Von Wertschätzung und Beichtbus

Orte der Begegnung, die durch Kirche getragen werden, standen im Mittelpunkt des zweiten Themenforums

Mittendrin statt nur dabei: Bischof Helmut Dieser. (c) Bistum Aachen/Andreas Steindl
Mittendrin statt nur dabei: Bischof Helmut Dieser.
Datum:
18. Juni 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 25/2019 | Dorothée Schenk

„Jesus überall begegnen“ war das Leitmotiv des zweiten Themenforums im synodalen „Heute-bei-dir“-Prozess, zu dem sich rund 150 Teilnehmer in der Eifel trafen.

Auf papiernen Tischdecken stehen mit Filzstift festgehalten Worte wie „wertfrei, auf Augenhöhe“, „Realität wahrnehmen“ und „mutig“, „Einrichtungen als Ort des interreligiösen Dialogs und interkultureller Begegnung“, aber „auch mal dankbar sein für das, was ist“. Ein kleiner Ausschnitt aus dem, was die Gruppen in den sogenannten „World-Cafés“ zusammengetragen haben unter dem Stichwort „Das möchte ich der Teilprozessgruppe mit auf den Weg geben“. Von großer Offenheit waren die Gesprächsrunden geprägt und können damit als Impulsgeber eine wichtige Rolle für den Prozessfortgang spielen. „Eine große Energie und Freude“, wie es Bischof Helmut Dieser in seiner Begrüßung formulierte, war in der Aula der Clara-Fey-Schule in Schleiden zu spüren. Hier waren Menschen eines Geistes zusammen und in Aufbruchstimmung, die auch in den sieben Stunden Diskussionen und Austausch keine Ermüdungserscheinungen zeigten.

 

Bildhafte Erkenntnisse

Zu allererst ist diese Phase des Prozesses spürbar eine Bestandsaufnahme, denn die weiteren Arbeitsaufträge auf den „Tischdecken“ waren „Was hat mich besonderes angesprochen?“ und „als Ergänzung kann ich bieten“. Es ist ein Abfragen der Gemütsverfassung der Menschen, die im „System Kirche“ arbeiten, ehrenamtlich engagiert sind oder sich verbunden fühlen und einbringen. Die Fragestellung des zweiten Forums lautete, wie man im Kindergarten, der Schule, in Jugend- und Bildungseinrichtungen und den vielen anderen Orten Jesus begegnet. Wie wird die Gelegenheit geschaffen, und wo ist Handlungsbedarf? Als Grundlage dienten anschaulich und ausdrucksstark „Grafic Recordings“, landläufig dereinst als Schaubilder bekannt. Aber auch das ist Teil des Prozesses: die Sprache der Kirche der Moderne anzunähern. Die Grafiken erzählten im wahrsten Sinne die Erkenntnisse, die in den Teilprozessgruppen bis zu diesem Tag gewonnen und formuliert worden waren. Beispiel: Wie Zahnräder miteinander verwoben stellte sich der Begegnungsraum Kindergarten dar. Ein dunkler Baum dominierte den Bereich „Schule“ – zu Unrecht, wie die Diskutanten befanden. Gleichzeitig aber eben auch „Stoff“, aus dem guter Austausch wachsen kann.

 

Profanes Fazit

Natürlich kann auch das Rad in einer Kirche nicht neu erfunden werden: Profilkirchen waren eine Forderung, eine bessere Vernetzung zwischen Gemeinden und Einrichtungen und immer wieder die Vokabeln „Wertschätzung“ und „Respekt“ im Umgang mit sich selbst und den anderen waren ein Thema. Sicher begeisternd ist die Vielzahl an Ideen, die darüber hinaus zusammengetragen wurde, etwa: Kirche soll mobil sein – im Beicht-, Gebets- oder Seelsorgebus, Kirche auf dem Marktplatz, im Büro, Popup-Kirchen – angelehnt an das Geschäftsmodell, bei dem schnell ein Laden mit minimalistischen Mitteln ausgestattet und eröffnet wird und ebenso zügig wieder verlassen werden kann. „Gemeinschaft von Gläubigen braucht nicht zwingend einen Raum – der Geist ist wichtig“, lautet die Erkenntnis. Allerdings – so profan es auch sein mag – übereinstimmend war das Fazit: Eine bessere Öffentlichkeitsdarstellung ist wichtig, um eine Wahrnehmung der Werte, für die Kirche steht, darzustellen, vor allem aber Geld und Personal. Ohne diese grundsätzlichen Ressourcen sind die Chancen auf Erfolg gering, und die Frage steht im Raum, die in einer Gesprächsrunde formuliert wurde: „Heute bei dir – morgen woanders…?“

Zitate

Bischof Helmut Dieser

„Ich bin sehr angetan davon, dass die Gruppen so intensiv und so qualitätvoll gearbeitet haben. Was sie heute hier präsentiert haben, was ja hauptsächlich ehrenamtlich erarbeitet ist, kann sich richtig sehen lassen; das hat hohes Niveau. Das zweite, das auffällt, ist das große Engagement: Die Menschen wollen wirklich etwas bewegen und gestalten und brennen dafür, dass Glauben und Kirche vorkommt an diesem besonderen Ort. Das muss man intensivieren, und da ist noch viel Luft nach oben, die wir nutzen sollten. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der das Selbstverständliche geschieht, sondern wir sind in einer Zeit, in der neu ausgesät wird.“

 

Studentin Barbara Vraatz „Kirche an anderen Orten“

„Ehe ich zum Studium ,Soziale Arbeit‘ nach Aachen gegangen bin, war ich in der Jugendkirche St. Elisabeth Krefeld engagiert. Hier haben wir monatlich Gottesdienste angeboten und Aktionen wie eine Konzertnacht. Ich begegne Jesus sonntags im Hochschulgottesdienst, aber die Überlegung in der Runde heute morgen war: Wo ist es noch möglich, Begegnung mit Jesus in den Alltag zu integrieren? Wo gibt es neue Räume oder kann man Gelegenheiten schaffen, um Menschen zu begegnen und mit ihnen über Gott zu sprechen oder einfach für sich selbst mit Gott in Kontakt zu kommen? Wir sollten die Menschen abholen, wo sie sind: Studenten in der Hochschule, wir sollten an den Arbeitsplatz gehen, oder wie hier in der Eifel dahin, wo Menschen touristisch unterwegs sind.“

 

Profinos-Geschäftsführer Thomas Pick,

„Kindertagesstätten als Orte von Kirche“ „Jesus überall begegnen – ich mach das oft im Gottesdienst. Ich spiele Orgel, nebenberuflich als Hobby und eben in den Gottesdiensten. Das erlebe ich als große Bereicherung. Im Beruf versuche ich Mitarbeiterinnen in Einrichtungen so zu stärken, dass sie im Glauben gefestigt sind und dadurch auch den Glauben an die Kinder und Familien weitergeben können, um dort die Begegnung mit Jesus möglich zu machen. Als Privatmann ist das leichter, weil man in ,Profinos‘ 560 Mitarbeiter im Blick haben müsste.“

 

Helmut Schuster, Leiter der Clara-Fey-Schule „Schulen als Orte von Kirche“

„Ich möchte es erweitern: Jesus begegnen in der Schule… Clara Fey ist im letzten Jahr selig gesprochen worden, und hier begegnen unsere Schüler permanent dem Leben von Clara Fey. Clara Fey verkörpert viel von dem, was Jesus auch verkörpert – im weitesten Sinne Nächstenliebe. Da begegnen unsere Schüler täglich in jedem Raum diesem Jesus, vielmehr der Botschaft im Vermächtnis der Clara Fey. Ich finde: Das ist eine starke Begegnung. Besondere Räume wie ein Raum der Stille oder Gottesdienste sind ja nur eine Form. Ich denke, dass wir für uns in Anspruch nehmen können, dass unsere Kinder im täglichen Leben, im Miteinander immer wieder jeden Tag Jesus begegnen. Es ist der Geist, der es ausmacht. Wenn ich beispielsweise zu Besuch in einer anderen bischöflichen Schule bin, dann weiß ich sofort: Da bin ich zu Hause.

 

Diplom-Pädagogin Martina Schütz-Berg „Jugend- und Bildungseinrichtungen als Orte von Kirche“

„Letztes Wochenende haben wir die Einweihung des Jugendcafés im Papst-Johannes-Haus in Düren gefeiert – als Teil des Innovationsprozesses. Es ist mitten im Herzen, in den besten Räumlichkeiten des Hauses. Alle kirchlich sehr Engagierten und Würdenträger haben gesagt: Wieso bekommen diese Jugendlichen die besten Räume und wir nicht? Eigentlich glaube ich, dass es genau das ist, was Jesus gemacht hat: Er ist immer zu denen gegangen, die am wenigstens Lobby hatten. Das ist genau das, was wir machen müssen. Das macht mir immer wieder Spaß – mehr als Projektanträge, Gremienarbeit, die man ja auch machen muss – aber diese Arbeit in der Einrichtung, wenn ich mit Kindern und Jugendlichen umgehe.“

Eindrücke vom Themenforum

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