Mit einer Delegation ist Bischof Helmut Dieser jetzt nach Kolumbien gereist, um sich über den Stand der seit mehr als 60 Jahren bestehenden Partnerschaft mit dem Bistum Aachen zu informieren. Bei dieser Reise standen nicht nur offizielle Gespräche mit Vertretern der Kolumbianischen Bischofskonferenz auf dem Programm. Vielmehr sollte es auch um die Menschen gehen, die sich in vielfältiger Weise für das Thema Frieden und Versöhnung oder die Teilhabe von Menschen mit Behinderung einsetzen.
Zudem begab sich die Delegation in das Flüchtlingsviertel Cazucá, das sich am Rand der Millionenstadt Bogotá befindet. Dort betreiben die Schwestern vom armen Kinde Jesus eine „pädagogische Werkstatt“, um Kinder und Jugendliche an die Bereiche Tanz, Theater, Musik, Handwerk oder Informatik heranzuführen.
Sie ist lebendig, sehr lebendig, diese Partnerschaft. Und das soll weiter so bleiben. Das sicherten sich die Kolumbianische Bischofskonferenz und Bischof Helmut Dieser zu. Als äußeres Zeichen erhielt die Delegation aus dem Bistum Aachen eine Replik des Schwarzen Christus von Bojayá. Der verstümmelte Korpus erinnert daran, dass am 2. Mai 2002 mehr als 100 Menschen – darunter 45 Kinder – bei einem Angriff der FARC-Guerilla auf eine Gruppe der Paramilitärs starben, als eine Bombe in der Kirche von Bojayá explodierte. Seitdem steht der verkohlte Korpus des Kruzifixes für den Willen nach Versöhnung.
Es waren sehr persönliche Begegnungen während des zehntägigen Besuchs. Etwa in den beiden deutschsprachigen christlichen Gemeinden St. Miguel und St. Mateo. Dort sind auch Erwin und Luise Marwan beheimatet. Beide sind als junges Ehepaar vor 58 Jahren nach Kolumbien gekommen und nie wieder gegangen. „Wir sind hier, weil wir uns wohl fühlen“, betonen beide.
Durch die Partnerschaft werden bereits seit vielen Jahren Freiwillige im Rahmen des Sozialen Dienstes für Frieden und Versöhnung nach Kolumbien entsandt. Aus diesem Freiwilligendienst heraus entstand im Jahr 2004 aufgrund einer Initiative von zwei Kolumbianern und einer deutschen Sonderpädagogin die gemeinnützige Organisation „Corporación Sueños Especiales“.
„Frieden beginnt immer da, wo Menschen sich wertschätzend begegnen, versuchen, einander zu verstehen, miteinander diskutieren und mutig handeln. Immer wieder. Jeden Tag aufs Neue. In jeder Begegnung. Ein ganzes Leben lang. Dann erst wird wirklicher Frieden greifbar und spürbar“, zeigt sich Karin Witting, Gemeindereferentin aus Mönchengladbach, nachhaltig beeindruckt und hofft für die Menschen, dass sie endlich in Frieden leben können.
Frieden bedeutet aber auch soziale Gerechtigkeit und Teilhabe. So standen auch soziale Projekte etwa in Cartagena auf dem Besuchsplan. „Wir sind das soziale Gesicht der Erzdiözese und wollen eine Mauer gegen den Hunger bauen.“ Mit diesen Worten stellten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafel „Banco de Alimentos“ ihr Projekt vor. Sie wurde vor 22 Jahren gegründet und möchte Antworten geben auf die Notsituation in der fünftgrößten Stadt Kolumbiens. Es existiere – obwohl Cartagena eine reiche Stadt sei – eine massive Schere zwischen Arm und Reich. Geschätzt lebten zirka 1500 Menschen auf der Straße. Viele Familien könnten „gerade so“ den Hunger überleben. Aus diesem Grund verteilt die Tafel Lebensmittelpakete an ihre Partnerinnen und Partner vor Ort und hat während der Coronapandemie Gemeinschaftsküchen errichtet, um Kinder, Seniorinnen und Senioren und weitere Bedürftige mit Mahlzeiten zu versorgen.
Die Tafel ist nur eines von vielen Projekten, die von der Sozialpastoral in der Erzdiözese Cartagena angeboten werden. Mit „Sepamive“ (Servicio Pastoral a los Migrantes Venezolanos) kümmert sich eine Initiative um Flüchtlinge aus Venezuela. Aktuell sind 2,8 Millionen Menschen aus dem Nachbarland offiziell registriert. Hiervon leben mehr als 72000 in Cartagena. Mit „Talitha Qum“ hat die Aachener Delegation noch ein drittes Projekt besucht. Es setzt auf Prävention und Hilfe und will Mädchen vor (sexueller) Ausbeutung schützen.
Von der Vielfalt, der Schönheit und den oft großen Gegensätzen im Land zeigt sich am Ende der Reise auch Markus Offner, Bischöflicher Beauftragter für die Kolumbienpartnerschaft, tief beeindruckt: „Mich motiviert das sehr, als Koordinator weiterzumachen und diese wichtige Arbeit fortzusetzen.“
Was hat Sie während dieser Reise am meisten beeindruckt?
Bischof Dieser: Ich kann nur staunen, wie nah die Kirche in diesem Land an den Menschen dran ist und ihnen in vielfacher Weise dient. Diesen Eindruck habe ich an allen Orten, die wir in den vergangenen zwei Wochen besucht haben, gewinnen können. Dieses Land ist von krassen Gegensätzen geprägt. Auf der einen Seite existiert eine große Mentalität der Gastfreundschaft und Herzlichkeit, mit der uns die Menschen aufgenommen haben. Auf der anderen Seite waren wir aber auch immer wieder mit Schilderungen von Armut, Gewalt und unfassbar prekären Verhältnissen konfrontiert. Die Kirche schafft es, genau in diese Gegensätze hineinzugehen und diese Widersprüche zu mildern. Auf diese Weise leistet sie einen segensreichen Dienst für die Humanisierung der Gesellschaft und die Glaubwürdigkeit der Kirche.
Was wünschen Sie den Menschen in Kolumbien für die Zukunft?
Bischof Dieser: Ich wünsche den Menschen, dass eines Tages der Frieden überall sein wird und das Land mit all seinen Schönheiten aufblühen kann. Auf dem Weg dahin kann auch die Kirche Hilfe, Zuwendung und Menschlichkeit spenden.