Über Strukturen, Finanzen, Personal soll jetzt nicht gesprochen werden. Aber es geht im Kern auch darum. Deshalb hat jeder freundliche Austausch im Prozess seinen ernsten Hintergrund. Das spürten nun auch Verantwortliche der katholischen Krankenhäuser. 21 Häuser gibt es im Bistum Aachen. Sie führen 5434 Betten. Sie zählen 291960 stationär versorgte Patienten im Jahr. Sie beschäftigen etwa 9000 Frauen und Männer. Das sind beeindruckende Zahlen. Dahinter steckt jede Menge engagierte Arbeit, geleistet von Ärzten, Pflegekräften, Verwaltung und auch Ehrenamtlichen. Der Dienst dieser Menschen an der Gesellschaft ist hoch anerkannt. Die Häuser sind gut in ihrem jeweiligen Sozialraum verwurzelt, häufig eher familiär geprägt, nicht so groß wie manche kommunalen oder privat getragenen Kliniken.
Verantwortliche der katholischen Krankenhäuser treffen sich immer wieder zum Austausch im Haus der Caritas in Aachen. Es gibt viele gemeinsame Herausforderungen, durch den hohen Kostendruck im Gesundheitswesen allemal. Diesmal haben sie hohen Besuch: Bischof Dieser sucht das Gespräch, um gemeinsam auf Spurensuche zu gehen. Seine Fragestellung: Was macht eigentlich die Krankenhäuser zu einem kirchlichen Ort? Was ist eigentlich katholisch an ihnen? Der Bischof verdeutlicht seinen Ansatz: Er möchte mehr hören als das Ringen um den Selbsterhalt. Er nennt dies „aus den Noch-Befindlichkeiten herauskommen“ und verbindet damit eine Aufforderung. Man solle sich aus der Mühle befreien, immer weiterzumachen, so lange es noch irgendwie geht, solange es noch irgendwie Sinn hat, bis zur Erschöpfung. Man solle doch stattdessen eher die Zeichen der Zeit erkennen. Und das bedeutet für den Bischof: zu erkennen, dass wir nicht weiter in einer katholischen Welt leben. Er sieht die Situation der Krankenhäuser vergleichbar zu der von Pfarreien. Und so möchte er hören und lernen, was denn über den heutigen Tag hinausreicht. Im Verlauf des Austausches wird der Bischof noch einmal betonen: Ihm geht es nicht um „Noch-Orte“, sondern um „Neu-Orte“: Wo ist im Sinne eines Aufbruchs ein kirchlicher Ort erkennbar, der auch in einer nicht-katholischen Welt die Freude am Evangelium entfacht? Es reicht ihm nicht, dass ein Haus katholisch getragen ist – es muss auch einen katholischen Geist ausstrahlen, etwas Spezifisches in das Leben der Menschen tragen, die dort als Patienten versorgt werden, als Angehörige ein- und ausgehen, als Mitarbeiter einem Beruf nachgehen.
Wie sich das für einen ehrlichen Austausch gehört, kommen nun unbequeme Wahrheiten auf den Tisch. Wenn es um das wirtschaftliche Überleben gerade der kleinen Häuser geht, spielen zunächst einmal ganz andere Aspekte als Glaubensfragen die erste Geige. Das bringen Verantwortliche zur Sprache. Sie erzählen von ihrem Kampf, für Hunderte Mitarbeiter und ihre Familien eine verlässliche Perspektive zu erhalten. Angesichts der Unterfinanzierung des Gesundheitssystems hat das wenig von einem Aufbruch, sondern ist ein reiner Abwehrkampf, ein einziges großes „Noch“. Geschäftsführer und Trägervertreter müssen sich aus ihrer Verantwortung heraus in diese Mühle begeben und können es nicht sein lassen. Geht „katholisch“ unter diesen fatalen Bedingungen von Konkurrenz und Kostendruck überhaupt? Die Häuser reklamieren für sich, kirchliche Orte zu sein. Damit ist nicht das Kreuz alleine gemeint, das am Eingang und in Zimmern aufgehängt wird. Sondern es geht um eine christliche Haltung, die sich im Krankenhaus entfaltet. Patienten sind nicht einfach ein Fall, der Mitarbeiter ist mehr als ein Kosten-Nutzen-Faktor. Den Anspruch haben die Häuser, im Alltag leidet er zuweilen wegen Personalmangels, wegen gesetzlicher Vorgaben, überhaupt.
Plötzlich ist die Klinikseelsorge Thema. Und da treffen sich die Teilnehmer des Gesprächs in all ihrer Unterschiedlichkeit. Seelsorgerinnen und Seelsorger seien unverzichtbar, heißt es. Sie füllten den Anspruch eines Hauses, christlich zu sein, mit Leben. Bischof Dieser bekennt sich zu dieser ökumenischen Arbeit und sieht in ihr ein Musterbeispiel von Kirche, die zu den Menschen geht, die am Rande stehen, mit der Hoffnungsbotschaft: „Gott ist in deinem Leben zugegen.“ Kurz verlässt der Bischof den Vorsatz, Strukturelles hintan zu stellen, und überlegt laut, wie sich Seelsorge künftig organisieren lässt. Eine Vorstellung scheint auf, nicht mehr so stark zu unterscheiden zwischen territorialer und kategorialer Seelsorge. Wo kirchliche Orte lebendig sind, soll auch Personal da sein. Und wenn dies Krankenhäuser sind, dann auch dort. „Wir müssen die Frage an uns heranlassen: Ist die Seelsorgestelle im Krankenhaus vielleicht mindestens so wichtig wie die Pfarrstelle?“