Als „Priester und Gesellenvater“ kümmerte sich Adolph Kolping vor allem um junge Handwerker auf der Walz. Sie sollten auch unterwegs das Gefühl des Zusammenhalts in einer Familie erleben. Daraus entwickelte sich das Kolpingswerk. Die Ziele des Werks sind geblieben. Die Zielgruppe ist breiter.
Vor einem Jahr hat sich die Seligsprechung Adolph Kolpings zum 30. Mal gejährt. Am 27. Oktober 1991 sprach Papst Johannes Paul II. den Priester vor 60000 Menschen in Rom selig. Von den ersten Bestrebungen dazu bis zur Zeremonie sollten über 80 Jahre vergehen. Unter dem Titel „Kolping ist mir heilig“ werden seit vergangenem Jahr Unterschriften für eine Petition gesammelt. Ziel ist die Heiligsprechung des Priesters. Zum Redaktionsschluss dieser KirchenZeitungs-Ausgabe sind über 59000 Unterschriften zusammengekommen. Das wirft die Frage auf, welche Rolle das Vorbild Kolpings in der Gegenwart noch spielt. Was kann man von ihm lernen?
„Das Angebot des Kolpingwerks ist niedrigschwellig und reicht von Kochkursen über Beratungen zum Energiesparen bis hin zu beruflichen Weiterbildungen“, sagt Michael Kock, geistlicher Leiter des Kolping-Diözesanverbands Aachen mit Sitz in Mönchengladbach. So wie Kolping zu seiner Zeit geht es auch heute dem Team des Kolping Diözesanverbands Aachen darum, die Lebensverhältnisse zu verbessern. „Kolping kümmerte sich um die Gesellen, weil es ihnen nicht gut ging. Es gibt immer noch Menschen, um die man sich kümmern muss“, sagt Kock. „Man denke nur an die Frauen aus Rumänien und Bulgarien, die in der häuslichen Pflege arbeiten.“
Die Struktur der Mitglieder im Verband und in den Kolping-Familien in den verschiedenen Ortschaften hat sich indes sehr verändert. Gehörten die Mitglieder früher zur Arbeiterschicht, sind dort heute viele Akademiker zu finden. Oft sind sie Kinder aus Arbeiterfamilien, die zu den ersten in ihren Familien gehören, die studieren konnten.
Auch an Popularität hat der Verband etwas eingebüßt. „So wie in den 60er Jahren, der Blütezeit der katholischen Verbände, ist es nicht mehr“, sagt Kock. Die fast drei Jahre Pandemie mit ihren anhaltenden Lockdowns und Kontaktbeschränkungen hat auch dem Leben in vielen Kolpingfamilien vor Ort zugesetzt. „Viele Familien müssen nach der Krise wieder in den Tritt kommen“, beobachtet Kock. Wie schnell die Kolping-Gemeinschaft vor Ort wieder zusammenkommt, ist sehr unterschiedlich.
Im Bistum Aachen sind derzeit 3000 Menschen generationsübergreifend in 36 örtlichen Kolpingfamilien aktiv. Oft geht es bei den Aktivitäten nicht nur um die Gemeinschaft, sondern auch um aktuelle Themen. So ruft der Ortsverband Mönchengladbach zur „Obstoffensive“ auf und startet eine Reihe, bei der Jung und Alt miteinander kochen. Verarbeitet werden dabei ausschließlich regionale Produkte. Die Offensive beinhaltet auch die Anlage einer Streuobstwiese in Neuwerk 2021. Ein Projekt, das die Kolpingfamilie zusammen mit der Katholischen Hauptschule Neuwerk und der Kolpingjugend durchführt. Die Schülerinnen und Schüler pflegen die Obstwiese, machen sie zu einem Biotop für Insekten und andere Tiere und lernen dabei ganz nebenbei, dass die „Bewahrung der Schöpfung“ nur gelingt, wenn man Verantwortung übernimmt.
Viele junge Leute im Alter unter 20 Jahren sind in der Kolpingfamilie Birgelen aktiv. Das spiegelt sich im Programm wieder: Es wird gerne gezeltet. Für den gemeinsamen Ausflug wird ein Raft, ein großes Schlauchboot, gebucht und damit eine Passage über den Teil der Rur zurückgelegt, den man ruhig als Wildwasserbahn bezeichnen kann. Diese kleinen Abenteuer sind nicht nur Freizeitaktivitäten. Sie stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl.
Auf der Internetseite der Kolpingfamilie Otzenrath wird sie als „ein soziales Netzwerk, das gekennzeichnet ist von der Fürsorge und der Verantwortung der Mitglieder füreinander,“ beschrieben. Genau das macht Kolping auch heute noch so aktuell: ein soziales Netzwerk, das von Nächstenliebe geprägt ist.