„Sehbehinderungen sind vielfältig und bleiben dadurch oft unsichtbar“. – Das sagt Jutta Busch, Diözesanbeauftragte für die Blindenseelsorge im Bistum Aachen. Ihr Anliegen ist es, die Bedürfnisse sehbehinderter Menschen sichtbarer zu machen.
Aufschlag dafür ist der Sehbehindertentag am 6. Juni. Ins Leben gerufen hat ihn der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband. Bereits 2010 kooperierte der Verband mit den beiden Kirchen, insbesondere der Arbeitsstelle Pastoral für Menschen mit Behinderung der Deutschen Bischofskonferenz und dem Dachverband der evangelischen Blinden- und evangelischen Sehbehindertenseelsorge.
Nach Hochrechnung von Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es mehr als eine Million sehbehinderte Menschen in Deutschland. Von einer Sehbehinderung spricht man, wenn weniger als 30 Prozent der Sehkraft vorhanden sind. Einige dieser Betroffenen engagieren sich in Kirchengemeinden und feiern Gottesdienste mit.
2022 soll es beim „Sehbehindertensonntag“, der 2020 in der Corona-Pandemie „prophylaktisch“ um zwei Jahre verlegt wurde, um den Schwerpunkt „Sehbehinderung im Kirchenalltag“ gehen. Den ganzen Monat Juni über gibt es Mitmach-Aktionen, die sehbehinderte und nicht-sehbehinderte Menschen zusammenbringen und für das Thema sensibilisieren. Denn im Alltag fallen Menschen mit Sehbehinderung kaum auf. „Menschen mit einer angeborenen Sehbehinderung oder Blindheit haben gelernt, damit zurechtzukommen. Sehbehinderungen wie ein eingeschränktes Sichtfeld oder ein Tunnelblick erlauben es Betroffenen, mit entsprechenden Hilfsmitteln zu sehen“, erzählt Jutta Busch. Bei Menschen, die im Verlauf ihres Lebens ihre Sehkraft verlieren oder ganz erblinden, kommen oft noch psychosoziale Belastungen hinzu. Weil sie nicht mehr gut sehen, ziehen sich Betroffene zunehmend zurück. Auf ihre Einschränkung aufmerksam zu machen, ist ihnen unangenehm. So ist die Teilhabe am Gemeindeleben stark eingeschränkt.
Schlechte Beleuchtung in den Kirchen und Gemeinderäumen, schlechte Kontrastierung, die Stufen schlecht erkennen lassen, sind Hindernisse in der Orientierung für Menschen mit Sehbehinderung. Inwiefern es beispielsweise Markierungen an Stufen gibt, hängt von den einzelnen Gemeinden und deren Bewusstsein für das Problem ab. Aktionen wie Kirchenführungen mit einer speziellen Brille, die Sehenden einen Eindruck vermittelt, was Sehbehinderte wahrnehmen können, sollen helfen, dieses Bewusstsein zu wecken.
Insgesamt fällt dieses Thema in den Bereich Barrierefreiheit. Da gebe es in den Gemeinden schon eine erhöhte Aufmerksamkeit. Insbesondere für Hörgeschädigte habe sich viel getan, die meisten Kirchen verfügten inzwischen über Induktionsschleifen, sagt Jutta Busch. Blinde und Sehbehinderte seien innerhalb der Gruppen von Menschen mit Behinderungen, die durch die Seelsorge des Bistums begleitet werden, die kleinste.
In quasi allen Gemeinden sei jedoch ziemlich viel Luft nach oben, was die Schriftgröße der Printmedien (Pfarrbriefe, Texte in Gottesdiensten) anbelangt, die hauptsächlich von Älteren gelesen werden. Hier kommen auch halbwegs gesunde Augen ohne Hilfsmittel kaum gut aus. Im Bereich „Leichte Sprache“ gibt es die Regel der Schrift „Arial 14“, wünschenswert wäre mindestens 12. Spalten seien für Sehbehinderte besser lesbar, Computertexte sind als fortlaufender Text und ohne große Absätze besser lesbar. Das Gotteslob im Großdruck schaffen sich die Betroffenen oft selbst an, hat Jutta Busch beobachtet.
Die Blindenschrift Braille beherrschen oft nur noch die Älteren, jüngere Menschen verwenden Lesegeräte oder die Sprachfunktion am Smartphone. Auch eine klare Aussprache sei eine große Hilfe.
Seit drei Jahren ist sie als Seelsorgerin mit dem Schwerpunkt Blindenseelsorge im Bistum Aachen tätig. In Düren, ihrem Einsatzort, sind fünf Einrichtungen für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung angesiedelt. Da gehörten Blinde und Sehbehinderte zum Stadtbild, gebe es auch eine erhöhte Sensibiliät für das Thema. Zwei ihrer drei Dienstjahre hat Busch in der Corona-Pandemie verbracht und erlebt, wie die Fahrdienste, die für Sehbehinderte zur Verfügung standen, weggebrochen sind. „Das ist besonders für die Menschen, die in Einrichtungen leben, schlimm. Denn sie sind auf diese Dienste angewiesen“, unterstreicht Jutta Busch. Die Folge: „Wenn sie während Corona nicht mehr kommen konnten, kommen sie jetzt auch nicht mehr wieder.“
Für ihre Aufgabe schöpft die Religionspädagogin aus Erfahrungen in der Arbeit mit behinderten Menschen und in der Pflege. „Es geht darum, auf eine Ebene mit den Betroffenen zu kommen“, sagt sie, „wir wären zufrieden, wenn die Aktionen auch über den Juni hinausgehen.“
Am 13. Juni startet der Gesprächskreis „Die im Dunkeln sehen wir nicht!?“ um 16 Uhr im Pfarr- und Jugendheim Stolberg-Mausbach. Interessierte mit oder ohne Sehbehinderung sind beim Herstellen von Pralinen eingeladen, miteinander ins Gespräch zu kommen. –
Am 18. Juni, 10 bis 14 Uhr, lädt die „Verr*ückte Kirchenbank – Kirche an die frische Luft“ in Düren am Fest „1275 Jahre Stadt Düren“ an der Annakirche/Ecke Markt zum Austausch ein. –
„Den Gottesdienstraum mit anderen Augen sehen“ ist der Leitgedanke der Aktionspartner am 19. Juni ab 11 Uhr bei Gottesdienst und Besichtigung der Kirche St. Mariä Himmelfahrt Geilenkirchen. Weitere Auskunft gibt es über Rolf Herfs, Tel. 02 4 31/80 53 22 oder das Pfarrbüro St. Bonifatius, Tel. 0 24 51/27 24.
Am 21. Juni gibt es eine Führung durch die St.-An-na-Kirche Düren für blinde, sehbehinderte und sehende Menschen. Anmeldung bei Michael Mohr, Tel. 0 24 21/80 25 03, bis zum 17. Juni.
In Aachen wird am 22. Juni eine Dom-Führung angeboten. Anmeldung bis 20. Juni bei Kerstin Stettner, Tel. 01 79/72 12 130.
In Heinsberg beginnt am 24. Juni ein ökumenischer Abendgottesdienst. Auskunft in der lokalen Presse.
Am 2. Juli, 9 bis 13 Uhr, ist die „Verr*ückte Kirchenbank“ auf dem Markt in Walheim.