Vom Beten, Bilden und Bierbrauen

Eine fast vollständig erhaltene Kelleranlage des Sepulchrinerinnen-Klosters wurde bei Grabungen entdeckt

Guido von Büren erläutert an der Ausgrabungsstätte die Hintergründe der Klostergeschichte. (c) Volker Goebels
Guido von Büren erläutert an der Ausgrabungsstätte die Hintergründe der Klostergeschichte.
Datum:
1. Dez. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 48/2021 | Guido von Büren

Diesmal waren es nicht Bruder Zufall und Schwester Schicksal, die zu einem der bedeutendsten Funde der Region führten – es war ein weitsichtiger Bauherr. Aufgrund seiner Kenntnisse um die Geschichte der Stadt Jülich ließ er eine archäologische Grabung vornehmen, und die förderte eine kleine Sensation zu Tage: Die nahezu vollständig erhaltene Kelleranlage des ehemaligen Sepulchrinerinnenklosters aus dem 17. Jahrhundert. Einblicke in eine kleine Erfolgsgeschichte des ersten Frauenkonvents in Jülich. 

Die Grabung erfolgte über die vollständige  Hoffläche und förderte das gut erhaltene Keller- gewölbe zu Tage. (c) Volker Goebels
Die Grabung erfolgte über die vollständige Hoffläche und förderte das gut erhaltene Keller- gewölbe zu Tage.

In der Frühen Neuzeit befanden sich in der Stadt Jülich zahlreiche Klöster und Stifte: Kartäuser, Kapuziner, Jesuiten, Elisabethinnen und Sepulchrinerinnen prägten neben dem Stiftskapitel das Leben in der Stadt. Über seelsorgerische Aufgaben hinaus nahmen die Konvente eine wichtige Rolle in der Armenfürsorge und in der Bildungsarbeit ein. Stiftskapitel, Jesuiten und Sepulchrinerinnen kümmerten sich um die höhere Bildung von Mädchen und Jungen.

Mit der Säkularisation im Jahr 1802 und den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs sind die Spuren des einst reichen klösterlichen Lebens in Jülich weitgehend zerstört. Umso bedeutsamer sind die Befunde, die im Rahmen einer archäologischen Voruntersuchung auf einem seit 1945 unbebaut gebliebenen Grundstück an der Großen Rurstraße freigelegt wurden.

Knapp unter der Geländeoberkante kamen erhebliche Reste der eingewölbten Keller des ehemaligen Sepulchrinerinnenklosters zum Vorschein. Grund genug, um einen Blick in die etwas mehr als 150-jährige Geschichte des Klosters zu werfen.
Die Anfänge der Niederlassung der Chorfrauen vom Heiligen Grab geht auf das Jahr 1644 zurück, als mehrere Ordensfrauen wohl im Streit den Konvent in Aachen verließen und sich mit Unterstützung des Landesherrn Wolfgang Wilhelm in Jülich ansiedelten. Zur Priorin des neuen Konvents wurde Alvera von Virmundt gewählt, die aus einem bedeutenden Jülicher Adelsgeschlecht stammte.

Durch Kauf und Schenkung verfügte man bald über ein ansehnliches Grundstück zwischen heutiger Stiftsherrenstraße und Großer Rurstraße. 1657 begannen die Bauarbeiten an der Klosterkirche, 1661 dann an den Klostergebäuden. Sie konnten 1674 abgeschlossen werden. Im 18. Jahrhundert fand mit dem Bau eines weiteren Flügels eine erhebliche Erweiterung der Bebauung statt. Bis 1972 hielt der Name Sepulchrinerstraße die Erinnerung an das einstige Kloster wach. Durch die Umbenennung in Große Rurstraße änderte sich aber auch das. Die letzten Reste der ehemaligen Klosterbebauung waren im Zweiten Weltkrieg obertägig nahezu vollständig zerstört worden. 

Franzosen ließen das Gebäude in  desolatem Zustand zurück

Bis zum Krieg war die Fassade des Klosters an der Hauptdurchgangsstraße von Jülich noch sichtbar. (c) Stadtarchiv Jülich
Bis zum Krieg war die Fassade des Klosters an der Hauptdurchgangsstraße von Jülich noch sichtbar.

Auf Fotografien aus der Zeit davor erkennt man einen zweigeschossigen barocken Bau mit acht Fensterachsen und einer prunkvoll umrahmten Tordurchfahrt, die aus der ersten Bauphase bis 1674 stammten. Auch der wuchtige Flügel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, dessen eingewölbter Keller jetzt freigelegt wurde, war bis 1944 erhalten.

Nach der Säkularisation 1802 wurden in dem Gebäudekomplex Veteranen untergebracht, die das ehemalige Kloster beim Abzug der Franzosen 1814 in einem desolaten Zustand zurückließen. Die preußische Regierung wandelte die Klostergebäude in eine Artillerie- und Reiterkaserne um. Dafür wurde 1818 auch die ehemalige Klosterkirche niedergelegt.
Der Orden der Sepulchrinerinnen wurde im 13. Jahrhundert gegründet. Es handelte sich hierbei um ein Chorfrauenstift, das der Augustinusregel folgte. Adressat waren vor allem Mitglieder reicher beziehungsweise adliger Familien. Die Mitgift, die diese mitbrachten, bildete die solide finanzielle Grundlage der jeweiligen Niederlassung. Das dem heiligen Joseph geweihte Kloster wurde zeitgenössisch denn auch als „Adeliche Frauen Stifft“ oder „Jufferen Closter“ bezeichnet. Im Zeitraum seiner Existenz zwischen 1644 und 1802 gab es im Kloster insgesamt 63 Chor- und 10 Laienschwestern. Die Zahl der Konventsmitglieder schwankte somit immer um die zehn.

Chorfrauen gelangten durch einen  unterirdischen Tunnel zum Garten 

Der Jülicher Museumsleiter und Archäologe Marcell Perse beim Ortstermin. (c) Dorothée Schenk
Der Jülicher Museumsleiter und Archäologe Marcell Perse beim Ortstermin.

Das Kloster verfügte über einen nicht unerheblichen Landbesitz, der verpachtet war, während der eigene Garten zur Selbstversorgung bewirtschaftet wurde. Interessant ist, dass sich ein Teil des Gartens auf der anderen Seite der heutigen Großen Rurstraße befand. Die Chorfrauen ließen sich einen Tunnel unter der Straße bauen, damit sie ungesehen ihren Garten betreten konnten. Es galt für sie als unschicklich, alleine über die Straße zu gehen.

Einnahmen erzielte das Kloster durch das Schulgeld, das die Nonnen erhoben. Auch betrieben sie ein Pensionat für Schülerinnen, die von außerhalb kamen. Die erhaltenen Speisepläne zeigen eine durchaus üppige Kost an. Die Mitglieder des Konvents werden sich aber an die strengen Fastenzeiten vor Ostern und im Advent gehalten haben. 
Eine weitere wichtige Einnahmequelle war das Bierbrauen, das im Kloster seit 1697 erfolgte. Am Ende des ersten Viertels des 18. Jahrhunderts nahm das Kloster von 45 Bierbrauern in Jülich den dritten Platz ein. Das war der Stadt insbesondere deshalb ein Dorn im Auge, weil das Kloster steuerfrei brauen durfte. Seit 1733 zahlten die Sepulchrinerinnen jedoch die städtische Akzise, was man sich finanziell wohl problemlos leisten konnte.

Hingewiesen sei noch darauf, dass durch Vermittlung des aus Jülich stammenden Jesuitengenerals Goswin Nickel 1665 aus Rom die Reliquie der Jungfrau und Märtyrerin Albina in das Sepulchrinerinnenkloster kam. Kurz vor der Säkularisation übergaben die Klosterfrauen die Reliquie an die Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt, wo sie bei der Zerstörung Jülichs am Ende des Zweiten Weltkriegs verloren ging.

Der Jülicher Privatlehrer Johann Krantz unterstellt in seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen aus der Franzosenzeit, dass die „Nonnen aus dem hiesigen Kloster zum hl. Grab“ bei der Säkularisation 1802 einen erheblichen Teil des Kirchen-Ornats unterschlagen hätten, indem sie sich weltlich umgekleidet zu Verwandten und Freunden gestohlen hätten. Wie dem auch sei, die aktuellen archäologischen Untersuchungen haben den Blick auf eines der ehemaligen Jülicher Klöster gelenkt, deren Geschichte mehr als nur ein flüchtiges Interesse wert ist.