Was wäre, wenn … ?

Frauen übernehmen für die „Ikonen des Möglichen“ die Rollen traditionell männlicher Heiliger

(c) Stephan Johnen
Datum:
24. Sept. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 27/2025 | Stephan Johnen

Wer weiß, vielleicht fällt es gar nicht auf? Vielleicht fügen sich die „Ikonen des Möglichen“ nahtlos in den Kreuzgang des Klosters Steinfeld ein. Schließlich vermitteln die großformatigen Arbeiten doch schon in ihrer künstlerischen Machart und dem historisierenden Stil eine gewisse zeitlose Selbstverständlichkeit.

 Als wäre es schon immer so gewesen, dass Frauen Lasten und Verantwortung tragen, Türen und Wege öffnen, schützen, teilen und repräsentieren. Ab dem 11. Oktober zeigt das Kloster Steinfeld Bildteppiche, in denen Frauen aus der Kunst- und Qualifizierungswerkstatt Spectrum die Rollen traditionell männlicher Heiliger einnehmen. Petrus, Nikolaus, Franziskus und Johannes – mit weiblichem Antlitz.

Was wäre, wenn …? Eigentlich möchte die Ausstellung, die derzeit noch in Aachen vorbereitet wird, diese Frage gar nicht explizit aufwerfen. Es geht nicht um das Aufbrechen von Rollenbildern, sondern vielmehr um eine Selbstverständlichkeit in der Darstellung, die die „Ikonen des Möglichen“ aussenden. Und dennoch stellen die Kunstwerke sensibel, würdevoll und verbindend die Frage: Was wäre, wenn Stärke, Schutz und Verantwortung ganz selbstverständlich in die Hände von Frauen gelegt werden würden?

„Die Menschen sollen draufgucken, leicht irritiert sein. Aber nicht schockiert! Es ist keine Provokation, keine Anklage“, betont Künstlerin Vera Sous. „Wir wollen das Entgegengesetzte darstellen. besser noch: Gleichgewicht herstellen“, fügt Werkstattleiterin Monika von Bernuth hinzu. Denn in der christlichen Kunst der letzten Jahrhunderte seien Darstellungen von Frauen mit Symbolen von Macht, Stärke und Autorität selten. Den weiblichen Heiligen falle vielmehr die Rolle von Opfer, Trost und Martyrium zu.

„Es geht nicht darum, Männer in die Ecke zu drängen oder in Konkurrenz zu gehen“, sagt Vera Sous. Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass Taten von Frauen in der Geschichtsschreibung oft getilgt worden sind und auch heute noch getilgt werden – sei es religiös, gesellschaftlich oder wissenschaftlich. Was wäre, wenn …? Die „Ikonen des Möglichen“ wollen die ursprünglich spezifischen weiblichen und männlichen Merkmale christlicher Heiliger zu einer Gesamterzählung verbinden.

Besonderes spannend ist dabei, dass jede der aktuell neun Frauen aus der Spectrum-Werkstatt, die einer Heiligenfigur ihr Gesicht leiht, ihre ganz eigene Geschichte mitbringt. Von Flucht und Vertreibung, Stärke und Niederlage, Verzweiflung und Hoffnung. „Sie alle sind Sprachrohr für Menschen, die sich oft am Rand der Gesellschaft bewegen“, sagt Monika von Bernuth. Der Rheinische Verein für Katholische Arbeiterkolonien, zu dem die Spectrum-Werkstatt gehört, stellt sein Wirken in den Dienst eines sozialen Miteinanders, das Zugänge schafft und Chancen eröffnet. 

 

Ausstellung im Kreuzgang 

Das Kloster Steinfeld ist im Heiligen Jahr einer von drei besonderen Pilgerorten; ein Ort der Besinnung, der Einkehr und der offenen Türen. Die Stiftung Kloster Steinfeld, die den Künstlerinnen aus der Frauenkunstwerkstatt Spectrum im Rahmen der Kulturtage eine Ausstellung im Kreuzgang ermöglicht, nimmt dieses besondere Jahr zum Anlass, auf die Belange derer hinzuweisen, denen eben nicht genug Türen offen stehen.  

Die Ausstellung „Ikonen des Möglichen“ ist vom 11. Oktober bis 31. Dezember während der Öffnungszeiten im Kreuzgang des Klosters Steinfeld, Hermann-Josef-Straße 4, zu sehen. Zur Eröffnung am Freitag, 10. Oktober, 18 Uhr, steht für geladene Gäste eine Führung mit Werkstattleiterin Monika von Bernuth und Künstlerin Vera Sous auf dem Programm. Im Anschluss beschäftigen sich Marianne Pitzen, Gründerin und Direktorin des Frauenmuseums Bonn, sowie Publizistin und Politikwissenschaftlerin Christiane Florin mit der Frage nach Transformationsprozessen in Religion, Gesellschaft und Kunst. Moderiert wird die Runde von der Journalistin Angela Maas.

Mehr Infos zu eventuell noch freien Plätzen gibt es per E-Mail an info@spectrum-aachen.de. Unter dieser Adresse können sich auch Gemeinden und Vereine melden, die ein Interesse haben, die „Ikonen des Möglichen“ auszustellen. 

Ausstellung "Ikonen des Möglichen"

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