Vielfalt war, ist und bleibt Kern der Botschaft Jesu

Weil wir ein bunter Haufen sind, der noch die eine oder andere Farbe vertragen kann: Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen verrichten ihren Dienst im Bistum Aachen.

(c) Jess Bailey/unsplash.com
Datum:
13. Feb. 2025
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 07/2025

P. Wieslaw Kaczor SDS, Regionalvikar der Region Eifel

(c) Stephan Johnen

Wenn ich aus meinem Fenster blicke, sehe ich das Dach der Basilika Steinfeld – ein großes Bauprojekt, das drei Jahre dauerte. Die Hauptarbeit leisteten türkische Handwerker, alle muslimischen Glaubens. Eines Tages fragte ich sie scherzhaft: „Wie viele Moscheen habt ihr schon gedeckt?“ Sie grinsten: „Keine einzige.“ Und auf meine nächste Frage, wie viele Kirchen, kam die Antwort: „Weit über 30.“ 

Dieses Bild steht für das, was ich täglich erlebe: gelebte Vielfalt in Kirche und Gesellschaft. Vor über 30 Jahren habe ich in der Eifel die Pfarrseelsorge übernommen – zunächst in den beiden Pfarreien Steinfeld und Krekel, inzwischen betreue ich 14 Gemeinden mit zehn Kapellen. Vor gut einem Jahr kam die Aufgabe als Regionalvikar hinzu. Ich bin Salvatorianer: Unser Orden ist international, und viele polnische Mitbrüder arbeiten in Deutschland in Pfarreien und der Schulseelsorge. In meinem Umfeld begegne ich täglich Menschen mit verschiedenen Wurzeln: polnische Handwerker, Küsterinnen und Küstern mit Migrationshintergrund, Angestellte im Kloster aus Italien, Kroatien, Polen und der Ukraine. Am Hermann-Josef-Gymnasium unterrichtet P. Paul – ebenfalls ein Salvatorianer – Mathematik, Physik und Religion. Vielfalt bereichert unser Zusammenleben. Gerade in ländlichen Regionen übernehmen Menschen aus anderen Ländern wichtige Aufgaben, für die oft einheimische Kräfte fehlen. Sie bringen nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern auch ihre Kulturen, Sprachen und Erfahrungen mit – und tragen dazu bei, dass Kirche und Gesellschaft lebendig bleiben. Vielfalt ist kein Verlust, sondern nur Gewinn.

Eric Mehenga, regionaler Jugendseelsorger in den Regionen Düren und Eifel

(c) Bistum Aachen /Anja Klingbeil

Vielfalt ist für mich eine wichtige, eine zentrale Säule für die Gestaltung der Demokratie in Europa und besonders in Deutschland. Ich kann mir heutzutage die Demokratie nicht vorstellen, ohne Engagement für Vielfalt. Sie ist unentbehrlich für die Ausübung der Demokratie und deswegen heißt sie für mich:
- Gegen Rassismus
- Chancen und Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft
- Gegen Antisemitismus
- Gegen Antiziganismus
- Gegen Homosexuellen- und Trans*- feindlichkeit
- Gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit

Die Kirche lebt nicht außerhalb der Gesellschaft. Sie ist ein Teile der Gesellschaft, sie ist eine Gesellschaft in der Gesellschaft. Also ohne Vielfalt ist die Kirche weit entfernt vom Evangelium Jesu. Denn Vielfalt war, ist und bleibt Kern der Botschaft Jesu. 

Antonio da Costa, regionaler Jugendseelsorger in Mönchengladbach

(c) Bistum Aachen/Andreas Steindl

Vielfalt bedeutet für mich, dass man sich als Menschen mit allen Gemeinsamkeiten und Unterschieden wahrnimmt und sich mit Respekt begegnet. Menschlichkeit macht ein gutes Miteinander aus. Und die Unterschiede, die wir dabei an den anderen Menschen wahrnehmen, können auch deutlich machen, was uns verbindet. Auch im Bereich der Kirche ist Vielfalt wichtig. Wir sind ein Teil der Gesellschaft und leben Vielfalt im Alltag. Für uns Hauptamtliche gilt es dabei, zu zeigen, dass Vielfalt eine Stärke sein kann statt eine Schwäche. Viele neigen dazu, das Negative zu sehen. Doch verschiedene Erfahrungen und unterschiedliche Perspektiven bringen uns insgesamt weiter. Ich arbeite in Mönchengladbach jeweils mit einer halbe Stelle als Jugendseelsorger und im Pastoralen Raum Mönchengladbach-Mitte. In Mönchengladbach leben 100 Nationen miteinander als Stadtgesellschaft. Gerade bei den jungen Menschen mit Migrationshintergrund erlebe ich aktuell Angst, aber auch Zuversicht mit dem Blick darauf, was die Zukunft bringt. Ich freue mich, dass sie sich vielfältig engagieren. Wir haben mit einer Gruppe an einer Demonstration für Demokratie teilgenommen. Als Katholiken wollten wir zeigen, dass wir nicht neutral sein wollen, sondern uns aktiv für Demokratie und Vielfalt einsetzen. 

Franz Xaver Huu Duc Tran, Pfarrer in Wegberg

(c) Michael Körner

Als Boatpeople schätze ich Vielfalt sehr. Damit verbinde ich persönlich das Geschenk, in Freiheit und Sicherheit mein Leben selbstbestimmt leben zu können, jetzt seit über 40 Jahren. Dank der freiheitlichen Grundordnung kann ich meinen Glauben leben, meine Meinung kundtun usw. 

Ich bin sehr glücklich und dankbar über Art. 1 GG, der die Menschenwürde eines jeden einzelnen Menschen schützt. Und das deckt sich mit dem christlichen Menschenbild. Die Menschenwürde zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Institutionen. Ich ergänze: In Zeiten wie diesen, wo den Institutionen Gefahr droht, dass sie auf „demokratischem Weg“ von innen ausgehöhlt werden, müssen diese auch von uns allen geschützt werden, damit sie ihrer Verpflichtung nach dem Grundgesetz nachkommen können.
Denn das Grundgesetz ist ein verbindlicher rechtlicher Rahmen für das Zusammenleben in Vielfalt. Alle müssen sich daran halten: Es gibt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. 

Deshalb bedeutet Vielfalt auch für mich: Bereicherung und Horizonterweiterung, Chancen und Potentiale. Wenn Vielfalt aktiv gestaltet wird, kann sie zu einer besonderen Stärke der Gesellschaft werden, auch der Kirche.