zur Krippe gekommen. Als diese gerade bei den Messdienern waren, gab es im Jahr 2003 schlicht niemanden, der in der Gemeinde für die Installation der Krippe fest verantwortlich war. Genau zu dieser Zeit begann der Krippenbau der Messdiener unter der Leitung der beiden. „Da haben wir uns noch nicht getraut, wirklich was zu ändern“, erzählte Manfred Mathar, und seine Frau Ursula lachend weiter: „Doch das sollte sich bald ändern.“

Fast bis zur Kirchendecke: Leuchttürme können auch zur Weihnachtszeit den Weg weisen. (c) Manfred Mathar
Fast bis zur Kirchendecke: Leuchttürme können auch zur Weihnachtszeit den Weg weisen.

Im ersten Jahr startete die neugeborene Generation der Krippenbauer mit der mittlerweile sogenannten „Birkenkrippe“, bei dem das bereits bestehende Ensemble durch einen aus Birkenholz gebauten Stall erweitert wurde. Im Jahr 2004 folgte die Erneuerung der im Hintergrund befindlichen Kulisse innerhalb einer Berglandschaft. Bereits 2005 gab es dann eine Steigerung: Historisch der Realität und den Örtlichkeiten in Bethlehem näher war die Krippe einer Höhle ähnlich gebaut worden. Dann ging es 2006 richtig los.

Innenstadt, durchgehbare Wüstenschlucht mit Oase, das Panorama Nideggens, Lichtspiele, Leuchttürme bis zur Kirchendecke, ein Gemeindepuzzle mit 15000 Teilen, ein Schiff, Flüchtlingscamp, Sicherheitskontrolle und Schatzkammer, ein Zug auf Schienen, ein schwarzer Wald mit Bergfelsen und Kirche, ein Bachlauf mit echtem Wasser … Über die Jahre ist so einiges in der Kirche auf dem Berg zu sehen gewesen. Immer mit Botschaft, immer mit Einladung zum Staunen und nicht zuletzt auch zum Nachdenken.

„Seit vielen Jahren gestalten die Messdienerinnen und Messdiener begleitet von den Eheleuten Ursula und Manfred Mathar die aufwändige Krippenlandschaft in der St.-Johannes-Baptist-Pfarrkirche in Nideggen und geben somit Gott ein Dach über dem Kopf in dieser Welt. Auf diese Weise setzen sie kreativ Weihnachten gegenwärtig um, verpflanzen Jesu Ankunft in unser Heute hinein. Dabei greifen sie jährlich neu aktuelle Themen auf, verfremden, provozieren heilsam, faszinieren, regen Rückfragen und Gespräche an, geben der Weihnachts-Verkündung des Ortspfarrers Kurt Josef Wecker Leitmotive vor und geben vielen Kirchenbesuchern von nah und fern zu denken ‚So ungewöhnlich und in diesem Kontext habe ich das Weihnachtsgeheimnis noch nie gesehen.‘ Oft bleiben Bestandteile der jeweiligen Krippe das Jahr über im Kirchenraum, werden zu beliebten Anlaufpunkten der Besucher, zu markanten Andachtsstätten, zu ‚Klagemauern‘ und Fürbitt-Sammelstellen“, schreibt Pfarrer Kurt Josef Wecker hierzu.

Jedes Jahr wurden dabei ganze Teile der Kirche mit Hilfe der Heißklebepistole hinzugebaut. In der Regel war das Krippen-Kunstobjekt auch begehbar. Das funktioniert, weil das Ehepaar Mathar arbeitsteilig vorgeht. „Mein Mann sorgt dafür, dass es hält, und ich sorge dafür, dass es gut aussieht“, fasst Ursula Mathar zusammen. Gestemmt wird das Projekt jedes Jahr durch die tatkräftige Hilfe der Messdiener. Teilweise sei es schon richtig knapp geworden. Ein Jahr teilten sich so die Messdiener in Schichten ein. Das Ehepaar Mathar arbeitete die ganze Nacht durch. Um 9 Uhr war die Krippe am 24. Dezember fertig. 
Dass ein Teil der Krippe das Jahr überdauert, ist erst seit einigen Jahren der Fall und der Küsterin Marita Neulen zu verdanken, die den Abbruch der Krippe im Jahr 2018 zu schade fand. Da wurde eine Wand der Krippe stehen gelassen und einer Klagemauer ähnlich Löcher in die Wand gebohrt, um dort etwas Schriftliches hinterlassen zu können. Im Osterfeuer wurden die Zettel dann verbrannt.

Leiten den Krippenbau seit etlichen Jahren an: Ursula und Manfred Mathar. (c) Mira Otto
Leiten den Krippenbau seit etlichen Jahren an: Ursula und Manfred Mathar.

Ganze 51 Messdiener sind es in diesem Jahr, auch wenn nicht unbedingt jeder der Messdiener beim Krippenbau mithelfen muss. Im Übrigen liegt das Verhältnis zwischen den weiblichen und den männlichen Messdienern ungefähr bei 50:50. Auch das Thema steht schon fest: Ruine – mit gleich drei Bedeutungen. Zum einen der Erinnerung, denn die Kirche ist im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden. Zum anderen werden gegenwärtig Renovierungsarbeiten an der Kirche durchgeführt. Außerdem soll die Ruine auch den Zustand der Kirche spiegeln, der sich zukünftig ändern soll. Mitte November soll der Baubeginn starten.

Wie genau die Krippe dann zu Weihnachten aussehen wird, steht noch nicht fest. Zwei Dinge noch: Da die Krippenbauten mittlerweile einige Lagerhallen füllen würden und entsprechend kein Platz zum Aufheben da ist, werden die Bauten jedes Jahr bis auf einige Details komplett zerstört. Dies betrifft aller Wahrscheinlichkeit nach auch die übriggebliebene Kapelle, die aktuell noch in der Kirche zu sehen ist. Und das Krippenprojekt wird durch Spenden finanziert. Wer die Projekte unterstützen möchte, kann einen Obolus in die Kasse in der Nähe der Krippe entrichten.