Von der Kunst zu berühren

Peggy Kanacher hat, inspiriert durch ihre Ausstellung in der Marienkapelle, ein Buchprojekt gemacht.

Peggy Kanacher mit ihrer Skulptur „Gegenwind“, die symbolisch für Standhaftigkeit ist. (c) Dorothée Schenk
Peggy Kanacher mit ihrer Skulptur „Gegenwind“, die symbolisch für Standhaftigkeit ist.
Datum:
4. Feb. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 06/2020 | Dorothée Schenk

Gut Ding braucht Weile. Eine Ausstellung in der Marienkirche in Düren mit Werken der Niederzierer Künstlerin Peggy Kanacher war der Auslöser für ein Buchprojekt. Jetzt – sieben Jahre später – wurde es vollendet. Ort der Vorstellung war erneut die Marienkirche. Der Grund ist die Lebenshaltung: Kunst und Spiritualität gehören unbedingt zusammen.

Leiden hängt von der Entscheidung ab. Toni Straeten mit der etwas anderen Kreuzdarstellung der Künstlerin. (c) Dorothée Schenk
Leiden hängt von der Entscheidung ab. Toni Straeten mit der etwas anderen Kreuzdarstellung der Künstlerin.

„Anfassen. Erkennen. Festhalten“. So lautete der Titel des 122 Seiten starken Buches, das aus dem Wunsch der Ausstellungsbesucher gewachsen ist, mehr von den Werken zu begreifen – im Sinne von verstehen. Ganz wichtig ist es der Künstlerin nämlich, dass die Besucher der Ausstellungen im Wortsinne „in Berührung“ mit ihren Skulpturen kommen. Aber das Erfassen bedeutet noch nicht das Verinnerlichen der Intention. Daher das Buchprojekt, zu dessen Vorstellung die Künstlerin und Gastgeber Toni Straeten, Pfarrer i.R. und aktiv in der Lebens- und Trauerhilfe, unter den bezeichnenden Titel „…und Himmel und Erde berühren sich doch“ eingeladen hatten.

Peggy Kanacher nimmt den Betrachter einerseits mit auf eine Reise zur Kunst – fast 50 spirituelle und profane Werke sind dokumentiert –, und andererseits auch zu einer Reise in die Innenwelt der Kunst. Erläuternde Texte sind den Abbildungen beigefügt und geben dem Lesen bei den zuweilen irritierenden oder auch verstörenden Werken Halt und Orientierung. Ihre Kreuze sind ein gutes Beispiel dafür: etwa die Bronzefigur, die von einem Plexiglas-Kreuz durchbohrt wird. Erst der beigefügte Text macht verständlich, dass hier keineswegs ein „gepfählter Christus“ gemeint ist, sondern „ein Mensch, der von einem Schicksal durchbohrt ist“, erklärt Peggy Kanacher. „Wenn wir etwas Schlimmes erleben, geht es uns mitten durchs Herz. Das Kreuz tritt in den Hintergrund, es ist nicht vordergründig sichtbar, so dass jeder Betrachter die Möglichkeit hat, seinen eigenen Schmerz in das Kreuz hinein zu interpretieren.

Toni Straeten besitzt ein Werk der Bildhauerin, das im Buch unter der Überschrift steht: „Leiden hängt von der Entscheidung ab“. Es ist ein Plexiglaskreuz, auf das im Siebdruckverfahren ein Bibeltext aufgebracht ist. Der Korpus ist nicht der Sehgewohnheit folgend im Zentrum des Geschehens. Er hängt an einer Hand am linken Kreuzbalken. Die Figur kann abgenommen werden. „Bei der Kunstausstellung haben wir den Korpus herumgereicht“, erzählt Straeten. „Da kam es zu beeindruckenden Erlebnissen. Es berührt mich einerseits in meinem Schmerz – gleichzeitig ist da aber auch die Hoffnungsdimension. Es war eine bemerkenswerte Stille.“

„Meine Intention ist es nicht, nur dekorative Kunst zu schaffen“, erläutert Peggy Kanacher. „Es ist für mich wichtig, als praktizierender Christ eben dieses Symbol der Christenheit immer wieder neu zu entdecken, neu darzustellen, um Christus auf der Spur zu sein. Zu überlegen: Wo stehe ich in meinem Leben, welche Möglichkeiten habe ich, da mal wieder anzufassen. Und nicht abzuwarten, wenn mich ein schwerer Schicksalsschlag trifft, wenn das Leben brüchig wird, mich dann zu besinnen. Ich habe bei einer Ausstellung Folgendes erlebt: Da stand das Kreuz und eine Gruppe war weiter entfernt – mit Abstand. Dann das Näherkommen… ,Da hängt ja einer!’ Erstmal sieht man das Kreuz nicht. Sie gehen also einen Schritt näher: ,Da steht auch was!’ Und schon bin ich im Thema. Dann kommt der Schlussakkord: Man kann das auch noch abnehmen und in die Hand nehmen. Es sind verschiedene Schritte der Wahrnehmung und des Erkennens. Das ist mir wichtig.“

Info:

Im Selbstverlag herausgegeben ist das Buch zur Kunst ab sofort in der Dürener Buchhandlung Decker, an der Oberstraße 9, zum Preis von 30 Euro zu erwerben.