Was tun gegen Einsamkeit?

Arbeitslose leiden ohnehin unter Isolation. Die Krise verschärft das. Kirchliche Projekte halten dagegen

Masken werden überall gebraucht. Manche können sie sich finanziell nicht leisten. Das Krefelder Arbeitslosenzentrum näht Masken und verteilt sie an andere soziale Einrichtungen wie „Das tägliche Brot“. (c) Arbeitslosenzentrum Krefeld-Meerbusch
Masken werden überall gebraucht. Manche können sie sich finanziell nicht leisten. Das Krefelder Arbeitslosenzentrum näht Masken und verteilt sie an andere soziale Einrichtungen wie „Das tägliche Brot“.
Datum:
5. Mai 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2020 | Thomas Hohenschue

Unsere Welt steht Kopf wegen der Coronakrise. Zehn Millionen Deutsche befinden sich in Kurzarbeit. Und der Radius vieler anderer Beschäftigter ist auf das Homeoffice geschrumpft. Kombiniert mit den allgemeinen Vorgaben zur Kontaktbeschränkung ist das für viele eine deprimierende neue Erfahrung von Isolation. Die gar nicht so kleine Gruppe von Langzeitarbeitslosen aber kennt diesen Alltag nur zu gut. Sie leidet nun allerdings unter zusätzlicher Einsamkeit, denn ihr ist wegen des Infektionsschutzes der freie Zutritt zu Treffpunkten sowie Beratungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsangeboten verwehrt.

Statt dass die Menschen zum Essen kommen, geht das Essen zu den Menschen: Großer Einsatz der Frauen und Männer vom Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach. (c) Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach
Statt dass die Menschen zum Essen kommen, geht das Essen zu den Menschen: Großer Einsatz der Frauen und Männer vom Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach.

An vielen Orten im Bistum Aachen gibt es nach wie vor kirchliche Träger, die sich mit Herzblut für Menschen einsetzen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Sie alle hat die Krise in einen Ausnahmezustand versetzt: Binnen weniger Tage und Wochen haben sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, ihre solidarischen Dienste auf andere Weise fortzuführen. Wie Soforthilfen ermöglichen, weiter einen sozialen Anschluss gewährleisten, wichtige Auskünfte  in Behördenangelegenheiten geben? Die Drähte glühten, so manche Konferenz galt es zu halten, Dinge umzubauen, umzuorganisieren, neu zu denken, neu zu machen, erstmals, ungewohnt. Natürlich alles unter Beachtung der strengen Hygienevorschriften. Die Rede ist von der Solidarität mit Menschen, die ein geringes Einkommen haben. „Am Anfang der Krise habe ich die Frauen mit Materialien versorgt, die ihnen fehlten,“ berichtet Melanie Kohnen vom Alsdorfer Projekt „Frauen stärken“. Das waren alte Zeitschriften, Malbücher und der berüchtigte Mangelartikel Klopapier.

Wie besser gestellte Familien leiden auch die von Langzeitarbeitslosen unter der derzeitigen sozialen Distanziertheit. „Wir verschenken daher Dinge, die den Alltag erleichtern, Inspiriation bieten, um die Zeit kreativ zu nutzen,“ erzählt Matthias Merbecks vom Volksverein Mönchengladbach. Dazu gehören Spiele, Bücher, Puzzle und Dekorationsmaterialien. Ein echtes Problem ist für viele auch, dass die gemeinsame warme Mahlzeit beim Treffpunkt ausfällt. „Wir haben daher bei unserem Mittagstisch von stationär auf ambulant umgestellt“, sagt Karl Sasserath vom Mönchengladbacher Arbeitslosenzentrum. „Wir geben mittlerweile 40 Essen an unsere bisherigen Besucher kostenlos ab, und das auch am Samstag und Sonntag.“ 

Das signalisiere den vielfach Alleinstehenden, dass sie nicht alleine sind, betont Sasserath, und sorge dafür, weiterhin wichtige soziale Kontakte im erlaubten Rahmen aufrechtzuerhalten. Wie wichtig das ist, bekräftigt auch Andrea Kever von der Recyclingbörse Herzogenrath. „Wir telefonieren mit unseren Teilnehmern, fragen nach ihrem Befinden, sprechen die Situation zu Hause an, wollen helfen, die Tagesstruktur trotz der Zwangspause zu erhalten.“ Durch die Anrufe fühlten sich die Frauen und Männer wahrgenommen, wertgeschätzt und nicht vergessen. „Zu Geburtstagen wird von uns gratuliert,“  erzählt Kever. Das erhält ein wenig von dem, was die Teilnehmer vermissen, weil sie zu Hause bleiben müssen. Sie wollen ihre Arbeit im Beschäftigungsprojekt so rasch wie möglich wieder aufnehmen. 

 

Sehnsucht nach persönlicher Begegnung

Was auch in Coronazeiten den Menschen erhalten bleibt, ist der Papierkrieg mit den Behörden. Alle Beratungseinrichtungen stellen sich um und nutzen dabei neben dem klassischen Weg des Telefons auch digitale Medien von der E-Mail über Messenger bis hin zu Video- und sozialen Plattformen. Trotz der erschwerten Bedingungen lasse sich einiges vernünftig regeln, würdigt Hans-Peter Sokoll vom Arbeitslosenzentrum Krefeld: „Durch gute Arbeitskontakte mit den örtlichen Sozialverwaltungen lässt sich eine Reihe von komplizierten Sachverhalten schnell und unbürokratisch lösen.“ Er setzt für die Beratung der Menschen auf die Kraft transparenter Information und nutzt eine große Palette digitaler Medien, die vom Homeoffice aus betreut werden.

Wie aber die Einsamkeit überwinden? Der Volksverein veranstaltet über Facebook Talkrunden sowie Koch-, Bastel- und Bewegungsangebote. Die Zutaten für das Kochen und Basteln werden vorher verschenkt. Melanie Kohnen geht in den Videochat mit bis zu vier Frauen gleichzeitig. Das gebe ein kleines Gefühl von Gemeinschaft. Andere seien da abgehängt oder fremdelten mit den neuen Medien, berichtet sie. Und auch den Aufgeschlossenen ersetze das Digitale nicht die direkte Begegnung.

„Die soziale Isolation ist am schlimmsten für die Frauen. Sie sehnen sich nach persönlichen Treffen und gemeinsamen Aktionen“, sagt Kohnen. Der Treffpunkt „Frauen stärken“ sei für manche Frauen eine der wenigen Möglichkeiten des sozialen Kontakts. „Arbeitslosigkeit und Armut machen einsam.“

In den Gotteshäusern des Bistums Aachen  wird an diesem Wochenende für die kirchliche  Arbeitslosenarbeit gesammelt. Auch hier gelten nun besondere Regelungen wegen der Coronakrise. Deshalb bietet die Diözese die Möglichkeit an,  online zu spenden. Natürlich geht auch die klassische Spende per Lastschrift. Nähere Informationen im Internet unter www.solidaritaetskollekte.de.