****Starke Frauen im Bistum Aachen****
Sie engagieren sich für Menschen, die Hilfe brauchen, hier oder in anderen Teilen der Welt. Sie gründen Vereine oder Unternehmen, bilden Netzwerke, engagieren sich ehrenamtlich und wuppen nebenbei noch Familie und Beruf. Ohne starke Frauen würde im öffentlichen und gerade auch im Gemeindeleben so einiges nicht mehr funktionieren. Darum möchte die KirchenZeitung für das Bistum Aachen einige dieser starken Frauen in einer neuen Reihe vorstellen. Die einzelnen Porträts werden in loser Reihenfolge in der KirchenZeitung veröffentlicht.
Sie gehört zu einer Minderheit: Nur 23 Prozent der Mandate für den NRW-Landtag haben Frauen errungen. Patricia Peill ist eine von ihnen. Sie ist promovierte Betriebswirtin, war Unternehmerin, Landwirtin, hat vier Kinder großgezogen und sich 2016 entschieden, nicht nur in den lokalen und regionalen politischen Entscheidungsgremien aktiv zu sein, sondern Landespolitik „zu machen“.
Meist um 6 Uhr morgens verlässt Patricia Peill ihr Zuhause in der Gemeinde Nörvenich, um sich auf den Weg nach Düsseldorf zu machen. Oft sind die Tage lang. Plenumssitzungen, in denen über die Zukunft des Landes entschieden wird, dauern dann oft bis Mitternacht oder sogar darüber hinaus. Wer der Abgeordneten auf Instagram folgt, sieht Posts, in denen sie von den letzten Entscheidungen erzählt, und auch die Uhrzeit, zu der sie Feierabend macht. Wo andere stöhnen oder von Erschöpfung sprechen würden, erzählt die 61-Jährige strahlend: „Das sind auch so Tage, die toll sind, weil es eine Vielfalt an Themen gab, mit denen man sich beschäftigt hat: Es kann etwa mit der Schifffahrt auf dem Rhein anfangen, und dann geht’s weiter zu Kinderschutz und Bildung an Haus Overbach bis zum Wasserstoff… Dann fahre ich nach Hause und denke: Wow, die Welt ist bunt!“ Natürlich sei es anstrengend und herausfordernd. „Intensiv! Das ist das schönere Wort“, sinniert sie.
Das wichtigste Thema, das auch im Bistum Aachen die Menschen mit den Aspekten Verlust von Heimat und Umsiedlung beschäftigt, ist der Strukturwandel. Hier Perspektiven für die Zukunft zu gestalten, sieht Patricia Peill als eine der wichtigsten Aufgaben. Für rund 5000 Stellen, die in den Braunkohletagebauen entfallen, sollen qualitative neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Da wird hart gerungen werden – auch mit den Koalitionspartnern. „Viele sagen: ‚Wenn du in der Politik bist, brauchst du ein dickes Fell.‘ Ich glaube, dass gute Politiker eben kein dickes Fell haben,“ ist Patricia Peill überzeugt. Es sei wichtig, die Anliegen der Menschen an sich „heranzulassen“, zuzuhören und die Anliegen ernst zu nehmen. „Wenn das irgendwann nicht mehr geht, dann muss ich die Konsequenzen ziehen.“
Sie ist in der zweiten Amtszeit Mandatsträgerin für die CDU, Vorsitzende im Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, seit letztem Jahr auch Landesschatzmeisterin ihrer Partei. Bekannt ist Patricia Peill vor allem dafür, dass sie fraktionsübergreifend nach Kompromissen sucht. Das lässt sich leicht an den „Daumen hoch“ Bekundungen in den Sozialen Medien verifizieren. „Es geht nicht immer darum, die beste Lösung zu suchen, sondern eine Lösung zu suchen. Menschen, die immer das Beste suchen, bremsen Prozesse aus, weil es sehr viel Zeit braucht, das Beste zu finden.“ Lieber kleine Lösungsschritte suchen, aber diese auch gehen, sagt sie.
Wie es gelingt, in einem so anspruchsvollen Tagesablauf mit eng getakteten Zeitfenstern sich selbst nicht zu verlieren, dafür hat Patricia Peill im wahrsten Sinn „Raum“. „Der schönste Raum im Landtag ist unser Raum der Stille“, verrät sie und ergänzt augenzwinkernd: „Ehrlich gesagt: Ich kenne die Frau, die den Schlüssel hat. Und da sitze ich ganz oft vor Entscheidungen oder um zur Ruhe zu kommen.“ Darüber hinaus nutzt sie die Andachten, die in der Plenumszeit angeboten werden.
In Glaubensdingen hat sie ihre Großmutter stark geprägt, erzählt die nicht nur bekennende, sondern auch praktizierende Katholikin. Mit der Großmutter in Bayern wurden nicht nur viele Messfeiern besucht und im hauseigenen Andachtsraum gemeinsam gebetet. „Meine Großmutter war eine brennende Ökumenin. Sie kannte Bonhoeffer und hatte schon in den 1930er-Jahren diesen Kreis eingeladen.“
Früh habe sie gelernt, dass man nicht versuchen sollte, alles in die „Eindimensionalität seiner Überzeugungen zu pressen, sondern die Vielfältigkeit aus These und Antithese aushält“. Als sie 16 Jahre alt war, erzählt Patricia Peill, habe sie mit dem Gedanken gespielt, zum evangelischen Glauben überzutreten, weil der Pfarrer so überzeugend war und ihr Glaube erlebbar machen konnte. Die Auseinandersetzung mit ihrer Religion hat sie immer noch nicht abgeschlossen. Seit zehn Jahren besucht sie einmal im Monat einen Bibelkreis. „Es ist nicht so, dass ich jetzt alles verstehe. Ich habe gehadert und diskutiert. Aber die Schleife, von einem gefühlten Glauben in einen verständnisvollen Glauben und mit langem Leben in einen gefühlten Glauben zurückzukommen, hat mir besser beigebracht, wie man katholisch ist.“
Zum christlichen Menschenbild gehören für Patricia Peill die Werte von Freiheit und Solidarität, Optimismus und Realismus, Mut und Demut – aber auch Leistung und Pluralismus, Heimat und Leben. Hierzu hat sie die passende Bibelstelle parat, die im Lukas- und Matthäusevangelium zu finden ist: das Gleichnis von den Talenten. „Der eine vergräbt, und der andere macht was draus. Das ist für mich ‚Leistung‘ in dem Sinne, dass ich meine Gaben, die ich geschenkt bekommen habe, einsetze – für die Gemeinschaft. Gerade dieses Gleichnis hat mich sehr geprägt“, sagt sie und erinnert sich lachend: „Ich glaube, das war die einzige 15-Punkte-Klausur im Abi.“