Von der Kanzel in die Bütt

Geweihte sind oft eingebunden in den Karneval vor Ort – eine gegenseitige Wertschätzung

Eine Persiflage auf tratschende Gottesdienstbesucherinnen brachten die Pfarrer Hannokarl Weishaupt, Michael Datené und Andreas Züll 2017  in Eschweiler auf die Bühne. (c) Andrea Thomas
Eine Persiflage auf tratschende Gottesdienstbesucherinnen brachten die Pfarrer Hannokarl Weishaupt, Michael Datené und Andreas Züll 2017 in Eschweiler auf die Bühne.
Datum:
15. Feb. 2023
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2023 | Dorothée Schenk

Landauf, landab schallt es in diesen Tagen: „Alaaf“, „Halt Pohl“ „Jehan Alaaf“ und „Breetlock“. Wenn auch die Rufe unterschiedlich sind, gleich ist doch, dass die fünfte Jahreszeit mit dem Tulpensonntag und Rosenmontag ihren Höhepunkt erreicht – darin sind auch die Kirchen und ihre Geweihten eingebunden. 

Längst ist es keine Seltenheit mehr, dass die Mundart und Verkleidete zu Karneval in die Gotteshäuser einziehen und gemeinsam „hellije Mess“ gefeiert wird. Ob in Meerbusch am Niederrhein oder in Simmerath in der Eifel. Zu einem Urgestein dieser Gottesdienste in der „Muttersproch“ gehört Helmut Macherey aus Niederzier-Ellen, der, inzwischen selbst über 80 Jahre alt, im 18. Jahr mit der KG Ulk Jülich am Rosenmontag in der Pfarrkirche „op Platt“ betet und singt. Diakon Arnold Hecker aus Titz gehört zu den Feierfreudigen, die auch schon mal verkleidet in die Kanzel steigen und damit „de Bütt“ ein Stück weit Kirchenraum geben. Gefragt, warum der liebe Gott platt sprechen sollte, hat er einmal gesagt: „Weil Gott den Menschen an allen Orten, in allen Sprachen, zu allen Zeiten nahe war und ist. Das bedeutet für unser Rheinland dann folgerichtig: Wer ‚kölsch‘ denkt, lebt und fühlt, bekommt auch in seiner Sprache eine Antwort.“

Bischof Helmut Dieser hat im jüngsten Interview für „KarnevalinAachen.de“ ein Bekenntnis zum Karneval abgelegt. Er formuliert, dass Karneval gut für die Seele ist, „weil er hilft, Dinge zu verarbeiten, die sonst viel zu hart sind. Ich glaube wirklich, je ernster die Zeiten sind, umso mehr brauchen wir den Karneval, weil bestimmte Zeiterscheinungen dem Leben widerstreben.“

Zur kabarettistischen Kunst erhoben hat Diakon Willibert Pauels die Kunst, „Karneval und Kirche“ zu verbinden. Denn das Engagement einiger Geweihter hat längst die Kirchenmauern hinter sich gelassen. Als Feldkaplan war Pfr. i. R. Ralf Freyaldenhoven einst mit der KG Brander Stiere auf dem Zug durch die Säle gezogen und hat begeisternde Kanzel-Büttenpredigten gehalten.

Berufene, die nicht nur mittendrin, sondern auch vorneweg sind

Aktuell ist Pfarrer Jürgen Frisch schlecht zu erreichen, da er die Priesterkluft mit der Gardeuniform tauscht und als Feldkaplan der Traditionellen Funkengarde Blau-Weiß der Erkelenzer Karnevalsgesellschaft von 1832 e. V. durch die Säle zieht. Warum er das tut? Seine Überzeugung gibt es schriftlich im Pfarrbrief nachzulesen: „Als Christen haben wir Grund zur Freude und zum befreiten Lachen, denn wir sind ‚frei in Christus‘, erlöst vom Bösen, sogar von der vernichtenden Macht des Todes. Darum dürfen wir diese Karnevalszeit und ihre Freude genießen und herzhaft lachen (übrigens die schönste Form, dem anderen die Zähne zu zeigen…).“

Manch ein Berufener ist aber gerne nicht nur mittendrin dabei, sondern auch vorneweg wie Sven Riehn, Gemeindereferent in der GdG Selige Helena Stollenwerk. Er hat als Präsident der KG Mönsterböscher Jonge in Stolberg die Narrenkappe auf. Der frisch wiederbenannte Regionalvikar von Heinsberg Markus Bruns gehörte auch zu den „Frontmännern“: Er sorgte 2018 mit Pfarrvikar René Mertens und dem evangelischen Pfarrer Martin Jordan als Dreigestirn für einige Aufmerksamkeit. 

Verkleiden oder nicht verkleiden,  das ist die Frage

Pfarrer Hans-Georg Schornstein war 1997 Prinz Karneval. (c) privat
Pfarrer Hans-Georg Schornstein war 1997 Prinz Karneval.

Überzeugter Karnevalist und auch mal Prinz Karneval gewesen ist auch Pfarrer Hans-Georg Schornstein, inzwischen in Aachen für die „Ansprechbar“ zuständig. „Schon als Kind war ein heimlicher, unerfüllbarer Wunsch, Kinderprinz in Büsbach zu werden“, verrät Pfarrer Schornstein lachend. „Das habe ich dann nachgeholt, als ich den Kinderschuhen schon entwachsen war.“ Nämlich 1997 im Eifel-ort Roetgen. „Es war klar: Sollte ein seelsorglicher Fall dazwischen kommen, wird das Zelt ‚stante pede‘ verlassen, und die Rückkehr war ungewiss. Mit dieser Freiheit im Rücken konnte ich das Amt annehmen.“ Und es hat ihm ungeheuer Spaß gemacht: „Das wirkt immer noch jedes Jahr nach“, sagt er lachend und ergänzt: „Zum Glück muss ich dafür keine Vergnügungssteuer bezahlen, sonst wäre ich arm wie eine Kirchenmaus.“ Karneval liegt ihm im Blut, sagt er, und er mag es auch, sich zu verkleiden. Augenzwinkernd erzählt er: „Gestern beim Seniorenkarneval bin ich als Schornsteinfeger gegangen.“

Fürs Verkleiden ist Pfarrer Hannokarl Weishaupt nicht. „Ich bin immer als Priester zu erkennen – in Schwarz mit Römerkragen“, sagt er lächelnd. Trotzdem ist er ein Freund des Karnevals und hält es mit Papst Johannes Paul II., den er so zitiert: „Man soll sich mal nicht so ernst nehmen. Das bringt der Karneval gerade so schön zum Ausdruck.“ Darum geht er traditionell mit seinem Amtsbruder Michael Datené bei den Karnevalssitzungen der katholischen Frauengemeinschaft (KFD) in Eschweiler auf die Bühne. „Es macht schon Freude, in einer Büttenrede das Lokalkolorit auf die Schippe zu nehmen – ob in der Stadtpolitik oder im kirchlichen Leben. Auch über die Priester und Pfarrer, die ihren Dienst tun, zu sprechen und deren Schwächen ein wenig herauszustellen.“ Ganz in der Tradition des Narren, der den Spiegel vorhält.

Weniger politisch, denn unterhaltend möchte Pfarrer Michael Datené sein und erinnert sich lachend an ein Tanzpaar, dass er mit einem etwas korpulenten Amtsbruder „gab“, wobei letzterer das Mariechen war. Der „Gardeoffizier“ räumt ein: „Die Hebefiguren haben wir nur angedeutet – aber das wurde sogar in der ‚Aktuellen Stunde‘ gezeigt.“ Meist lässt er sich von Gesehenem inspirieren, das dann auf die örtliche Situation angepasst wird. Für Pfarrer Datené ist Karneval ein Stück Leben, „und in der Kirche geht es um das Leben. Wir sind gekommen, dass wir das Leben in Fülle haben. Da gehört auch der Karneval dazu. Im Karneval geht es um Freude, und im Glauben soll es auch um Freude gehen – so passt das bestens zusammen.“

Die finale Frage, die viele Gläubige umtreibt, stellte „Karneval in Aachen“ Bischof Helmut: „Darf man lustig und ausgelassen Karneval feiern, wenn in der Nachbarschaft Krieg herrscht?“ – „Das darf man, ohne den Krieg zu vergessen oder ihn zu verharmlosen. Wir müssen uns weiter damit auseinandersetzen. Und das geht ja in angemessener Form auch im Karneval, wenn er es schafft, dass die Menschen sich von all dem Widersinnigen und Unmenschlichen des Krieges distanzieren können.“

Was Bischof Helmut Dieser außerdem zum Thema „Karneval“ zu sagen hat, ist auf "Karneval in Aachen" nachzulesen.