Von Stärken, Niederlagen und der Freude am Kochen

Bischof Helmut Dieser feiert 60. Geburtstag unter anderem mit einem Pontifikalamt im Aachener Dom

(c) Archiv/Stefan Wieland
Datum:
12. Mai 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 19/2022

Kirche, so die Überzeugung des Bischofs, müsse auf die Menschen in ihren Lebenswirklichkeiten zugehen und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Dabei kann Seelsorge ihnen ermöglichen, mit ihrem Glauben und Jesus Christus neu in Berührung zu kommen. Über ihren weiteren Weg können sie dann frei entscheiden. So kann es gelingen, in der säkularen, pluralen und liberalen Gesellschaft wieder gemeinsam Kirche zu sein. Der runde Geburtstag bietet den willkommenen Anlass für Marliese Kalthoff und Anja Klingbeil, dem Aachener Bischof ein paar persönliche Fragen zu stellen.  

Herr Bischof, was bedeutet für Sie Freundschaft? 
Einen ganz verlässlichen Halt im Leben. 

Wann empfinden Sie Glück? 
Zum Beispiel in harmonischen Situationen mit Freundinnen und Freunden. Wenn wir miteinander lachen können, auch über ausgefallene und sonderbare Dinge. Aber auch über eigene Verhaltensweisen. Es ist wichtig, über sich selbst lachen zu können. Das ermöglichen Freunde. Sie helfen auch, dass wir Gedanken, Gefühle, das, was uns bewegt, besser bewältigen können. Das sind für mich Glücksmomente, in denen Schweres auf einmal leicht wird, weil ich es mit anderen teilen und von einer anderen Seite sehen kann.   

Fällt Ihnen eine besonders humorvolle Situation ein? 
Etwa, wenn mich meine Freunde karikieren. Sie halten mir dann einen Spiegel vor, zeigen mir, wo meine Stärken und Schwächen liegen. Darüber kann ich lachen und sagen: „Ja, das stimmt.“ Das finde ich ganz wichtig, manche Dinge mit Humor zu nehmen. 

Wo liegen Ihre Stärken? 
Ich höre gerne zu, bin gerne im Dialog mit Menschen und stelle mich der offenen Diskussion. Dabei möchte ich Anteil nehmen daran, was in den Menschen vorgeht, was sie denken und fühlen. Und ich möchte wissen, wie ein Sachverhalt sich darstellt. So gehe ich den Themen und Fragen der Menschen gerne in Gesprächen auf den Grund. 

Und sicherlich hat auch ein Bischof Schwächen. Welche? 
Ja, sicher. Meine Freunde kennen sie gut und spiegeln sie mir zurück. Sie sagen zum Beispiel: „Jetzt nimm dich und deine Sache mal nicht so wichtig.“ Etwa in Situationen, in denen ich vielleicht zu viel erreichen will.  

In solchen Situationen kommt es vielleicht auch zu Niederlagen. Wie gehen Sie damit um? 
Ich brauche eine Zeit, um Niederlagen zu verdauen. Dabei helfen mir auf der einen Seite die Menschen, die mir nahe stehen. Aber dann gibt es auch eine andere wichtige Dimension: das Gebet. Da ist die Freundschaft, die Gott mir immer wieder anbietet und die in Jesus konkret geworden ist. Wenn mich Begegnungen, Situationen, Äußerungen sehr aufwühlen, mich in Frage stellen, verärgern oder vielleicht sogar verletzen, ist meine erste Zuflucht das Gebet. Umgekehrt gilt das auch für Erlebnisse, Begebenheiten, die gelungen sind. Dann habe ich das Bedürfnis, mich bei Gott zu bedanken. 

Mögen Sie Ihren zweiten Vornamen? 
Ja, sehr gerne sogar. Mein zweiter Vorname Karl geht zurück auf Karl Borromäus. Aber vor allem erinnert er mich an meinen Großvater, der auch Karl hieß.

Womit konnten Sie Ihre Eltern als Kind immer wieder aufregen? 
(lacht) Ich hatte schon als Kind einen starken Willen. Wenn ich etwas unbedingt wollte und die Widerstände bei meinen Eltern auch entsprechend waren, habe ich schon mal ausprobiert, wer zuerst nachgibt, sie oder ich.

Wer hat gewonnen?
Manchmal ich. (lacht)

(c) Kirsten Röder/Agentur ProfiPress

Sie haben eine ältere Schwester. Was würde sie heute über Sie sagen? 
Ich vermute, wenn sie mich so reden hört, würde sie sagen: „So kenne ich ihn.“ Sie ist älter als ich. Sie ist die Person, mit der ich im Leben am allerlängsten zusammen bin, weil sie mich seit meiner Geburt kennt. Das war bei den Eltern auch so, aber die Eltern verlassen einen früher als die Geschwister. Von daher kennt sie mich durch und durch. Sie würde also mit Sicherheit schmunzeln über das, was ich gerade erzähle.

Waren Sie ein guter Schüler? 
Ich denke schon. Ich habe immer den Anspruch gespürt, es gut zu machen in der Schule. Ich habe aber zum Beispiel sehr schnell gemerkt, schon in der Grundschule, dass Mathematik nicht mein Lieblingsfach sein wird. Schreiben, lesen und mit Sprache umzugehen, das liegt mir sehr viel mehr. 


Von welchem Beruf haben Sie als Kind geträumt?  
Als ganz junges Kind wollte ich Tierarzt werden. Dann wollte ich lange Zeit Lehrer werden.

Können Sie kochen?
Ich koche sehr gerne. Es hilft mir insbesondere am Wochenende, mich zu entspannen. Ich lade auch gerne Gäste ein, um für sie zu kochen. Da wage ich mich auch an neue Rezepte heran. Manchmal verschätze ich mich mit der Zeit für die Vorbereitungen – aber ich bin ja kein Profi.

Wie verbringen Sie Ihren Geburtstag? 
In diesem Jahr ist es zum Glück wieder möglich, mit Gästen zu feiern. Ich freue mich auf meine Familie und Freunde. Und auch mit den Mitarbeitenden und den Menschen, mit denen ich eng zusammenarbeite, werde ich Gelegenheit haben, anzustoßen. Wir beginnen am Sonntag mit der heiligen Messe um 11.45 Uhr im Aachener Dom. 

Was ist Ihr größter Wunsch zum 60.?  
Angesichts der aktuellen Situation vor allem: dass Krieg und Gewalt bald ein Ende haben! Ich hoffe für die Welt, dass wir die Werte der Europäischen Union – Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie – sichern können. Für unser Bistum erhoffe ich mir, dass unser „Heute bei dir“-Prozess tatsächlich der Beginn eines Paradigmenwechsels ist. Wenn wir uns als Kirche neu herausfordern lassen und die Zeit, in der wir stehen, rundum bejahen, dann können wir uns verändern. Dazu müssen wir auch akzeptieren, dass es heute andere Bedingungen für das kirchliche Leben gibt, als es sie noch vor zehn oder zwanzig Jahren gab. Aber die Chancen, die darin liegen, sollten wir nutzen! Ich hoffe, dass ich meine Kraft behalte für alle Aufgaben, die vor uns liegen! Und dass wir sie weiterhin gemeinsam bewältigen werden!

 

Zur Person

Dr. Helmut Dieser wurde am 15. Mai 1962 in Neuwied geboren. Aufgewachsen ist er in seinem Heimatort Heimbach-Weiß. Nach seinem Abitur in Bendorf studierte er Katholische Theologie und Philosophie in Trier und Tübingen. Am 8. Juli 1989 empfing er die Priesterweihe und war zunächst Kaplan in Bad Neuenahr-Ahrweiler. 1992 wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Trier. 1998 promovierte er in Theologie an derselben Fakultät. 2004 wurde er zum Pfarrer in Adenau, Dümpelfeld und Kaltenborn ernannt. Zudem war er als Dozent für Homiletik am Studienhaus St. Lambert in Lantershofen tätig. Papst Benedikt XVI. ernannte Monsignore Helmut Dieser am 24. Februar 2011 zum Titularbischof von Narona und zum Weihbischof in Trier. Am 5. Juni 2011 empfing er die Bischofsweihe im Trierer Dom. In der Deutschen Bischofskonferenz ist er Mitglied der Glaubenskommission sowie der Pastoralkommission. Dr. Helmut Dieser ist – nach der Wiedererrichtung des Bistums im Jahre 1930 – der siebte Bischof von Aachen.