Seit Februar begleitet die KirchenZeitung das Projekt „Schwein haben“ (siehe unten), und stellt dabei verschiedene Fragen rund um das Thema „Bewahrung der Schöpfung“. In dieser Woche geht es um die Welternährung. Wer produziert für wen die Lebensmittel und welche Folgen haben Krieg und Klimawandel auf dem Teller für die Ärmsten in der Welt?
Die gute Nachricht zuerst: Auch wenn Lieferketten unterbrochen sind, in den Supermärkten immer noch in den Regalen Lücken sind oder nur die ersten Reihen aufgefüllt werden, auch wenn im Bistum Aachen das große Tagebauloch klafft und an den Orten wertvoller, fruchtbarer Lößboden weggebaggert wurde, brauchen wir hier bisher keine Hungersnot zu fürchten.
Im Gegenteil: In den Supermärkten, in Hofläden und auf Märkten gibt es nach wie vor ein Überangebot an Nahrungsmitteln. Aber, und jetzt kommen wir zu der schlechten Nachricht, nicht alles, was wir zu uns nehmen können, ist wirklich ein „Lebensmittel“, und das Überangebot macht viele Menschen krank.
Das liegt zum einen daran, dass hierzulande viel industriell verarbeitete Nahrungsmittel verzehrt werden. Fruchtjoghurt zum Beispiel gilt vielen als gesund. Dass er aber kaum Früchte, dafür aber viele Aromastoffe und Zucker in sich trägt, sorgt dafür, dass er in der Ernährung wie eine Süßigkeit behandelt werden sollte. Er ist also eher ein Ersatz für Schokolade als für einen Apfel.
Fertiggerichte mit viel Fett, Salz, Zucker und Geschmacksverstärkern haben zudem die Geschmacksgewohnheiten verändert. Gerade dadurch halten viele Verbraucher den künstlich verstärkten Geschmack für das Original. Wer Himbeeren nur aus der Marmelade, dem rosa Eis und dem Kaubonbon kennt, dem ist der Geschmack einer frisch vom Strauch gepflückten Himbeere oft zu schwach. Ein auf industriell verarbeitete Nahrungsmittel konditionierter Mensch greift eher dazu als zu frischen Produkten und nimmt so oft auch wesentlich mehr Kalorien zu sich, als er verbraucht.
Die Folgen dieser Überernährung in den Industrieländern sind dramatisch. Allein in Deutschland sind laut Robert-Koch-Institut 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen übergewichtig. 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen sind sogar adipös, also stark übergewichtig. Das beginnt bei vielen schon in der Kindheit. In der Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen sind 3,2 Prozent der Mädchen und ein Prozent der Jungen adipös. Der Anteil steigt in der Altersgruppe der Elf- bis 17-Jährigen auf 7,2 Prozent (Mädchen) und 8,7 Prozent (Jungen). Laut Statista ist der Anteil übergewichtiger Kinder in den OECD-Ländern in den USA mit 43 Prozent am höchsten. Zum Vergleich: In Deutschland liegt ihr Anteil bei 28,7 Prozent. Das hat Folgen: Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ 2, die „Altersdiabetes“, orthopädische Probleme, Bluthochdruck, Leberverfettung und -entzündung sowie Gallensteine diagnostizieren schon Kinderärzte bei ihren jungen Patienten. Neben den gesundheitlichen Risiken führt das Überangebot an Nahrung auch dazu, dass viele Lebensmittel als Müll entsorgt werden, weil sie nicht verbraucht werden. Allein in Deutschland werden laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft jedes Jahr rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt: Obst und Gemüse, das nicht der Norm entspricht, oder Überproduktionen.
Während es in reichen Ländern also Lebensmittel im Überfluss gibt, sieht es in dem weitaus größten Teil der Erde ganz anders mit der Nahrungsversorgung aus. Der Klimawandel erhöht in Ostafrika das Risiko für Dürren und Heuschreckenplagen, warnt die Welthungerhilfe. Auch der Krieg in der Ukraine verschärft in vielen Ländern die Situation. Als „Getreidesilo Europas“ gehört die Ukraine zu den weltweit wichtigsten Exporteuren von Getreide. Der Krieg führt dazu, dass Landwirte in der Ukraine ihre Felder nicht mehr bestellen können. Der Ertrag sinkt, die Preise steigen.
Für Länder wie Äthiopien, Südsudan, Madagaskar, die Demokratische Republik Kongo und den Jemen ist das eine Katastrophe. Somalia hat 90 Prozent seines Weizenimports aus der Ukraine und Russland bezogen, Madagaskar und der Kongo bis zu 80 Prozent. Mit dem geringen Angebot steigen die Preise, die für viele Menschen nicht mehr bezahlbar sind. 2021 hungerten in Äthiopien, Madagaskar, dem Südsudan und dem Jemen rund 570000 Menschen. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl vervierfacht. Tendenz steigend.
Seit 2005 nahm die Zahl der Hungernden weltweit stetig ab. Das zeigt auch die Entwicklung des Globalen Hunger Index Scores, der derzeit bei 17,9 liegt – vor 20 Jahren lag er noch bei 28,0. Doch Krisen wie Krieg, Dürren und die Pandemie haben dazu geführt, dass seit 2019 die Zahl der Hungernden wieder zunimmt.
Während die Inflation sowie die Unterbrechung von Lieferketten und von Importen hierzulande bedeutet, dass sich die Lieferzeiten für Luxusgüter verlängern und die Nachfrage für Saisonlebensmittel wie Spargel oder Erdbeeren zurückgeht, ist das in den armen Ländern flächendeckend zu einer Frage des Überlebens geworden.
Reiche Länder wie Deutschland sind an der Misere mitschuldig. Nach Berechnungen der Forschungsorganisation Global Footprint Network hat Deutschland den „Overshoot Day“, also den Tag, an dem die natürlichen nachwachsenden Ressourcen pro Person verbraucht waren, in diesem Jahr am 4. Mai erreicht. 2021 war das der 5. Mai. Seitdem leben wir sozusagen auf Pump der Natur. Ein viel zu hoher Energieverbrauch, ein hoher CO2-Ausstoß durch Massentierhaltung und Verkehr sowie die Verschmutzung von Luft, Böden und Wasser haben dazu geführt.
Wenn die gesamte Bevölkerung der Erde einen vergleichbaren Verbrauch wie Deutschland hätte, bräuchte man drei Erden. Die USA, Kanada und die Vereinigten Arabischen Emirate haben den Tag bereits am 13. März erreicht, Katar hält auf dieser unrühmlichen Liste Platz 1 mit dem 10. Februar. Die einzigen afrikanischen Länder, die sich hier finden, sind Südafrika (1. Juni), Namibia (19. August) und Ägypten (11. November).
Die Folgen davon spüren nicht nur die ärmsten Länder mit Dürren. Auch in Europa gibt es mit Unwettern, Flutkatastrophen und Hitzesommern einen ersten Vorgeschmack, was uns erwartet. Langfristig wird sich das auch auf Ernten und die Ernährung auswirken.