Man kann sich in den wohligen Bildern einrichten, die sich mit diesen Mythen verbinden. Hat alles halt seinen rustikalen Charme mit dieser Prostitution. Nur Spießer und Verklemmte stören sich daran, dass Frauen dem ältesten Gewerbe der Welt nachgehen. Wirklich? Meine Meinung dazu: Wer diese Klischees im Kopf hat und sich damit begnügt, ist bequem. Denn er lässt sich mit einem Konstrukt abspeisen, das mit dem Alltag in der Prostitution recht wenig zu tun hat. Er schaut nicht hin, in Wahrheit schaut er weg. Er hat bunte Werbebilder im Blick, die Glitzerfassaden. Aber nicht die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist das, was dahinter ist. Diese Welt hat keinen freien Eintritt. Als zahlender Gast hat man womöglich keine Augen dafür. Anderen ist der Zutritt verboten. Mit gutem Grund: Der bloße Augenschein der Verhältnisse in den Bordellen ist bedrückend. Die Wirklichkeit ist aber auch mehr als das, was man sehen kann. Jenseits der schäbigen Zimmer ist Gewalt das große Thema. Die meisten Frauen arbeiten nicht freiwillig als Prostituierte, sondern unter Zwang. Die Gewalt, die sie dahin bringt und darin hält, ist sehr verschiedener Natur. Die Frauen erfahren Misshandlung, Bedrohung, Erpressung. Armut, Rechtlosigkeit und Isolation sind weitere Garanten, dass das Geschäftsmodell klappt. Dieses Elend zu sehen, heißt auch, eigene Ohnmacht aushalten zu müssen. Denn kurzfristig die Verhältnisse ändern übersteigt die Möglichkeiten. Dieser Zwiespalt zerreißt einen.
Der Autor ist Chefredakteur der KirchenZeitung für das Bistum Aachen.