Von wegen „abgehängt“

Sozialwerk Krefelder Christen installiert Lerntreff-Süd als Stütze in der Coronakrise

„Wir müssen dafür sorgen, dass die, die eh schon Probleme haben, jetzt nicht abgehängt werden“, sagt Hella Saternus. (c) Ann-Katrin Roscheck
„Wir müssen dafür sorgen, dass die, die eh schon Probleme haben, jetzt nicht abgehängt werden“, sagt Hella Saternus.
Datum:
18. Mai 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 20/2021 | Ann-Katrin Roscheck

Shirin ist zwölf Jahre alt und kommt aus dem Iran. Seit einigen Jahren lebt sie gemeinsam mit ihrer Familie in Krefeld. Die Eltern sprechen kein Wort Deutsch und immer wieder ist das Mädchen häuslicher Gewalt ausgesetzt. Shirin hat für eine Heranwachsende ihres Alters zu viele Ängste und Sorgen. 

Eigentlich, so wünscht sie sich, möchte sie sich wenigstens in der Schule beweisen, auch hier bei ihren Freundinnen Kind sein dürfen. Jetzt aber sind die Klassenräume immer wieder aufgrund der Pandemie geschlossen, und mit dem Homeschooling-Material kommt sie auch nicht hinterher – ist doch niemand da, der ihr helfen könnte.

Für Mädchen wie Shirin sind in diesen Tagen Angebote wie der neue „LerntreffSüd“ vom Sozialwerk Krefelder Christen e.V. besonders wichtig. „Denn gerade Corona sorgt dafür, dass junge Menschen, die es eh schon schwer haben, auf der Strecke bleiben“, weiß Geschäftsführerin Hella Saternus. „Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass diese jetzt nicht abgehängt werden.“

Hier im Sozialwerk Krefelder Christen finden sie im Lern- und Freizeittreff im Quartier Lehmheide eine Anlaufstelle. Seit Mai öffnen die pädagogischen Fachkräfte zwei Mal in der Woche im Rahmen des neuen Angebotes Lerntreff-Süd die Räumlichkeiten, um auf der einen Seite technische Geräte und WLAN für die jungen Menschen zur Verfügung zu stellen, auf der anderen Seite aber auch bei Problemen und Sorgen Ansprechpartner zu sein.

„Sie müssen sich vorstellen, dass viele Menschen hier im Viertel überhaupt nicht die Ausstattung haben, um zu Hause zum Beispiel am Homeschooling teilzunehmen oder auch um Bewerbungen zu schreiben“, erklärt Saternus. „Darüber hinaus sind auch oft Sprachbarrieren da. Kinder wie Shirin brauchen im Lernprozess Unterstützung. Aber auch junge Menschen mit internationalem Hintergrund sind in Bewerbungsprozessen oder bei anderen Anliegen auf Hilfe angewiesen.“


WLAN und Drucker als Lockmittel 

Aktuell ist für den Besuch des LerntreffSüds aufgrund von Corona eine Anmeldung erforderlich. Jeden Dienstag und jeden Donnerstag stehen für fünf Jugend- liche oder junge Erwachsene bis 27 Jahren Arbeitsplätze bereit. Die Nachfrage ist groß: Sowohl die eigenen Schulsozialarbeiter des Sozialwerks vermitteln aus der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule und der Robert-Jungk-Gesamtschule Schüler an den Lerntreff, als auch das Jugendamt und die Diakonie stellen Verbindung zu Familien her, in denen sie dringenden Bedarf sehen. Gleichzeitig ist ein Quartiershelfer im Krefelder Süden unterwegs, der durch Flyer, aber auch durch das persönliche Gespräch auf das neue Angebot hinweist.

Über den Kontakt zu den Schulsozialarbeitern ist auch Samir zum Treff gekommen. Der 13-Jährige besucht die Gesamtschule und hat Probleme, im Home- schooling mitzukommen. Aus Syrien stammend, lebt er gemeinsam mit vielen Geschwistern und seinen Eltern auf engem Raum zusammen. Das Internet ist durch die vielen Familienmitglieder oft überlastet und reicht nicht für Videokonferenzen mit Lehrern und Mitschülern. Bei Saternus und ihren Kollegen findet er Hilfe, vor allem in den Hauptfächern Mathematik, Deutsch und Englisch.

Ein anderes Anliegen hat der 20-jährige Daniel. Aufgrund von multiplen Vermittlungshemmnissen ist er aktuell arbeitslos. Seine eigenen Baustellen konnte er durch die Mithilfe der Sozialarbeiter beseitigen, jetzt gilt es, eine berufliche Perspektive zu finden. Daniel ist dabei auf Anleitung angewiesen: Mit den pädagogischen Fachkräften vor Ort schreibt er im Lerntreff-Süd seine Bewerbung für das Berufskolleg. Auch über den Lerntreff hinaus wird der 20-Jährige vom Sozialwerk Krefelder Christen unterstützt. 
Insgesamt gehören rund zwölf Dauerprojekte zur Einrichtung dazu. Hat Daniel in der Vergangenheit im Casemanagement auf Initiative des Jobcenters das Sozialwerk kennengelernt, wird er zukünftig auch Coaching im Haus wahrnehmen, um die eigenen Kompetenzen besser kennenzulernen und sich im Beruf besser zu orientieren.

„Uns hilft der Lerntreff-Süd auch, um Kontakt mit den Menschen aus dem Viertel aufzunehmen“, erklärt Saternus. „WLAN oder ein Drucker im Haus sind da ein gutes Lockmittel.“ Finanziert wird der Lerntreff vorerst über Fördergelder aus dem Integrationsfonds der Stadt Krefeld, der bis Ende November das Projekt trägt. Saternus’ Stelle dagegen wird unter anderem aus der Solidaritätskollekte des Bistums getragen, die immer am 2. Mai in den Gemeinden eingesammelt wird.

Gibt es das Sozialwerk Krefelder Christen inzwischen seit mehr als 30 Jahren in Krefeld, arbeiten heute rund 38 Menschen für die Einrichtung. „Ich bin dabei der Stamm, an dem alle Äste zusammenlaufen“, beschreibt es Hella Saternus. „Würde es meine Stelle, durch das Bistum finanziert, nicht geben, könnten alle anderen Äste auch nicht wachsen.“

Weitere Informationen zum Lerntreff-Süd und den Angeboten des Sozialwerks Krefelder Christen e.V. finden sich auch online auf der Webseite 
www.sozialwerk-kr-ch.de.